Frage an Volker Beck von Andreas H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Beck,
mit entsetzen habe ich ihren Blogartikel "Wer hat uns verraten? Die Piraten! Wer war mit dabei? Die Linkspartei! - http://beckstage.volkerbeck.de/2010/05/18/wer-hat-uns-verraten-die-piraten-wer-war-mit-dabei-die-linkspartei/ gelesen. Meinen Sie ihre Aussagen dort wirklich ernst?
Als die Grünen anfingen wurden diese von Teilen der SPD als Verräter beschimpft. Man hat den Grünen vorgeworfen diese würden indirekt die Union unterstützen. Die Union hingegen hat das Bild des Linksautonomen Chaoten beschworenen. 30 Jahre später kommt nun der menschenrechtspolitischen Sprecher der Grünen mit einer ähnlichen Rhetorik.
Warum glauben sie es wäre in Ordnung Menschen, die sich eine eigene Meinung gebildet haben, als Verräter zu bezeichnen? Anscheinend ist es für Sie bereits ausreichend, dass die Überzeugungen der Wähler nicht mit den Ihren übereinstimmen. Wenn so das Demokratieverständnis der Grünen aussieht, dann gute Nacht. Leute als Verräter zu bezeichnen ist eine Beschimpfung. In diesem Fall bezieht sich diese auf 1,5% der Wähler in NRW. Wollen Sie diese Aussage wirklich aufrechterhalten?
"Wer hat uns verraten? Die Piraten! - Wer war mit dabei? Die Linkspartei!" ist ganz offensichtlich eine Anspielung auf den alten Spruch "Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!". Letzterer wurde hauptsächlich in den Zeiten vor dem Zweiten Weltkrieg von Linksradikalen und Nazis benutzt um die SPD zu diffamieren. Finden Sie solche Anspielungen bezüglich der NRW-Wahl für angebracht?
Mit Verlaub, so eine Haltung hätte ich von einem Vertreter einer angeblich sich zu einer pluralistischen, demokratischen Gesellschaft bekennenden Partei nicht erwartet. Ich hoffe Sie stellen den Sachverhalt richtig!
Mit freundlichen Grüßen,
Andreas Heimann
Mein Anliegen war es, unaufgeregt die Frage zu diskutieren, ob man eine Wahlentscheidung nach den Umsetzungschancen für politische Inhalte im Rahmen der wahrscheinlichen Mehrheitsverhältnisse fällt oder allein danach, welcher Partei man sich zuschreibt. Eine spannende Frage, am Beispiel der NRW-Wahl sogar hoch aktuell. In puncto Aufregung scheint mir dies zumindest angesichts des Echos nicht ganz gelungen sein.
Meine Analyse kann man teilen oder nicht. Bevor man mir “Wählerbeschimpfung” vorwirft, sollte man aber zumindest den Beitrag einmal gelesen haben. Die Reminiszenz an den Schmähruf der KPD aus der Weimarer Republik gegen die SPD (“Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!“) war natürlich ironisch gedacht. Mir ist schließlich durchaus bekannt dass in den 80/90er Jahren manche den Spruch ergänzt haben in: „Wer verrät uns schneller? Grüne und ALer“. Die Ironie hätte eigentlich wenigstens den Linksparteianhängern einleuchten müssen, sagte doch schon Karl Marx: „Hegel bemerkte irgendwo, daß alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen, hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce.“
Aber ich sehe ein, der Witz hat nicht funktioniert. Deshalb im Klartext: Natürlich wäre der Begriff „Verrat“ für eine ernsthafte Beschreibung von Wahlverhalten Unsinn.
Und zur weiteren Klarheit: Beleidigen wollte ich damit niemanden.