Frage an Volker Beck von Volker F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Beck,
ich beziehe mich auf Ihre
Antwort vom 11.03.2010 auf die Frage, ob es für Sie in Ordnung war, dass eine gerichtlich genehmigte Demonstration von Gegendemonstranten verhindert worden ist. Ich teile sicherlich nicht die Ziele der Jungen Landsmannschaft Ostdeutschlands, bin allerdings ein vehementer Verfechter des Grundgesetzes. Ihre Antwort hat mich sehr irritiert, denn ich bin nach dieser Antwort nicht mehr sicher, ob Sie als Bundestagsabgeordneter noch jederzeit auf dem Boden des Grundgesetzes stehen. Bevor ich und andere Leser voreilige Schlüsse aus Ihrer Antwort ziehen, möchte ich noch einmal konkret nachfragen, inwieweit Sie zum im Grundgesetz aufgeführten Versammlungsrecht stehen:
A) Ist die Versammlungsfreiheit ein Grundrecht, das der Staat bei gerichtlicher Genehmigung auf jeden Fall durchsetzen sollte? Oder können aus Ihrer Sicht in bestimmten Konstellationen auch Gegendemonstranten eine Absage herbeiführen?
B) War die Verhinderung dieser Demonstration in Dresden aus Ihrer Sicht ein ernsthafter Verstoß gegen das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit?
C) Wie sollte aus Ihrer Sicht die Reaktion eines auf dem Boden des Grundgesetzes stehenden Bundestagsabgeordneten aussehen, wenn gegen das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit verstoßen wird?
Mit freundlichen Grüßen
Volker Friese
Sehr geehrter Herr Friese,
ad A) Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung.
Art. 8 GG lautet:
(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.
(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden. Sie sehen: Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ist ein sehr hohes und äußert schützenswertes und wertvolles Gut eines pluralistischen und demokratischen Staates. Einschränkungen sind aber gemäß Absatz 2 möglich. Allerdings „nur zum Schutz gleichgewichtiger anderer Rechtsgüter unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit“ (Bundesverfassungsgericht 69, 315 [348 f.]). Im Hinblick darauf ist das Polizei- und Ordnungsrecht des Freistaates Sachsen zustande gekommen. Demzufolge haben die Polizei und die Ordnungsbehörden Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ebenfalls unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu verhindern. Da die Sicherheit der Veranstaltung gefährdet war, handelte die Polizei am 13. Februar 2010 in Dresden deshalb absolut richtig, ermessensfehlerfrei und grundgesetzkonform.
ad B) Nein. Siehe oben.
ad C) Im von Ihnen beschriebenen Fall wurde nicht gegen das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit verstoßen.
Ihrer erheiternden Befürchtung, ich stünde womöglich nicht auf dem Boden des Grundgesetzes, konnte ich mit dieser nicht allzu schwierigen Argumentation im Rahmen des Art. 8 GG hoffentlich entgegen treten.
Da http://www.abgeordnetenwatch.de kein Forum oder Chatroom ist, werde ich auf weitere Nachfragen Ihrerseits zu diesem Thema leider nicht eingehen können. Der Besuch einer Vorlesung in den Grundrechten oder die Lektüre eines Staatsrecht-Lehrbuches könnten Ihnen diese jedoch bestimmt beantworten.
Mit freundlichen Grüße,
Volker Beck