Warum vertreten Sie die These, dass Bürgergeldempfänger keine gemeinnützige Arbeit verrichten sollen? Es gibt doch genügend Aufgaben und die Routine, einer Arbeit nachzugehen, ist bestimmt förderlich
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Ich lehne die Verpflichtung von Bürgergeldempfänger*innen zu gemeinnütziger Arbeit entschieden ab. Eine solche Maßnahme käme einer Form der Zwangsarbeit gleich – und jede Art von Zwangsarbeit ist mit einer freiheitlichen und sozialen Gesellschaft unvereinbar.
Statt Menschen zu gemeinnütziger Arbeit zu verpflichten, sollten wir ihnen die Möglichkeit geben, ihre Zeit sinnvoll zu nutzen – sei es, um einen Schul- oder Berufsabschluss nachzuholen, sich weiterzubilden oder Bewerbungen zu schreiben. Das verbessert ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt und ermöglicht ihnen langfristig, unabhängig vom Bürgergeld zu werden.
Zudem wird oft übersehen, dass ein großer Teil der Bürgergeldempfänger*innen gar nicht erwerbsfähig ist. Viele sind minderjährig, müssen sich um ihre Kinder kümmern aufgrund von fehlenden Kita-Plätzen oder kümmern sich um pflegebedürftige Angehörige. Diese Menschen sollten auf keinen Fall zu einer Tätigkeit gezwungen werden, die ihre ohnehin schon herausfordernde Lebenssituation zusätzlich belastet.
Ein weiterer wichtiger Punkt: Viele Bürgergeldempfänger*innen arbeiten bereits – doch ihre Löhne sind so niedrig, dass sie zusätzlich auf Bürgergeld angewiesen sind. Anstatt sie für ihre Situation zu bestrafen, müssen wir uns fragen, warum es in einem wohlhabenden Land überhaupt möglich ist, dass Menschen trotz Arbeit nicht genug zum Leben haben. Die Lösung liegt dabei nicht in einer Arbeitsverpflichtung, sondern in besseren Löhnen, fairen Arbeitsbedingungen und einer echten sozialen Absicherung.
Bürgergeld ist kein „Almosen“, sondern eine grundlegende Existenzsicherung. Die allermeisten Menschen sind nicht aus Bequemlichkeit oder „Faulheit“ auf diese Unterstützung angewiesen, sondern aufgrund struktureller Probleme – sei es wegen fehlender Qualifikationen, gesundheitlicher Einschränkungen oder eines Mangels an fair bezahlten Arbeitsplätzen. Wer arbeiten kann und will, braucht vor allem bessere Jobperspektiven, gezielte Weiterbildungsmöglichkeiten und eine faire Bezahlung.
Gemeinnützige Arbeit kann eine sinnvolle Ergänzung im gesellschaftlichen Leben sein – aber nur auf freiwilliger Basis. Anstatt Menschen unter Druck zu setzen, sollten wir ihnen echte Perspektiven bieten und sie auf ihrem Weg in eine unabhängige Zukunft unterstützen.