Frage an Valentin Lippmann von Georg S. bezüglich Migration und Aufenthaltsrecht
Wie stehen sie zur Moria-Krise? Die Lage spitzt sich mehr und mehr zu, und wir haben Platz, wir haben die Kommunen die sich bereitstellen, Menschen aufzunehmen, also wieso verweigern wir den Menschen in Moria und anderen Lagern das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit? Das sind Grundrechte.
Sehr geehrter Herr Seide,
vielen Dank für Ihre wichtigen Fragen.
Eine humanitäre Flüchtlingspolitik, welche sich auf den Menschenrechten gründet, ist eine unserer bündnisgrünen Kernforderungen. Dafür kämpfen wir seit vielen Jahren.
Auch in den Koaltionsverhandlungen war das ein wesentlicher Punkt für uns. Allerdings waren die Themen Asyl, Abschiebung und Integration die Bereiche, in denen BÜNDNISGRÜNE und CDU am weitesten auseinanderlagen. Jede Formulierung, jede Zahl, jedes Komma in diesem Teil des Koalitionsvertrages ist ein hart verhandelter Kompromiss zwischen nahezu unvereinbaren Positionen. Dass sich diese Positionen auch weiterhin durch die Koalition ziehen, wird an den aktuellen Geschehnissen in Moria deutlich. Auch wenn es auf den ersten Blick lächerlich erscheint, ist die Vereinbarung des Koalitionsvertrages, dass wir im Rahmen der Programme des Bundes mindestens 150 Menschen aus besonders gefährdeten Gruppen aufnehmen, ein hart verhandelter Punkt. Allerdings sind wir bei dieser Vereinbarung des Koalitionsvertrages nicht stehengeblieben. Wir BÜNDNISGRÜNEN haben seit Frühjahr 2020 in der Koalition für eine weitere Aufnahme minderjähriger Geflüchteter von den griechischen Inseln gekämpft und erreicht, dass zusätzlich 70 minderjährige Geflüchtete aufgenommen werden.
Nach den schrecklichen Ereignissen von Moria letzte Woche haben wir erneut das Gespräch mit unseren Koalitionspartnern gesucht, um gemeinsam zu überlegen, was wir in Sachsen tun können.Wir wissen, dass es momentan nicht ohne den Bund geht, darum waren für uns zentrale Punkte:- Den Druck auf den Bund aufrechtzuerhalten und weiter zu erhöhen, damit dieser eine größere Zahl an Menschen aufnimmt- Eine sogenannte „Freie Hand“ bei Sachsens Abstimmungsverhalten zu § 23 im Bundesrat zu verhandeln, da es Länder und Kommunen gibt, die Aufnahmebereitschaft Geflüchteter signalisiert haben, diese jedoch nicht umsetzen können, da der Bund mauert.
Die „Freie Hand“ konnten unsere Regierungsmitglieder im Kabinett leider nicht verhandeln. Darum konnte sich Sachsen bei der Abstimmung im Bundesrat nur enthalten. In vielen anderen Bundesländern, in denen Grüne an der Regierung beteiligt sind, war das genauso. Darüber hinaus haben wir BÜNDNISGRÜNE durchgesetzt, dass es ein proaktives und humanes Bekenntnis Sachsens zur Aufnahmebereitschaft gibt.
Inzwischen hat der Bund, auch aufgrund der Bereitschaft in den Ländern, erklärt 1533 Eltern und Kinder aufzunehmen. Die Einigung steht in keiner Relation zu dem Elend auf den griechischen Inseln, dennoch sind wir frohüber jeden Platz, der den Geflüchteten für ein menschenwürdiges Ankommen zur Verfügung gestellt werden kann. An unserer Vereinbarung, zusätzlich 70 Menschen aufzunehmen, halten wir fest und werden uns weiterhin dafüreinsetzen, dass Sachsen und der Bund noch weitere Geflüchtete aus Griechenland aufnehmen wird.
Wir müssen und werden den Druck weiter aufrechterhalten. Dabei hilft uns auch das Engagement vieler Menschen in diesem Bundesland – sei es auf der Straße oder in den Kommunen, welche ebenso ihre Aufnahmebereitschaft erklären können.
Mit freundlichen Grüßen
Valentin Lippmann