Frage an Uwe Schummer von Inge R. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Schummer,
ich bitte Sie um eine Stellungnahme zu der Verfahrensweise bei der Umsetzung der aktualisierten Fassung des § 45 Satz 3 Nr. 3 SGB XII.
Seit 1. Juli 2017 lehnen Sozialämtern vermehrt Anträge auf Grundsicherung unter dem Vorwand ab, dass die Dauerhaftigkeit der vollen Erwerbsminderung erst nach Beendigung des Berufsbildungsbereichs festgestellt werden könne.
Dieses Vorgehen widerspricht eindeutig dem Wortlaut und der Systematik des § 45 Satz 3 Nr. 3 SGB XII (siehe auch die Informationen des BVKM).
Es ist davon auszugehen, dass beim Besuch von einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung auszugehen ist und sich gerade deshalb eine Prüfung erübrigt.
In § 45 Satz 3 SGB XII sind zudem die Fallgruppen aufgezählt, in denen ein Ersuchen an den Rentenversicherungsträger nicht erforderlich ist, weil die Voraussetzungen für den Bezug von Grundsicherungsleistungen bereits aus anderweitig vorliegenden Erkenntnissen hinreichend abgeleitet werden können.
Gleichzeitig werden sogar bestehende Grundsicherungsbescheide aufgehoben, obwohl bei den Betroffenen bereits die dauerhaft volle Erwerbsminderung festgestellt wurde und der Zustand unverändert ist.
Es handelt sich hier um Menschen, die dringend auf diese Gelder angewiesen sind, weil sie eben nicht aus eigener Kraft und selbstständig etwas tun können, um ihre finanzielle Lage auf irgendeine Weise zu verbessern. Auch die ganzen erforderlichen bürokratischen Angelegenheiten können sie nicht alleine erledigen.
Ich bitte Sie um eine Stellungnahme, wieso hier eine bewusste Verschlechterung der Lebenssituation von behinderten Menschen veranlasst wird, die juristisch auf Dauer nicht haltbar ist.
Des weiteren bitte ich um die Information, wie viele Menschen mit Behinderung vom Eingangs- oder Berufsbildungsbereich von Werkstätten für Menschen mit Behinderung in den letzten drei Jahren in den allgemeinen Arbeitsmarkt wechseln konnten.
Mit freundlichen Grüßen
I. R.
Sehr geehrte Frau R.,
vielen Dank für Ihre Frage. Aufgrund des Regelbedarfsermittlungsgesetzes und des Bundesteilhabegesetzes hat es einige Änderungen bei der Grundsicherung gegeben. Der Rentenversicherungsträger muss regelmäßig prüfen, ob eine dauerhafte volle Erwerbsminderung weiterhin vorliegt. Bei Menschen mit Behinderungen, die den Eingangs- oder Berufsbildungsbereich einer Werksstatt durchlaufen, darf die Rentenversicherung keine Prüfung der Anspruchsberechtigung vornehmen. Das wurde in § 45 S.3 Nr. 3 SGB XII ab dem 1.7.2017 klargestellt. In der von der Koalition beschlossenen Gesetzesbegründung heißt es demnach: „Nach dem geltenden Wortlaut von Satz 3 ergeben sich Auslegungsfragen dahingehend, ob bei Menschen mit Behinderung im Eingangs- und Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen oder einer vergleichbaren Einrichtung ein Ersuchen gestellt werden kann. Da die Dauerhaftigkeit einer vollen Erwerbsminderung erst nach Beendigung des Berufsbildungsbereichs festgestellt werden kann, erfolgt für diese Personen kein Ersuchen an einen Rentenversicherungsträger. Deshalb regelt Satz 3 Nummer 3 im Unterschied zur geltenden Fassung von Satz 3, dass für Menschen mit Behinderung im Eingangs-, Berufsbildungs- und Arbeitsbereich kein Ersuchen auf gutachterliche Feststellung der Dauerhaftigkeit einer vollen Erwerbsminderung erfolgt.“
In der kommenden Wahlperiode müssen wir kritisch prüfen, wie die Sozialämter verfahren und welche Auswirkungen dies für die betroffenen Menschen mit Behinderungen hat.
Sie berichten, dass bestehende Grundsicherungsbescheide aufgehoben werden, obwohl bei den Betroffenen bereits die dauerhaft volle Erwerbsminderung festgestellt wurde und der Gesundheitszustand unverändert geblieben ist. Dies kann in der Regel jedoch nur unter sehr einschränkenden Voraussetzungen der §§ 45, 48 SGB X erfolgen. Es gilt ein umfassender Vertrauensschutz. Ob die Voraussetzungen für eine rechtmäßige Rücknahme oder Aufhebung in den von Ihnen erwähnten Fällen vorlagen und die Entscheidung im Einzelfall zu Recht erfolgte, kann ich nicht beurteilen. In jedem Fall besteht die Möglichkeit, Widerspruch oder Klage gegen diese Entscheidung einzulegen.
Eine bundesweite Statistik über Menschen mit Behinderungen, die aus der WfbM den Sprung auf den ersten Arbeitsmarkt schaffen, liegen mir leider keine vor. Einige Bundeslänger erheben diese Daten, wie z.B. Niedersachsen oder Bayern. Insgesamt ist der Übergang bisher gering, er liegt unter einem Prozent. Daher haben wir in dieser Wahlperiode mit dem Bundesteilhabegesetz ein bundesweites „Budget für Arbeit“ eingeführt, das am 1.1.2018 startet. Davon erwarten wir deutlich mehr Übergänge als bisher. Zudem bieten auch Inklusionsfirmen neue Chancen für den Übergang aus der WfbM auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Daher haben wir den Ausbau der Inklusionsfirmen mit einem 150-Mio-Förderprogramm angekurbelt, um mehr reguläre Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen bereitzustellen. Diese Maßnahmen zur Förderung des Übergangs wird die Union in den nächsten Jahren fortsetzen.
Es grüßt herzlich
Uwe Schummer MdB