Frage an Uwe Schmitz von Dirk S. bezüglich Familie
Sehr geehrter Herr Schmitz,
wie stehen Sie persönlich zu der Idee eines Bedingungslosen Grundeinkommens, welches höher sein muss als die heutigen Sozialhilfesätze (HartzIV, ALG II)?
Welche Modelle kennen Sie zu seiner Finanzierung?
Darf Mensch Menschen eher vertrauen oder braucht es viel Kontrolle um Missbrauch zu begegnen (es geht hierbei nicht um blauäugiges wegsehen)?
Ich freue mich auf eine Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Dirk Schumacher
Sehr geehrter Herr Schumacher,
vielen Dank für Ihre Frage zum Bedingungslosen Grundeinkommen.
Die Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) gibt es in vielen unterschiedlichen Ausprägungen. Als Bürgergeld, Basis Income Guarantee oder negative Einkommensteuer bezeichnet, gibt es in verschiedenen Ländern die unterschiedlichsten Ansätze. Auch in Deutschland werden unterschiedliche Modelle diskutiert vom liberalen Bürgergeld über das solidarische Bürgergeld und die klassische negative Einkommensteuer bis zu verschiedenen Modellen unter dem Begriff des Bedingungslosen Grundeinkommens. Sehr verschiedene Akteure fordern die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens mit zum Teil widersprüchlichen Philosophien und gegensätzlicher Programmatik. Insofern fällt es schwer, auf die Frage nach einem BGE allgemeingültig zu antworten. Ich werde es dennoch bezogen auf die größten Schnittmengen unter dem Begriff des Bedingungslosen Grundeinkommens versuchen.
Die SPD hat sich mehrfach gegen die Einführung eines BGE ausgesprochen. Eine ausführliche Begründung der ablehnenden Position der SPD findet sich unter anderem in diesem Papier aus 2008
http://www.spd.de/spd-webapp/servlet/elementblob/10502203/content;jsessionid=165319FECC3E8498A6DC4D97000B063D
Persönlich halte ich die Idee, mehrere staatliche Fördersysteme (wie ALG II, Wohngeld, etc.) zu einem zusammen zu legen und somit Bürokratie und Beantragungsaufwand zu verringern, für verlockend. Insbesondere auch, weil eine stark zergliederte Förderlandschaft häufig eine schwer durchschaubare und damit abschreckende Situation für Betroffene darstellt, die so nicht die möglichen Förderungen erreichen können. Eine solche strukturelle Vereinfachung hat auch die unter dem Begriff der Agenda 2010 vollzogene Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe erreicht. Auch der Ansatz, Leistungen diskriminierungsfrei und ohne Stigmatisierung jedem zukommen zu lassen, erscheint mir erstrebenswert. Insofern kann ich mich mit einigen humanistischen Zielrichtungen des BGE identifizieren.
Allerdings sind für mich persönlich die wirtschaftlichen Auswirkungen nicht überschaubar und absehbar. Wie sich eine solche grundlegende Systemveränderung auf Arbeitsmarkt und Preisentwicklung auswirkt, ist nicht nur für mich nicht absehbar. Es gibt dazu ganz konträre Aussagen unterschiedlicher Institute, woraus ich den Schluss ziehe, dass es zur Zeit keine konkreten belastbaren Prognosen gibt. Die Befürchtungen, ein BGE führe zu starken Anreizen bei Arbeitslosigkeit eine Erwerbstätigkeit nicht anzustreben oder aufzunehmen bzw. bei schlecht bezahlter Erwerbstätigkeit diese aufgrund der Leistungen des BGE aufzugeben, sind auf den ersten Blick nicht von der Hand zu weisen. Es müssten für mich zuerst die Fragen danach beantwortet werden, ob ein BGE zu starken Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt führen werde.
Mir bereitet darüber hinaus Unbehagen, dass in einer solchen Systemveränderung auch eine reine Alimentierung der jetzigen Arbeitslosen erkannt werden kann. Man unternimmt keine Anstrengungen mehr, Menschen aktiv in Arbeit zu bringen. Man findet sich insofern damit ab, dass einige Menschen lediglich alimentiert werden. Geld ist in solchen Fällen im bisherigen System ja nur ein Element der Förderung. Es bedarf darüber hinaus in vielen Fällen einer anderweitigen aktiven Förderung, um den Menschen wieder zu Arbeit zu verhelfen. Das würde nach meiner bisherigen Einschätzung der vorgeschlagenen BGE-Modelle zu einem Abstellgleis für viele Menschen werden.
Diese Tatsachen und eine Vielzahl ungeklärter Rechtsfragen bezüglich bereits erworbener Rentenansprüche, überhaupt der unklaren Ausgestaltung der Sozialversicherungssysteme in der Konzeption BGE, zumindest jedoch sehr unterschiedlicher Ausgestaltung nach jeweiligem Modell, lassen mich eine ablehnende Haltung einnehmen. Zum jetzigen Zeitpunkt der Diskussion und Forschung kann ich ein BGE nicht unterstützen, da es kein konkretes Modell unter dem Begriff gibt, bei dem grundlegende Fragen befriedigend beantwortet und Auswirkungen zumindest grob abgeschätzt werden können.
Bei weiteren Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Uwe Schmitz