Frage an Uwe Kekeritz von Andreas S. bezüglich Politisches Leben, Parteien
Lieber Herr Kekeritz
sicher ist Ihnen die Petition zur Erhaltung von Volksabstimmungen im neuen Grundsatzprogramm der Grünen bekannt.
Als Stammwähler der Grünen in Bayern frage ich mich, wie Sie dazu stehen und ob Sie den Erhalt der Volksabstimmungen als Ziel in Ihrem Grundsatzprogramm auf dem anstehenden Parteitag unterstützen würden?
Mit besten Grüßen,
Andreas Spitzmüller
Sehr geehrter Herr Spitzmüller,
Herr Kekeritz befürwortet grundsätzlich Bürgerentscheide. In Bayern haben wir damit auf der Landes- und Kommunalebene überwiegend gute Erfahrungen gemacht, zuletzt beim Volksbegehren "Rettet die Bienen".
Jedoch bergen diese - gerade wenn gut organisierte und finanzstarke Akteure dies verfolgen - Plebiszite auch Gefahren, aus dem Moment heraus Entscheidungen zu treffen, die bei abgewogenerer Entscheidung und ohne emotionaler Überfrachtung womöglich anders gefallen wären. Beispiele sind hier das Minarett-Verbot in der Schweiz, der BREXIT oder auch die Schulreform in Hamburg. Und: Volksentscheide müssen, wenn es ein glaubwürdiges Instrument sein soll, auch Bindung entfalten und könnten kaum von Parlamenten ignoriert oder gar durch Maßnahmen konterkariert werden.
Hinzu kommt, dass es absehbar für Plebiszite auf Bundesebene auch keine verfassungsändernde Mehrheit im Bundestag und Bundesrat geben wird.
Unter dieser Abwägung scheint der Verzicht auf das Instrument Volksentscheid im neuen Grundsatzprogramm (mit knapper Mehrheit) der grünen Partei verschmerzbar, insbesondere da nun ein anderes Instrument von den Grünen etabliert werden soll:
Die sog. Bürger*innen-Räte.
Diese könnten den Wunsch verbinden, Bürger*innen (zufällig ausgewählt und repräsentativ für die ganze Gesellschaft) Stimme und Gehör zu verschaffen und zugleich das Dilemma von Ja-Nein-Antworten auf komplexe Fragen bei gleichzeitiger Gefahr der Okkupation durch Einzelinteressen / Lobbies in der Zuspitzung hin auf den Tag der Abstimmung etwas entgegen setzen.
Aber auch Bürger*innen-Räte entbinden Parteien nicht davon ihrem verfassungsmäßigen Auftrag nachzukommen, an der "Willensbildung" mitzuwirken, und Debattenräume in und für die Gesellschaft zu eröffnen. Diese "Bringschuld" haben Parteien, wie auch Bürger*innen eine gewisse "Holschuld" haben, sich dort auch - mit oder ohne Parteimitgliedschaft - einzubringen.
Mit besten Grüße
i.A. Christian Schneider