Frage an Uwe Kekeritz von Angelika-Maria L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Wie halten Sie es mit Volksbefragungen? Sie sollten als Möglichkeit erhalten bleiben in Ihrem Programm.
Ich sehe wohl, dass das "zweischneidig" ist: siehe Stuttgart 21. Aber die Möglichkeit zu einer Volksbefragung heißt ja nicht, dass Blödsinn, der durch falsche Informationen ( wie bei Stuttgart 21 durch die Bahn AG) zustande kommt, unbedingt durchzuführen ist.
Sehr geehrte Frau Leuchs,
Herr Kekeritz befürwortet grundsätzlich Bürgerentscheide. In Bayern haben wir damit auf der Landes- und Kommunalebene überwiegend gute Erfahrungen gemacht, zuletzt beim Volksbegehren "Rettet die Bienen".
Jedoch bergen diese - gerade wenn gut organisierte und finanzstarke Akteure dies verfolgen - Plebiszite auch Gefahren, aus dem Moment heraus Entscheidungen zu treffen, die bei abgewogenerer Entscheidung und ohne emotionaler Überfrachtung womöglich anders gefallen wären. Beispiele sind hier das Minarett-Verbot in der Schweiz, der BREXIT oder auch die Schulreform in Hamburg. Und: Volksentscheide müssen, wenn es ein glaubwürdiges Instrument sein soll, auch Bindung entfalten und könnten kaum von Parlamenten ignoriert oder gar durch Maßnahmen konterkariert werden.
Hinzu kommt, dass es absehbar für Plebiszite auf Bundesebene auch keine verfassungsändernde Mehrheit im Bundestag und Bundesrat geben wird.
Unter dieser Abwägung scheint der Verzicht auf das Instrument Volksentscheid im neuen Grundsatzprogramm (mit knapper Mehrheit) der grünen Partei verschmerzbar, insbesondere da nun ein anderes Instrument von den Grünen etabliert werden soll:
Die sog. Bürger*innen-Räte.
Diese könnten den Wunsch verbinden, Bürger*innen (zufällig ausgewählt und repräsentativ für die ganze Gesellschaft) Stimme und Gehör zu verschaffen und zugleich das Dilemma von Ja-Nein-Antworten auf komplexe Fragen bei gleichzeitiger Gefahr der Okkupation durch Einzelinteressen / Lobbies in der Zuspitzung hin auf den Tag der Abstimmung etwas entgegen setzen.
Aber auch Bürger*innen-Räte entbinden Parteien nicht davon ihrem verfassungsmäßigen Auftrag nachzukommen, an der "Willensbildung" mitzuwirken, und Debattenräume in und für die Gesellschaft zu eröffnen. Diese "Bringschuld" haben Parteien, wie auch Bürger*innen eine gewisse "Holschuld" haben, sich dort auch - mit oder ohne Parteimitgliedschaft - einzubringen.
Mit besten Grüße
i.A. Christian Schneider