Frage an Uwe Kekeritz von Michaela H. bezüglich Soziale Sicherung
Im Zusammenhang mit meiner beruflichen Tätigkeit als Krankenpflegerin (tätig in der stationären Altenpflege) komme ich nicht mehr umhin, bezüglich des bereits bestehenden Pflegenotstandes Ihnen, als für den Wahlkreis 243 zuständigen und gewählten Vertreter im Bundestag, folgende Frage zu stellen:
Was gedenkt Ihre Fraktion zur Verbesserung der sich stetig verschlechternden und derzeitigen miserablen Situation in der Kranken- und insbesondere Altenpflege zu unternehmen?
Die m. E. prekäre Situation kann ich Ihnen hier lediglich stichpunktartig nennen, alles weitere würde den Rahmen sprengen.
Ich möchte die desolaten personellen Bedingungen in den öffentlichen Pflegeheimen anführen. Durchgängig sind hier für eine vernünftige Pflege bei weitem zu wenige Pflegekräfte vorhanden. Das vorhandene Personal ist, gemessen an dessen Verantwortung und den schweren körperlichen und psychischen Belastungen, gering entlohnt und vom System ausgenutzt. Der Überstundenstand ist nach meinen Erkenntnissen nicht selten im mittleren dreistelligen Bereich. Arbeitszeiten an Wochenenden (Minimum jedes zweite Wochenende, oft mehr) und Feiertagen überproportional auch für Teilzeitbeschäftigte die Regel. Die Auswirkungen auf das Familienleben sind deutlich negativ und verstärken die psychische Belastung. Der Krankenstand ist aufgrund der immer schlechter werdenden Bedingungen stetig steigend, insbesondere ist der Anstieg psychischer Erkrankungen zu erwarten bzw. bereits Realität.
Die Auswirkungen auf die zu pflegenden Personen sind fatal. Oftmals ist nicht einmal die Grundpflege gesichert, an seelische Zuwendung nicht zu denken. Angehörigen von Bewohnern sind diese Umstände nicht bzw. nur schwer zu vermitteln, deren Unmut trifft nicht selten die Pflegekräfte. Die Erfüllung teilweiser sinnfreier bürokratischer Vorgaben des medizinischen Dienstes der Krankenkassen wird aus meiner Sicht Vorrang vor der erforderlichen guten Pflege am Menschen gegeben.
Sehr geehrte Frau Hacker,
Pflege und Betreuung von älteren Menschen wird in unserer Gesellschaft zu einer immer größeren Herausforderung, der wir aktuell nicht gerecht werden.
Wir sehen dieses Problem und den Handlungsbedarf. Deshalb fordern wir ein Personalbemessungsinstrument, das es ermöglicht die Anzahl der benötigten Pflegekräfte aus dem tatsächlichen Pflegebedarf der PatientInnen abzuleiten. Darüber hinaus fordern wir ein Pflegemonitoring in jedem Bundesland, das Daten zum Beschäftigtenstand und Pflegearbeitsmarkt liefert und zukünftigen Entwicklungen planbar macht.
Um eine angemessene Personalausstattung mit Altenpflegerinnen und Altenpflegern in den stationären Pflegeeinrichtungen zu erreichen, brauchen wir eine bundeseinheitliche, verbindliche und nachvollziehbare Regelung zur Personalbemessung, die wir - anders als die unterschiedlichen heimrechtlichen Regelungen in den Ländern - auf Bundesebene prüfen können. Hinsichtlich der Ausgestaltung einer solchen Regelung gibt es verschiedene Möglichkeiten, die differenziert in Bezug auf Vor- und Nachteile betrachtet werden müssen.
Ein Personalbemessungsinstrument sollte den Personalbedarf vom Pflegebedarf der Bewohnerinnen und Bewohner ableiten statt nur von der Anzahl.
Die Analyse bestehender Instrumente müsste die Fragen beantworten, ob sie den Pflegebedarf angemessen abbilden, ob sich anhand des Pflegebedarfs der Personalbedarf bemessen lässt und wie eine entsprechende Berechnung konkret aussieht. Dieses Verfahren ist zweifellos aufwendig, würde aber im Ergebnis die Personalausstattung in der Alten- und Krankenpflege deutlich besser abbilden.
Vor einigen Jahren sind die Bemühungen, ein wissenschaftlich fundiertes Personalbemessungsinstrument zu implementieren, gescheitert. Darum brauchen wir jetzt einen neuen Anlauf. Dazu können wir uns vorstellen, einen Beirat einzurichten - ähnlich wie bei der Entwicklung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs -, der nationale und internationale Instrumente identifiziert, auf ihre Eignung hin analysiert, ggf. modifiziert oder auch ein neues Instrument entwickelt.
Ein Personalbemessungsinstrument wird zu mehr Personal und damit auch zu mehr Kosten führen. Das ist uns klar und wir scheuen diese Debatte nicht. Wir benötigen dafür die Einführung einer Pflege-Bürgerversicherung, die Einkommen aus Kapitalerträgen oder Vermietung, etc. mit einbezieht, denn es wird ein Großteil der Einkünfte nicht mehr nur über Gehälter bezogen. Die Einnahmebasis der Pflegeversicherung wird dadurch breiter.
Wir Grüne sind für die Aussetzung des Pflege-TÜVs, da dieser seine Wirkung nicht entfaltet und zu viel bürokratischem Aufwand geführt hat.
Aber insgesamt muss der Pflegeberuf auch interessanter und familienfreundlicher werden. Das ist uns allen klar und hier sind auch die Arbeitgeber gefragt. Personalpflege und der gute Umgang kann nicht von der Politik verordnet werden, es muss ein selbstverständliches Anliegen der Arbeitgeber sein. Es muss auch klar sein, dass nicht mehr HeimbewohnerInnen aufgenommen werden können, wenn das Personal zur Versorgung nicht zur Verfügung steht. Wir plädieren aber auch an die Pflegekräfte sich stärker gewerkschaftlich zu organisieren, da nur so der Entsprechende Druck von der Basis für Veränderungen erzielt werden kann.
Mit besten Grüßen
Uwe Kekeritz