Frage an Uwe Kekeritz von Klaus Amon, D. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Verhalten in Santa Cruz
Wenn es richtig ist, was die TAZ am 13./14.4.2013 berichtet, dass Du auf das Anliegen der Bevölkerung der Umgebung des offenbar sehr problematischen Werkes von Thysssen-Krupp in Santa Cruz, bei der Minderung der durch das Werk verursachten Umweltprobleme behilflich zu sein, geantwortet hast "diese Probleme müssen vor Ort gelöst werden", so frage ich Dich, warum diese Reise auf Steuerzahlerkosten überhaupt nötig war? Warum (als Grüner!) dorthin reisen, wenn man nicht bereit ist, bei durch eine deutsche Firma verursachten Umweltproblemen zu vermitteln und die Bevölkerung zu unterstützen! Sehr peinlich!
Lieber Herr Dr. Klaus Amon,
mit Deiner Frage beziehst du Dich auf den TAZ-Artikel vom 13/14. April. ( http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=au&dig=2013%2F04%2F13%2Fa0153&cHash=5ca349b2e57e8bdb2dc469bfb74966c4 )
Leider ist nur ein Halbsatz von mir zitiert worden und ohne den Kontext wiederzugeben. Diesen möchte ich aber gerne an dieser Stelle erläutern: Auf dem Programm unserer Brasilienreise stand auch der Besuch von Thyssen-Krupp in Santa Cruz (Rio). Thyssen-Krupp hat nicht nur aufgrund von Verlusten in Milliarden Höhe Schlagzeilen gemacht, die zum Großteil auf Fehlinvestitionen in Brasilien zurückgehen, sondern auch wegen der Proteste der AnwohnerInnen vor Ort in Rio de Janeiro. Dort hat Thyssen-Krupp 2010 ein neues Werk auf einem ehemaligen Mangrovengebiet eröffnet. Diese sind aus ökologischen Gründen sehr wertvoll und sie stabilisieren das Ufer. Die Gesamtanlage hat eine Fläche von 9 km². Dazu gehört auch eine eigene Hafenanlage.
Bei einem neuen Werk sollte man annehmen, dass dieses die modernsten und sichersten Umweltstandards aufweist. Doch weit gefehlt. Ob es nun eine Fehlplanung, Dummheit oder eiskaltes Kalkül war, spielt für die betroffenen Menschen keine Rolle. Zu leugnen gab es für Thyssen-Krupp nichts. Immer wieder regnete es Staub, die BewohnerInnen nennen ihn Silberregen. Thyssen-Krupp blieb nur übrig zu betonen, dass dieser nicht gesundheitsgefährdend sei. Es handle sich schließlich nur um Graphit. Warum es in Ordnung sein sollte, dass Menschen Graphitregen ausgesetzt werden, ist nicht zu erklären und auch nicht zu akzeptieren, denn auch Graphit wird eingeatmet und hat nichts im Körper zu suchen. Graphit verschmutzt die Böden, Gärten und Häuser. Die Menschen klagen über Hautausschläge, Atemwegerkrankungen und andere körperliche Beschwerden.
Genau deshalb habe ich mich schon im Vorfeld der Reise dafür eingesetzt nicht nur das Werk zu besichtigen, sondern insbesondere die AnwohnerInnen vor Ort zutreffen. Zunächst stellten fünf Personen in jeweils fünf Minuten die Situation vor Ort dar. Wir haben also sehr authentische Informationen erhalten. Im Gespräch mit den Betroffenen lernten wir beispielsweise von den ansässigen FischerInnen, über den starken Rückgang der Fischbestände. Für viele FischerInnen bedeutete dies das Ende ihrer Einkommensgrundlage. Früher konnten sie von ihrer Arbeit leben, heute wäre die Fischausbeute höchstens noch 20 % der ursprünglichen Menge. Über 2500 FischerInnen haben ihr Einkommen davon erzielt. 8000 Menschen lebten davon. Thyssen-Krupp erzählte uns dagegen, dass es nur 150 betroffene Fischer seien.
Die Betroffenen baten uns, ihnen zu helfen. In einer solchen Situation verlangt es der Respekt gegenüber den Menschen, sie ehrlich über unsere Motivation und unsere Möglichkeiten zu informieren. Als deutsche Bundestagsabgeordnete können wir nicht in das Rechtssystem eines anderen Landes intervenieren. Die vielen rechtlichen Probleme, die mit dem Bau des Stahlwerkes verbunden sind (ökologische, soziale, genehmigungsrechtliche Probleme) müssen tatsächlich in Brasilien gelöst werden. Ich habe den etwa 40 TeilnehmerInnen der Veranstaltung erklärt, dass wir uns mit dem Thema auseinandersetzen, weil Thyssen-Krupp eine deutsche Firma ist. Wir können in Deutschland Öffentlichkeitsarbeit machen, Thyssen-Krupp zur Rede stellen, bei der Regierung nach Sanktionsmöglichkeiten fragen. Die Erkenntnisse, die wir in Brasilien mit Thyssen-Krupp gemacht haben, wird auch in meine Arbeit bei der Frage der internationalen Unternehmensverantwortung mit einfließen.
Inzwischen sind wir so verblieben, dass wir auch eine Klagemöglichkeit in Deutschland gegen Thyssen-Krupp überprüfen. Voraussetzung hierfür ist, dass gerichtsverwertbare Belege vor Ort beschafft werden und auch potentielle KlägerInnen gefunden werden.
Im Gespräch mit den Betroffenen und einigen NGOs vor Ort kam es zum Schluss zum Eklat. Ein mitreisender Kollege bezweifelte den Wahrheitsgehalt der Aussagen der vortragenden Personen. Als Beleg nannte er die Angaben der Thyssen-Krupp Manager, die wir kurz vorher besucht hatten. Als Delegationsleiter war ich wie vor den Kopf geschlagen angesichts des fehlenden Gespürs für die sensible Lage. Thyssen-Krupp als glaubwürdiger zu bezeichnen als die Menschen vor Ort entbehrt jeder Grundlage. Insbesondere vor dem Hintergrund, da Thyssen-Krupp in Brasilien bereits mehrmals rechtskräftig wegen verschiedener Verstöße zu hohen Geldstrafen verurteilt wurde. Die Leute waren zu Recht sehr aufgebracht. Doch auch trotz der hitzigen Stimmung war der Informationsaustausch umfangreich. Gerne hätten wir mehr Zeit vor Ort gehabt und auch die AnwohnerInnen hätten sich gerne noch länger ausgetauscht. Und wenn auch die zeitlich Planung etwas unglücklich war, so war es doch ein wertvolles Treffen.
An diesem Beispiel sehe ich, dass der Grüne Ansatz, hier in Deutschland und Europa die Verhältnisse zu ändern, damit sich die Verhältnisse dort ändern, sehr richtig ist. Das gilt für Steuerhinterziehung aber auch sehr stark für die Offenlegungspflichten für Unternehmen.
Sehr detaillierte Informationen über das Stahlwerk liefert eine Studie von Christian Russau:
Schlacke und Staub – der Konflikt um das Stahlwerk TKCSA von ThyssenKrupp in Rio de Janeiro vom Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika e.V.
http://just-trade.org/sites/just-trade.org/files/publications/TKCSA-Schlacke_und_Staub-2012.pdf
In Kürze veröffentliche ich einen Reisebericht auf meiner Homepage, der auch über die anderen Inhalte der Reise informieren soll. Einen ersten Eindruck über die Reiseinhalte verschafft Dir aber auch mein Artikel: Brasilien – das Gesundheitswesen als Ausdruck von Demokratie: http://www.uwe-kekeritz.de/aktuelles_einzel.html?&tx_ttnews[tt_news]=4732&cHash=7cfe44957c7df1f44c43dbcf3d7dcab0
Mit freundlichen Grüßen
Uwe Kekeritz