Frage an Uwe Hiksch von Christoph H. bezüglich Familie
Sehr geehrter Herr Hiksch,
wie sehen Sie die Chancen, in Deutschland ein bedingungsloses Grundeinkommen einzuführen und was halten Sie persönlich davon.
Mit freundlichem Gruß
Christoph Hoderlein
Sehr geehrter Herr Hoderlein,
vielen Dank für Ihre Frage zu der ich gerne Stellung nehmen möchte.
Seit vielen Jahren findet in der Politik eine intensive Diskussion über die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens statt. Häufig stehen sich dabei die Befürworter der bedarfsorientierten Grundsicherung und des bedingungslosen Grundeinkommens sehr feindlich gegenüber. Dies ist meines Erachtens ein Problem. Zurzeit müssen wir feststellen, dass aufgrund der neoliberalen Politik weder die Befürworter eines bedingungslosen Grundeinkommens noch die Befürworter einer bedarfsorientierten Grundsicherung eine politische Mehrheit stellen können und eine dieser beiden Forderungen durchsetzen können.
Auch aus diesem Grund sehe ich zum jetzigen Zeitpunkt die Notwendigkeit, dass beide politischen Überzeugungen gemeinsam für eine Mindestsicherung für alle streiten, die die unwürdigen Zustände für Hartz-IV-Betroffenen schnellstens beenden.
Für eine politisch fortschrittliche Kraft gibt es meines Erachtens vier wichtige Punkte die bei der Durchsetzung einer Mindestabsicherung beachtet werden müssen:
1. Alle Modelle müssen von einer sanktionsfreien Absicherung ausgehen, da dass soziale Sicherung ein Grundrecht für die Menschen, ja ein Menschenrecht ist, das nicht mit Sanktionen belegt werden darf.
2. Auch die Befürworter einer bedarfsorientierten Grundsicherung, die weiterhin von der Zentralität der Erwerbsarbeit ausgehen, müssen sich in ihren theoretischen Diskursen davon lösen, dass die Zentralität der Erwerbsarbeit mit einem „Erwerbszwang“ verbunden werden darf. Vielmehr sollte im Rahmen der Freiheit von Lebensentwürfen auch akzeptiert werden, dass sich bei Menschen Lebensentwürfe durchsetzen können, die nicht mehr von der Zentralität der Erwerbsarbeit ausgehen.
3. Bei allen Modellen sollte weiterhin die Forderung nach Vollbeschäftigung für alle Menschen die Arbeiten wollen aufrechterhalten werden. Menschen haben ein Recht auf Arbeit und jegliche fortschrittliche Politik muss so ausgerichtet werden, dass dieses Recht auf Arbeit nicht durch Abschieben eines Teils der Menschen in die Transferzahlung ausgehöhlt werden kann.
4. Alle Modelle müssen so angelegt werden, dass sie gerade die strukturelle Benachteiligung von Frauen nicht weiter verfestigen oder Frauen in den Haushalt zurückdrängen. Vielmehr müssen sie die Gleichstellung von Männern und Frauen in Gesellschaft und im Erwerbsleben als Teil der sozialen Sicherheit durch die Förderung der Frauen in allen gesellschaftlichen Bereichen fördern.
Die LINKE hat sich dafür entschieden, sich für eine bedarfsdeckende und sanktionsfreie Mindestsicherung einzusetzen. Dabei hat DIE LINKE in Ihrem Wahlprogramm deutlich gemacht, dass sie für folgende Forderung eintritt:
Hartz IV durch eine bedarfsdeckende und sanktionsfreie Mindestsicherung ersetzen, die Armut tatsächlich verhindert und die Bürgerrechte der Betroffenen achtet:
• Anspruch für alle in der Bundesrepublik lebenden Menschen, die über kein ausreichendes Einkommen und Vermögen verfügen, um ihren Mindestbedarf zu decken;
• DIE LINKE unterstützt den Kampf der Gewerkschaften und Sozialverbände im „Bündnis soziales Deutschland“ für eine sofortige Anhebung der Regelsätze für Hartz IV-Empfängerinnen und -Empfänger. Wir fordern für die nächste Wahlperiode die Anhebung auf 500 Euro. Danach soll der Regelsatz Jahr für Jahr zumindest in dem Maße wachsen, wie die Lebenshaltungskosten steigen. Perspektivisch setzen wir auf die Einführung einer bedarfsdeckenden und sanktionsfreien Mindestsicherung;
• nachweisbare Sonderbedarfe werden zusätzlich übernommen;
• das Kindergeld ist anrechnungsfrei;
• Abschaffung des Sanktionsparagraphen 31 im SGB II;
• angemessene Wohnkosten in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen ersetzen (Maßstab Wohnfläche: Kriterien sozialer Wohnungsbau, Maßstab Miete: Mittelwert der ortsüblichen Vergleichsmiete, Bruttowarmmiete); ein Umzug – frühestens nach einem Jahr Übergangsfrist – ist unzumutbar, wenn er eine soziale Härte darstellt oder die Kommune keine angemessene Ersatzwohnung nachweisen kann;
• die Schnüffelpraxis der Wohnungsbesuche einstellen;
• die U25-Regelung ersatzlos streichen;
• die Bedarfsgemeinschaft abschaffen, das Individualprinzip auf der
Basis der gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen einführen;
• die Vermögensfreigrenzen auf 20.000 Euro pro Person heraufsetzen und
das Schonvermögen für die Altersvorsorge auf 700 Euro pro Lebensjahr
anheben;
• das Rückgriffsrecht des Staates gegenüber den Erben von Grundsicherungsbezieherinnen und -beziehern (§ 35 SGB II) abschaffen.
Zusammenfassend möchte ich Ihre Eingangsfrage so beantworten, dass ich immer ein Anhänger einer bedarfsorientierten Grundsicherung war, da ich für eine emanzipierte, fortschrittliche Gesellschaftsentwicklung die Zentralität der Erwerbsarbeit für eine wichtige Grundlage halte. Diese Zentralität der Erwerbsarbeit, steht bei einer Reihe von Modellen des bedingungslosen Grundeinkommen, die vor allem aus dem liberalen und konservativen Diskurs kommen, infrage.
Gleichzeitig bin ich immer allen Debatten, welche die Sanktionsfreiheit und alle Debatten über einen vermeintlichen Arbeitszwang forcieren entgegengetreten.
Ich hoffe mit dieser Antwort Ihre Frage beantwortet zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Uwe Hiksch