Frage an Uwe Beckmeyer von Christian G. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Beckmeyer,
mit großer Sorge sehe ich der Abstimmung über die Novelle des Erneuerbare Energien Gesetzes entgegen. Die Bundesregierung hat das Klima-Abkommen mit dem 1,5°C-Ziel unterschrieben, wird es aber basierend auf der aktuellen EEG-Novelle nicht erreichen.
Eine aktuelle Studie von Prof. Volker Quaschning zeigt, wie eine 100%ige Energiewende für Strom, Wärme und Verkehr bis 2040 aussehen kann, die für das Erreichen des 1,5°C nötig ist ( http://www.volker-quaschning.de/publis/studien/sektorkopplung/Sektorkopplungsstudie.pdf ). Und die dort festgehaltenen Vorschläge sind keineswegs utopisch, sondern werden u.a. in Dänemark, den Niederlanden und Skandinavien bereits umgesetzt.
Bürgerbeteiligung war nicht nur bisher ein Erfolgsfaktor für die Umsetzung eines Großteils der Erneuerbaren Energien Anlagen, sondern versteht sich auch als demokratischer Akt.
86% der Bevölkerung sind für die Energiewende. Der Großteil ist sogar für eine schnellere Energiewende. Die Energiewende zu verlangsamen und Bürgerbeteiligung zu erschweren, um den großen Energiekonzernen zu gefallen, ist für Politiker ein Armutszeugnis. Sie sollten an einer Gesellschaft mitarbeiten, die (Klima-)Probleme nicht auf Ihre Kinder abwälzt und so viele demokratische Elemente (also Bürgerbeteiligung) wie möglich enthält.
Ich fordere Sie als Bremer Bürger auf, handeln Sie mit Bedacht, stimmen Sie gegen die Novelle in der jetzigen Form. Und nun zu meiner Frage: wie werden Sie abstimmen? Und warum werden Sie so abstimmen?
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Christian Gutsche
Sehr geehrter Herr Dr. Gutsche,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Mithilfe des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG), das seit 2000 in Kraft ist, haben sich die erneuerbaren Energien von einer Nischentechnologie zur dominierenden Energiequelle entwickelt. So haben erneuerbare Energien heute schon einen Anteil von mehr als 33 Prozent am deutschen Stromverbrauch. Noch nie gab es einen so starken Anstieg der Erneuerbaren wie in den letzten zwei Jahren: 7,4 Prozent Wachstum hat es in keiner Zeit zuvor gegeben.
Mit der Energiewende ist aber wesentlich mehr als nur der Ausbau der erneuerbaren Energien verbunden. Der Strommarkt und das Stromnetz müssen ebenfalls entsprechend ertüchtigt werden. Das heißt, der Netzausbau, alle verfügbaren Flexibilitäten, die schrittweise Degression des Anteils der fossilen Energien und der weitere Ausbau der Erneuerbaren müssen in Einklang gebracht werden. Das wurde bislang nur zum Teil erreicht.
Der Netzausbau muss vorangetrieben werden, um den im Norden erzeugten Strom in die Industriezentren im Süden abführen zu können. Da der Netzausbau nicht so schnell vorangeht wie geplant, kann der Strom aus dem Norden nicht abgeführt werden. Stattdessen müssen ersatzweise fossile Kraftwerke südlicher eingesetzt werden – mit entsprechend hohen Einsatz- und Abregelungskosten. Mit dem Ende 2015 in Kraft getretenen Energieleitungsausbaugesetz wurden die Weichen für einen strukturierten Ausbau der Stromnetze gestellt. Es wird aber vermutlich noch zehn Jahre dauern, bis das Stromnetz einem zum großen Teil auf erneuerbaren Energien basierenden Stromsystem angepasst ist.
In diesem Sinne ist ein weiterer Ausbau der erneuerbaren Energien notwendig, der mit dem Netzausbau Schritt hält. Daher sieht das am vergangenen Freitag im Deutschen Bundestag in 2./3. Lesung abschließend beratene und beschlossene „Gesetz zur Einführung von Ausschreibungen für Strom aus erneuerbaren Energien und zu weiteren Änderungen des Rechts der erneuerbaren Energien“ (EEG 2016) ein Ausschreibungsverfahren vor. Damit soll zum einen die Förderhöhe über ein wettbewerbliches Verfahren ermittelt werden, zum anderen soll über technologiespezifische Ausschreibungen eben auch die Ausbaumenge gesteuert werden.
Um eine Harmonisierung von Netzausbau, Rückgang des Anteils fossiler Energieträger und Ausbau von erneuerbaren Energien zu erreichen, soll der Gesamtausbaukorridor für Erneuerbare-Energie-Anlagen nicht überschritten werden. Bis zum Jahr 2025 soll der Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch nicht mehr als 45 Prozent betragen.
Ein besonderes Anliegen der SPD-Bundestagsfraktion war es, dass Bürgerenergiegesellschaften eine faire Chance erhalten, bei den Ausschreibungen zum Zuge zu kommen. So können Bürgerenergiegesellschaften mit dem EEG 2016 an den Ausschreibungen unter erleichterten Bedingungen teilnehmen. Bürgerenergiegesellschaften müssen beispielsweise nicht, wie etwa andere große Wettbewerber, zu Beginn des Ausschreibungsverfahrens eine Bundesimmissionsschutz-Genehmigung vorlegen, die mit erheblichen Kosten verbunden ist.
Zusätzlich zu dieser Regelung orientiert sich die Vergütung von Bürgerenergiegesellschaften, die erfolgreich an einer Ausschreibung teilgenommen haben, an dem höchsten bezuschlagten Gebot. Große Bieter können den Markt häufig besser abschätzen als Bürgerenergiegesellschaften. Dieses Modell sichert auch den kleineren Akteuren eine Vergütung zu marktüblichen Preisen.
Darüber hinaus ist der SPD-Bundestagsfraktion eine stärkere Beteiligung aller Bürgerinnen und Bürger über die Kommunen wichtig. Daher wurden die Regelungen für Bürgerenergiegesellschaften so angepasst, dass sie zehn Prozent ihrer Anteile der Kommune vor Ort anbieten müssen.
Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich seit vielen Jahren dafür eingesetzt, dass auch im Bereich der erneuerbaren Energien „Mieterstrom-Modelle“ möglich werden. Bereits im letzten Jahr wurden im Bereich der Kraft-Wärme-Kopplung gezielte Anreize für Quartierslösungen gesetzt. Nun wurde endlich auch bei den erneuerbaren Energien der Weg für Mieterstrom geöffnet: Eine Verordnungsermächtigung ermöglicht, dass zukünftig auch Mieter vom Ausbau der Erneuerbaren profitieren können.
Wir alle wollen die Energiewende. Sie ist eines unserer zentralen Zukunftsprojekte und gleichzeitig eines der größten Modernisierungsprojekte unseres Landes. Durch eine ausgewogene Berücksichtigung des Zieldreiecks Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Umweltverträglichkeit gestalten wir die Energiewende systematisch und nachhaltig erfolgreich.
Ich habe an der namentlichen Abstimmung zum EEG 2016 im Deutschen Bundestag nicht teilgenommen, da ich zeitgleich meiner Präsenzpflicht im Bundesrat nachgekommen bin.
Mit freundlichen Grüßen
Uwe Beckmeyer