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Frage von Andreas K. •

Frage an Ute Vogt von Andreas K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Vogt,

beim Durchforsten der Nachrichten im Internet bin ich auf eine (leider) glaubhafte Programmbeschwerde gegen die Berichterstattung der Tagesschau gestoßen. Beim Durchlesen der Beschwerde stellt sich für den Leser heraus, dass bei der Abstimmung am 30.06.2017 bei TOP ZP12 "Netzwerkdurchsetzungsgesetz" der Deutsche Bundestag gemäß §45 der Geschäftsordnung des Bundestages NICHT beschlussfähig war. Trotzdem wurde das Gesetz beschlossen und wohl vom Bundespräsidenten (SPD) unterzeichnet. Es gab von keiner der im Bundestag vertretenen Parteien irgendeine öffentliche Reaktion.
Können Sie sich vorstellen, einen solchen rechtsstaatlichen Verstoß öffentlich zu machen bzw. zu versuchen, ihn gar zu verhindern, angesichts der Tatsache, dass man sich ein derartiges Engagement heutzutage kaum noch leisten kann, ohne beruflichen Schaden zu nehmen? Es gibt nunmal bei MdBs oft Interessenkonflikte bei solchen Sachen und oft ist es ein Balanceakt zwischen Parteiräson und Rechtsstaatlichkeit. Trauen Sie sich zu, dem Druck der Fraktion(svorsitzenden) standzuhalten?

Mit freundlichen Grüßen

A. K.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr K.,

danke für Ihre Frage.

Jede Debatte im Bundestag wird öffentlich im Internet übertragen oder kann im Nachgang in der Mediathek auf der Homepage des Bundestages aufgerufen werden. Dort können Sie diese und weitere Abstimmungen einsehen und werden feststellen, dass des Öfteren weniger als die Hälfte der Mitglieder im Plenarsaal anwesend sind.

Nach Paragraf 45 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Bundestages ist der Bundestag beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte seiner Mitglieder im Sitzungssaal anwesend sind. In Paragraf 45 Absatz 2 ist geregelt, wann und wie die Beschlussunfähigkeit festzustellen ist: Auf Antrag einer Fraktion oder aber von 5 Prozent der Abgeordneten. Da die Beschlussunfähigkeit nicht festgestellt worden ist, ist rechtlich von der Beschlussfähigkeit auszugehen.

Die Beschlussfähigkeit des Bundestages wird solange vermutet, bis das Gegenteil in geschäftsordnungsmäßig korrekter Form festgestellt worden ist. Der Bundestag gilt also ohne Rücksicht auf die Zahl seiner anwesenden Mitglieder als beschlussfähig, solange seine Beschlussunfähigkeit nicht festgestellt worden ist. Zur Verfassungsmäßigkeit dieser sogenannten Vermutungsregel hat das Bundesverfassungsgericht bereits 1977 in einer Entscheidung festgestellt, dass diese mit dem Grundgesetz und dem Prinzip einer repräsentativen Demokratie vereinbar ist und ausdrücklich anerkannt, dass Abgeordnete eben nicht nur im Plenum an der parlamentarischen Arbeit teilnehmen, sondern auch auf vielen anderen Ebenen.

Im Plenarsaal werden die in den Ausschüssen vorbereiteten Gesetzentwürfe der Öffentlichkeit präsentiert. Dort werden die Argumente öffentlich diskutiert, die vorab in den Gremien des Bundestages und der Fraktionen ausführlich diskutiert wurden. In den Ausschüssen wird auch darüber entschieden, welches Votum die Fachleute der Fraktionen für die Abstimmung im Plenum empfehlen. Daher sind die Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker im Plenarsaal anwesend, die in den Ausschüssen für das jeweilige Thema zuständig sind.

Dies führt sicherlich auch zu Irritationen bei den Bürgerinnen und Bürgern und befördert zudem manches Vorurteil, da oftmals übersehen wird, dass es sich beim Bundestag um ein Arbeitsparlament handelt. Ein Großteil unserer parlamentarischen Arbeit findet in den Ausschüssen und Gremien des Bundestages sowie in den Arbeitsgruppen und Gremien der Fraktionen statt. In der Zeit, in der wir zuständigkeitshalber nicht im Plenarsaal sind, nehmen wir Termine wahr, führen Fachgespräche, empfangen ausländische Delegationen oder Besuchsgruppen aus unseren Wahlkreisen, wir bereiten uns inhaltlich vor, erstellen oder lesen Gesetzentwürfe und erledigen Büroarbeiten.

Unser Terminkalender in Berlin ist zumeist prall gefüllt. Müsste ich durchgängig im Plenarsaal anwesend sein, könnte ich mein Arbeitspensum nicht erfüllen. Daher bin ich in der Regel bei den Abstimmungen anwesend, die ich als stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion zu verantworten habe.

Herzliche Grüße
Ute Vogt