Frage an Ute Vogt von Eva B. bezüglich Frauen
Sehr geehrte Frau Vogt,
wir sind ein Verein Ehrenamtlicher, die sich für die soziale Arbeit mit Frauen, die in der Prostitution ausgebeutet werden, engagieren. Laut Koalitionsvertrag soll die Gesetzgebung im Bereich Prostitution reformiert werden. Wir warten dringend auf diese Regulierung, wie bspw. das Mindestalter von 21 Jahren, verpflichtende (kostenlose) Gesundheitsuntersuchungen und Beratungsgespräche, Kondompflicht, objektive Strafbarkeitsmerkmale zur Bekämpfung von Zuhälterei und Menschenhandel, um einige der dringend notwendigen Regelungen anzusprechen.
Die genannten Punkte sind noch nicht einmal im Eckpunktepapier zum geplanten ProstSchG enthalten - geschweige denn eine Bestrafung von Freiern von Zwangsprostituierten. Dies alles als auch die Punkte des Eckpunktepapiers (Anmeldepflicht für Prostituierte, Erlaubnispflicht für Bordelle inklusive einer Regelung zur Unterbindung von Mietwucher, Verbot von Flatrate und Gang-Bang) müssen mindestens im geplanten ProstSchG enthalten sein, um Frauen in der Prostitution vor Ausbeutung und menschenunwürdigen Lebensbedingungen zu schützen.
Darum fragen wir uns warum Sie und Ihre Partei eine umfassende Regulierung im Bereich Prostitution blockieren und damit die Interessen von Profiteuren und Teilzeit- oder Edel-Sexarbeiterinnen über die von schutz- und wehrlosen Armuts- und Zwangsprostituierten, die in diesem deregulierten Bereich tagtäglich auf das Schlimmste ausgebeutet werden, stellen?
Mit freundlichen Grüßen
inga e.V. - Initiative gegen die Ausbeutung von Frauen in der Prostitution
Eva Böndel - Vorstand
Sehr geehrter Frau Böndel,
danke für Ihre Frage. Als für Stuttgarter Wahlkreisabgeordnete antworte ich Ihnen auch im Namen der von Ihnen angeschriebenen Kolleginnen und Kollegen der SPD-Bundestagsfraktion.
Die SPD blockiert weder, noch vertritt Sie einseitig die Interessen einer Seite. Diese Behauptung ist nicht richtig, auch wenn sie von Alice Schwarzer in der Emma ständig wiederholt wird.
Uns allen geht es darum, Menschenhandel und Zwangsprostitution zu bekämpfen und die Situation der Frauen, die freiwillig in der Prostitution tätig sind, zu verbessern. Dies setzt allerdings voraus, bei allen Maßnahmen zu bedenken, ob sie die Situation der Prostituierten de facto verbessern und den Opfern von Menschenhandel und Zwangsprostitution wirklich helfen oder aber diese (weiter) in die Illegalität treiben.
Handlungsbedarf besteht insbesondere im Bereich der durch die Öffnung der Grenzen zu Osteuropa ausgelösten Zunahme der Armutsmigration. Diese stellt viele Kommunen, so auch Stuttgart, vor besondere Probleme. Denn die Grenzen zwischen Armutsmigration und Frauenhandel sind oft fließend. Bezüglich der Situation bei uns in Stuttgart habe ich mir wiederholt einen Eindruck vor Ort verschafft. Ich habe Gespräche mit den Fachleuten von Polizei und Beratungsstellen geführt und im letzten Jahr eine Diskussionsveranstaltung im Leonhardsviertel durchgeführt.
Im Vorfeld der Reform, an der wir gerade arbeiten, hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eine umfassende Anhörung zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes veranstaltet. Ich füge Ihnen hier den Link zu den Stellungsnahmen der Expertinnen und Experten bei: http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/gleichstellung,did=208046.html.
Gerade weil es sich um ein sehr sensibles Thema handelt, bei dem es derzeit keine gesicherte Datenblage gibt, ist es wichtig, sich im Vorfeld Fachexpertise einzuholen. Wir nehmen daher die Vorschläge aus Fachkreisen und Strafverfolgungsbehörden sehr ernst, so auch die ernsthaften Bedenken bezüglich einiger der von Ihnen geforderten Maßnahmen. Es muss alles vermeiden werden, das die Prostituierten in irgendeiner Form zu sanktionieren bzw. gar zu kriminalisieren droht.
Das Prostitutionsgewerbe muss stärker und vor allem transparent und einheitlich reguliert werden. Wir brauchen Konzepte, die den Frauen Perspektiven geben, die aufgrund von Armut oder fehlender Alternativen in der Prostitution tätig sind, damit tatsächlich auch nur jene dort arbeiten, die das auch wollen.
Menschenhandel und Zwangsprostitution sind schwere Menschenrechtsverletzungen, die konsequent bekämpft werden müssen. Die Opfer brauchen mehr Unterstützung. Dafür muss der Opferschutz dringend verbessert werden. Deutschland muss auch endlich die EU-Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer umsetzen.
Symbolpolitik und Stigmatisierung führen hier nicht weiter, sie schaden vielmehr den Frauen. Es gibt hier keine einfachen oder gar bequemen Lösungen.
Herzliche Grüße
Ute Vogt