Frage an Ute Vogt von Sigfrido H. bezüglich Verkehr
Sehr geehrte Frau Vogt,
vielen Dank für Ihre Antwort vom 08.10.2010 bzgl. des Stuttgart 21 Projektes.
Leider konnten Sie meine Verunsicherung nicht beseitigen, sondern durch Ihre
alarmierende Feststellung eher steigern, dass dem Bundesrechnungshof,
(eine Institution zu welcher ich als Steuerzahler und Bürger bisher größtes Vertrauen hegte),
Recherchemängel und offensichtliche Fehler unterlaufen sind.
Könnte diese Einrichtung eine zweite Projektkalkulation starten indem sie alle relevanten Fakten
bekäme? Damit könnte man sowohl die Gegner als auch die Befürworter des Projektes sachlich, nüchtern und vor allen Dingen unbefangen informieren.
Der sog. Lenkungskreis im Stuttgart 21 Projekt besteht m.W. aus folgenden Mitgliedern: die Bahnunternehmen, die Bundesregierung, die Landesregierung, Region Stuttgart und die Stadt Stuttgart.
Bis auf vielleicht das Mitglied `Region Stuttgart´ handelt es sich um staatliche Mitglieder, welche über ein öffentliches Baugrossprojekt zu befinden hatten.
Könnten die Sitzungsprotokolle des Lenkungskreises der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden? Konnten Parlamentarier Einsicht nehmen ?
Könnten die Namen der an den Sitzungen des Lenkungskreises teilnehmenden Personen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden?
Vielen Dank im Voraus!
Mit freundlichen Grüßen
S. Hartwig
Sehr geehrter Herr Hartwig,
Bauherr für das Bahnprojekt Stuttgart-Ulm ist die Deutsche Bahn. Für Stuttgart 21 wurde der Lenkungskreis einberufen, in dem die Deutsche Bahn, das Land, die Stadt sowie die Region vertreten sind. Der Flughafen wird durch Stadt und Land vertreten. Vorsitzender des Lenkungskreises ist der Vorstandsvorsitzende der Deutsche Bahn AG, sein Stellvertreter der Ministerpräsident des Landes. Zentrale Aufgabe des Lenkungskreises ist es, auf die Einhaltung des Kostenrahmens zu achten. Der Lenkungskreis ist durch den Bauherren über den Bauablauf, Terminfortschritt, die Kostenentwicklung sowie weitere wichtige Fragen der Projekte zu unterrichten. Er entscheidet über die Freigabe der Mittel aus dem Risikofonds. Zudem werden wesentliche Änderungen am Projekt im Lenkungskreis entschieden, etwa in Bezug auf die äußerliche Gestaltung der Bauwerke oder den verkehrlichen Gebrauch. Da die Projekte Stuttgart 21 und Neubaustrecke Wendlingen-Ulm voneinander abhängig sind, werden die beiden Projekte eng miteinander verzahnt und gesamtheitlich gesteuert. Insofern erhält der Lenkungskreis Stuttgart 21 auch Berichte über Baufortschritt sowie Termin- und Kostenentwicklung der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm. Wenn Sie mich fragen, reicht die oben aufgelistete Besetzung dieses Gremiums für dessen Befugnisse aus und es müssen nicht Parlamentarier aller Parteien dort dabei sein. In die Fragen aller Kostendetails ist dieses Gremium auch nicht involviert.
Warum sage ich "Kostendetails": In einem der vielen Zeitungsberichte (STZ oder STN) stand neulich, dass Schlichter Heiner Geißler mit Bahnchef Grube dahingehend übereinkam, dass Herr Geißler Akteneinsicht in die Kostenberechnungen der Bahn bekommen könne und einen externen Bahnsachverständigen hierzu mitnehmen könne. Es handelt sich hierbei um eine wohl nicht unerhebliche Anzahl an Aktenordnern, was sich jeder durchaus auch so vorstellen kann. Und erlaubt ist ja auch die Frage, was für eine Interesse ausgerechnet die Bahn daran haben sollte, wie es von manchen unterstellt wird, nur mit erfundenen Zahlen zu operieren und alle Zahlenwerke zu verschleiern? Im Gegenteil - da sitzen seit Jahren hunderte an Verkehrsplanern, Ingenieuren, Wirtschaftsfachleuten, Tunnelbauern, Geologen und Architekten an diesem Projekt und herausgekommen ist die Kostenberechnung, die ich Ihrer letzten Mail beigefügt habe. Können Sie, kann ich aber bewerten, ob z.B. an der Neubaustrecke Stützmauern 51 Mio. kosten oder Signalanlagen 73 Millionen? Da wiederum sind leitzordnerweise die Pläne der Ingenieure die Basis der Berechnungen. Die Aufgabe des Lenkungskreises ist nicht, eben in diese tausende von Details einzusteigen. Darum glaube ich auch nicht, dass die Protokolle des Lenkungskreises diesbezüglich Sachdienliches beinhalten.
Warum überdies bei den Berechnungen der Bahn Geheimhaltung gilt, hat zum einen damit zu tun, dass die Bahn, durch ihr Hervorgehen aus einer behördenförmigen Staatsbahn zu einer privatrechtlichen Staatsbahn, privatwirtschaftlich handeln kann und dies auch tut. Zum anderen ist Geheimhaltung wegen der Vergaben notwendig - wenn Firmen, die sich um Teilaufträge bemühen, schon vorher die Kostenschätzung der Bahn kennen würden, würde kein Anbieter unter diesen Preis gehen.
Der Bundesrechnungshof, das Bundesministerium für Verkehr und der Verkehrsausschuss des Bundestages haben sich miteinander über die damaligen offensichtlichen Fehler im Bericht ausgetauscht und sie offensichtlich behoben. Sonst hätte der Bundesrechnungshof selbst auf einer "zweiten Projektkalkulation", wie Sie sie fordern, bestanden. Selbstredend wird er aber, wie der Verkehrsausschuss auch, weiterhin das Thema der Kosten beobachten. Bereits am 10. November wird eine weitere Anhörung zu dem Thema im Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages stattfinden.
Mit freundlichen Grüßen
Ute Vogt