Frage an Ute Koczy von Claudia M. bezüglich Umwelt
Sehr geehrte Frau Koczy,
Sie waren kürzlich in Ecuador, um sich über die Yasuni-Initiative zu informieren. Dazu einige Fragen:
1. Unabhängig vom Ausgang des Yasuni-Projektes hat Ecuador das Ziel formuliert, seine Ölfördermenge in den kommenden Jahren zu steigern. Öl, dass im ITT Gebiet von Yasuni in der Erde bleibt, führt somit zu verstärkter Förderung (und Waldrohdung) an anderer Stelle. Wie schätzen Sie vor diesem Hintergrund die Effekte des Projektes für Klima-/Umweltschutz ein?
2. Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass das Projekt international als Schutz eines Nationalparkes „beworben“ wird, tatsächlich aber nur ein kleiner Teil (ITT-Gebiet) des Parkes geschützt werden soll, während in weiten Teilen des Parkes massiv Öl gefördert wird?
3. Was halten Sie von Herrn Niebels Vorschlag, Yasuni in das „Reducing Emissions from Deforestation und Forest Degradation (REDD)“ Programm zu integrieren und gibt es aus Ihrer Sicht für den Einsatz von Steuergeldern zum Schutz des Regenwaldes andere, effektivere Instrumente als das von Ecuador vorgestellte Projekt?
4. Aus Ecuador kommen in den letzten Jahren gehäuft Nachrichten, die beunruhigen. Stichwort: Prozesse gegen oppositionelle Journalisten, Nähe zu Staatsführern wie Castro, Gaddafi oder Ahmadinedschad, Ausweisung der US-Botschafterin, Nichtig-Erklärung der ausländischen Staatsschulden etc.
Halten Sie die Regierung um Rafael Correa für einen zuverlässigen Vertragspartner?
Sehr geehrte Frau Müller,
vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihr Interesse an Yasuní. Zunächst möchte ich um Ihr Verständnis bitten, dass ich erst heute dazu komme, Ihre Fragen zu beantworten. Wir waren im Oktober und die erste Novemberhälfte stark beschäftigt – auch mit Yasuní.
Zu ihrer ersten Frage: Uns muss klar sein, dass in der ecuadorianischen Regierung im Hinblick auf Eindämmung vs. Ausbau der Ölförderung unterschiedliche Positionen vertreten sind. Natürlich gibt es in Ecuador einige AkteurInnen, die ein großes Interesse an einer raschen und verstärkten Ausbeutung der ecuadorianischen Ölvorkommen haben. Auch die Öllobby macht mächtig Druck. Gerade deshalb ist internationale Unterstützung zum Schutz von Yasuní entscheidend. Nur so können wir jenen AkteurInnen in Ecuador, die für den Schutz von Yasuní kämpfen, den Rücken stärken. Hier möchte ich direkt an Ihre Frage nach Präsident Correa anschließen: Der Umgang des Präsidenten mit der Presse ist höchstproblematisch. Die in jüngster Zeit privat geführten Klagen gegen JournalistInnen und einzelne Zeitungen nehmen z.T. drastische Ausmaße an. Ich beobachte diese Entwicklungen mit großer Sorge. Sollte es tatsächlich dazu kommen, dass Millionenbeträge aus gewonnenen Klagen gegen die Presse in den Yasuní-Fonds eingebracht würden, dann wäre der Treuhandfonds diskreditiert. Ich habe diese Aspekte Anfang Oktober in Quito angesprochen und bin mit AkteurInnen vor Ort im Austausch.
Was den ITT-Teil von Yasuní angeht: Die Initiative deckt nur einen Teil von Yasuní ab, da haben Sie Recht. Ich setze mich für den Schutz von Yasuní in seiner Gesamtheit ein. Dafür ist die ITT-Initiative ein wichtiger Schritt. Aber es braucht Maßnahmen zum Schutz des gesamten Nationalparks! Darüber hinaus ist meiner Meinung nach der Modellcharakter und die Signalwirkung einer solchen Initiative nicht hoch genug einzuschätzen: sie zeigt den Weg auf in eine Post-Öl-Gesellschaft. Mit ITT kann ein erster Schritt auf diesem langen, aber dringend notwendigen Weg gemacht werden.
Zu Ihrer Frage nach REDD: Dieser Ansatz ist für Yasuní nicht der adäquate Weg. Denn solange menschenrechtliche und soziale Standards nicht gesichert sind und noch nicht einmal die Definition von Wald abschließend geklärt ist, halte ich REDD als Lösung für Yasuní für problematisch. In Ecuador gibt es hierzu große Vorbehalte. Diese müssen ernstgenommen werden. Insbesondere die indigene Bevölkerung befürchtet eine umfassende Privatisierung und Inwertsetzung der Natur, während ihr gleichzeitig die Nutzung des Waldes für ihre Subsistenzwirtschaft untersagt wird. Der REDD-Ansatz ist also noch sehr unausgegoren, es gibt kaum bindende Vereinbarungen für die Realisierung im Hinblick auf Finanzierung, Umsetzung und Monitoring. Minister Niebel baut eine künstliche Konkurrenz zwischen der Yasuní-Initiative und REDD auf. Diese Haltung geht jedoch an der Realität vorbei. Es geht um Komplementarität, nicht um Konkurrenz. Wenn Minister Niebel nun wie angekündigt einfach nur den REDD-Ansatz auf Yasuní ausdehnen will, wird dies den ecuadorianischen Anstrengungen und den Zielen der Yasuní-Initiative nicht gerecht.
Mit freundlichen Grüßen ,
Ute Koczy