Frage an Ute Koczy von Heinz-Dieter S. bezüglich Finanzen
sehr geehrte frau ute koczy
moechte von ihnen gerne wissen,wie sie am 29.09.2011 im bundestag abstimmen.
ja oder nein.
fuer ihre muehe bedanke ich mich recht herzlich
Sehr geehrter Herr Struenker,
entschuldigen sie meine verspätete Antwort auf ihre Frage vom 27.09.2011.
Ich habe am 29.09.2011 bei der Abstimmung zur Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) mit JA gestimmt, aber natürlich ist ganz klar, dieses Thema bewegt viele. Und in der Tat sind die aktuellen Herausforderungen immens. Daher möchte ich Ihnen gerne meine Position erläutern.
Von Beginn der Krise an setzten wir Grünen uns dafür ein, dass sich Deutschland – der bislang größte Profiteur der Gemeinschaftswährung Euro – verantwortlich und solidarisch in der Krise engagiert.
Ein Strategiewechsel im Umgang mit der Schuldenkrise ist nötig, da die bisherigen Maßnahmen, vor allem in Griechenland nicht zum gewünschten Ziel geführt haben. Dazu gehört ein klares Signal an die Märkte, dass Spekulationen gegen einzelne Länder – wie jetzt Italien – sich nicht lohnen.
Wir müssen festhalten: Die Währungsgemeinschaft hat der europäischen Wirtschaft durch den Wegfall von Währungsrisiken enorme Vorteile erbracht. Und nochmals: Kein anderes Land in Europa hat so vom Euro profitiert wie das exportstärkste Land Europas, und das ist Deutschland.
Daher hätte ein Auseinanderbrechen der Währungsunion drastische Folgen für die Unternehmen in Deutschland und würde hunderttausende Arbeitsplätze kosten. Die Stammtischparolen aus den Reihen von Schwarz-Gelb und von der Bild-Zeitung lassen den Eindruck entstehen, Deutschland sei der Zahlmeister und würde ständig wieder neue Milliarden an Griechenland überweisen und hätte selbst nichts davon. Das Gegenteil ist der Fall. Während Schwarz-Gelb sich durch kurzfristig erfolgversprechende Rhetorik Aufwärtswind in den Meinungsumfragen erhofft, sehen wir Grüne uns weiterhin als die Europapartei, die an langfristig richtigen Entscheidungen festhält.
Das bedeutet nicht, dass wir eine unbegrenzte Transferunion wollen. Diese Krise zeigt jedoch, dass wir mehr Europa brauchen! Unsere gemeinsame Währung kann nur gelingen, wenn wir einen gemeinsamen Rahmen für die Wirtschafts-, Haushalts-, Steuer- und Sozialpolitik schaffen, mit dem wirtschaftliche Ungleichgewichte und unhaltbare Staatsverschuldung effektiver bekämpft werden können.
Was macht die Bundesregierung?
Bei der Bewältigung der Krise handelte die Bundesregierung
- zu zögerlich, weil Union und FDP tief zerstritten sind,
- uneuropäisch, weil sie die europäischen Partner mit eigenbrötlerischen Vorschlägen vor den Kopf stieß,
- unaufrichtig: die Vergemeinschaftung der Schulden hat schon längst stattgefunden Bei der EZB liegen Staatsanleihen aus den Problem-Staaten in Höhe von 77 Mrd. €. Damit trägt auch Deutschland das Risiko eines Wertverlusts, denn wir sind mit 27% an der EZB beteiligt.
- zu spät aus wahltaktischem Kalkül vor den jüngsten Landtagswahlen Grüne Position - was wollen wir?
- Einen glaubwürdigen und politischen Deals weitgehend entzogenen Stabilitäts- und Wachstumspakt, der die Eigenverantwortung der Staaten für ihre Staatsfinanzen stärkt.
- Eine verstärkte wirtschaftspolitische Koordinierung, die auch die Leistungsbilanz-ungleichgewichte angeht und auch die Überschussländer zur Korrektur ihrer Wirtschaftspolitik verpflichtet. Defizite und Überschüsse sind kommunizierende Röhren. Deshalb fordern wir, die Beseitigung der Ungleichgewichte symmetrisch anzugehen.
- Ein Insolvenzverfahren für EU-Staaten unter Einbeziehung der privaten Gläubiger muss eingerichtet werden. Sie dürfen nicht länger geschont werden. Außerdem braucht es eine Stärkung der Risikovorsorge im Bankensystem.
- Kurzfristig ist eine Erleichterung der Kredit- Konditionen für Irland und Griechenland notwendig und gleichzeitig eine Festschreibung der Vorrangigkeit gegenüber privaten Gläubigern bei der Kreditbedienung. Es liegt im Interesse der deutschen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, dass Griechenland und Irland die von Deutschland garantierten Schulden zurückzahlen können.
- Die Einführung von Euro-Bonds zur Stabilisierung des Euro-Währungsgebiets.
- Grundsätzlich starke Beteiligung des europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente.
Ein großer Teil der Eurokrise ist hausgemacht. Durch ihre zögerliche Haltung hat die Bundesregierung einen kräftigen Anteil daran. Statt die Währungsprobleme mit einem entschlossenen Ja für mehr Europa zu beantworten, stiftet die Kanzlerin Angela Merkel mit ihrer widersprüchlichen Politik Unruhe und Unsicherheit. Dabei ist längst klar: An einer Umschuldung Griechenlands führt kein Weg vorbei.
Diese Umschuldung gibt es nicht umsonst, aber weitere Rettungspakete kosten ebenfalls Milliarden. Die Märkte brauchen ein klares Signal, wo die Reise hingeht. Die Banken brauchen Planungssicherheit, wie es mit griechischen Staatsanleihen weitergeht.
Dazu braucht es klare Entscheidungen. Wir brauchen niedrigere Zinsen für Griechenland, einen echten Marshall-Plan für die griechische Wirtschaft und eine wirksame Umschuldung. Diese muss zwei Bedingungen erfüllen: Erstens muss sie den Schuldenstand Griechenlands senken und damit den Schuldendienst erst ermöglichen. Zweitens sollte sie so gestaltet sein, dass Kreditausfallversicherungen nicht ausgelöst werden. Die Investoren müssen ein Angebot vorgelegt bekommen, das sie nicht ablehnen können. Das geht über einen Tausch oder einen Rückkauf der Altanleihen zu Marktpreisen, was die Schuldenlast reduziert. Die Europäische Zentralbank hat bereits angekündigt, dass sie Altanleihen nach einer entsprechenden Lösung nicht mehr als notenbankfähige Sicherheiten akzeptiert würde. Danach wären Banken gezwungen, das Angebot anzunehmen, obwohl es formal freiwillig ist.
Wir haben längst Anleihen, für die wir gemeinschaftlich haften. Nur die Ideologen in FDP und Union verleugnen diese Wahrheit und machen den Menschen damit etwas vor. Das ist unredlich und feige. Euro-Bonds bedeuten nicht, dass Deutschland unbegrenzt für die Schulden anderer Länder haftet. Dieses Instrument ist bei einer bestimmten Grenze der Staatsverschuldung gedeckelt. Es geht nicht um die Alternative "Sparen oder Euro-Bonds": Reformieren und sparen müssen Griechenland & Co. in jedem Fall ohnehin. Beschränkte Euro-Bonds könnten die finanziell schwachen Länder aber erst in die Lage versetzen, ihre Schulden bedienen zu können. Niemand hat etwas von einem bankrotten Griechenland. Dies gilt es zu vermitteln und gemeinsam mit den Ländern und mit Griechenland zu entwickeln, damit die Krise für unseren Kontinent überwunden werden kann.
Mit freundlichen Grüßen
Ute Koczy