Frage an Ute Berg von Verena L. bezüglich Energie
Sehen Sie Handlungsbedarf gegen die ständig steigenen Energiekosten?
Sehr geehrte Frau Lappe,
der sprunghafte Anstieg bei den Öl- und Treibstoffpreisen belastet in unvorhergesehener Art und Weise fast alle Menschen in unserem Land. Er belastet sie direkt über ihre Tankrechnung – sei es für das Auto, sei es für den Öltank – und er belastet sie indirekt durch die preistreibende Wirkung auf unsere gesamte Volkswirtschaft. In der gegenwärtig schwierigen Lage besteht die große Gefahr, dass die gerade wieder anziehende konjunkturelle Erholung einen weiteren schweren Rückschlag erleiden wird.
Allerdings ist der internationale Ölmarkt dem Zugriff der deutschen und selbst der europäischen Politik weitestgehend entzogen. Eine Regulierung findet nur indirekt über Umweltstandards und Steuern statt. Die Preisbildung liegt allein in der Hand der Marktteilnehmer, eine Preisaufsicht existiert faktisch nicht.
Der Ölpreis liegt heute um mehr als das Sechsfache über dem zur Jahreswende 1998/1999 (10/65 $/bl) und damit inflationsbereinigt erstmals über eine längere Zeit hinweg deutlich über der Marke der beiden Ölpreiskrisen der 1970er Jahre. Da die Ölförderkosten im gleichen Zeitraum kaum gestiegen sind, verbleiben die Gewinne fast ausschließlich bei den großen Ölkonzernen. Mehr als 80 Prozent des internationalen Ölgeschäfts werden von staatlichen Unternehmen beherrscht, nur gut 15 Prozent sind im eigentlichen Sinne privatwirtschaftlich organisiert.
Unser Land ist fast vollständig von Ölimporten abhängig, Wir fördern nur knapp 3 Prozent des verbrauchten Öls selbst. Rund 10 Prozent beziehen wir aus dem Nahen Osten, 15 Prozent aus Afrika, rund 30 Prozent aus Europa und etwas 35 Prozent aus Russland.
Zu den eher langfristigen Faktoren, die zu einem nachhaltigen Anstieg des Ölpreises geführt haben, gehören vor allem das anhaltend hohe Wachstum in China und Indien, weitgehend ausgereizte Förderkapazitäten, die unsichere politische und ökonomische Lage in wichtigen Förderländern sowie ein „Terror-„ bzw. Spekulationsaufschlag“, dessen Höhe nur geschätzt werden kann. Für die Bildung des Benzin- und Dieselpreises kommt hinzu, dass in den USA seit mehr als 20 Jahren keine neuen Raffinerien gebaut wurden und dieser Markt regelmäßig in Europa große Mengen nachfragt, was zu Verknappungen führt.
Aktuell spitzt sich die Lage zu durch die Folgen des Hurrikans Katrina, der den Ausfall von mehreren Hundert Förderplattformen verursacht hat. Zudem sind eine Reihe von Raffinerien für unbestimmte Zeit nicht funktionsfähig. Dies hat erhebliche und unmittelbare Auswirkung auf die Preise für Öldestillate (Benzin, Diesel, Kerosin). Daher steigen die Spritpreise auch erheblich stärker als der Rohölpreis.
Die Bundesregierung hat sich auf Bitten der USA dazu bereit erklärt, im Rahmen einer international koordinierten Aktion Teile der Ölreserve aufzulösen. Dies wird – so hoffen wir – für eine Atempause bei den Preisen sorgen. Diese Atempause muss jedoch genutzt werden, um strukturelle Maßnahmen zu ergreifen. Dies ist in erster Linie eine internationale Kontrolle der Hedge-Fonds, die mitverantwortlich sind für die spekulative Überhitzung der Preise. Dazu gehört aber auch mehr Wettbewerb auf den Energiemärkten.
Forderungen, jetzt an der Steuerschraube zu drehen, müssen dagegen sehr kritisch betrachtet werden. Wenn die Union fordert, die Mehrwertsteuer für Benzin zu senken, aber gleichzeitig ankündigt, im Falle eines Wahlsieges die Mehrwertsteuer um 2 Prozentpunkte zu erhöhen, muss die Frage gestellt werden: was gilt? Mehrwertsteuer rauf oder runter? Und wie verträgt sich das mit der Kirchhoff-Forderung nach Abschaffung der Entfernungspauschale? Damit wird das Autofahren (und Bus- und Bahnfahren) ja auch noch teurer.
Auch die Behauptung, die Ökosteuer mache das Benzin teuer, steht auf sehr wackeligen Beinen. Fakt ist: Mit der Ökologischen Steuerreform haben wir seit 1998 bis heute in fünf Schritten die Mineralölsteuer auf Benzin und Diesel um insgesamt 15,3 Cent je Liter erhöht. Im gleichen Zeitraum ist an den Tankstellen der Durchschnittspreis für Normalbenzin von 0,78 Euro auf 1,38 Euro ( + 60 Cent) und für Diesel von 0,58 Euro auf 1,18 Euro ( + 60 Cent) angestiegen. Die Ökosteuer macht demnach weniger als ein Drittel der Preissteigerungen aus. Die Einnahmen aus der Ökosteuer fließen zu rund 90 Prozent in die Rentenkassen und entlasten alle Beitragszahler um derzeit rund 16 Mrd. Euro jährlich. Wer die Ökosteuer abschaffen will, muss das Geld an anderer Stelle eintreiben.
Gleichwohl sind wir selbstverständlich nicht der Auffassung, dass sich die Politik an dieser energie-, wirtschafts- und sozialpolitisch so entscheidenden Stelle einfach zurücklehnen kann und darf. Kurzfristig prüfen wir sehr intensiv, inwieweit besonders betroffenen Gruppen eine Entlastung bzw. Hilfestellung gewährt werden kann, ohne dass wir damit falsche Signale in den Markt geben oder zusätzliche Spekulation und Gewinnmitnahmen anreizen. Dies erfordert Sorgfalt und Vorbereitung und kann nicht übers Knie gebrochen werden.
Die eigentlichen Probleme reichen allerdings tiefer und sind struktureller Natur. Die akute Zuspitzung der Öl- und Benzinpreise legt schonungslos den Finger in die Wunde unserer Wirtschaftsweise. Öl ist nach wie vor der entscheidende globale Energieträger, der Schmierstoff für die Weltwirtschaft. Seine Preis ist die Fiberkurve der Ökonomie. Oder drastischer gesagt: Alle Industrienationen hängen am Erdöl. Gegen diese völlig einseitige Selbstbindung an das Öl hilft nur eine strategisch angelegte Politik zugunsten der drei „E“: Energiesparen, Energieeffizienz, Erneuerbare Energie. Nur auf dieser Basis schaffen wir eine nachhaltige und sichere Energieversorgung. Nur mit einer nachhaltigen Energieversorgung sichern wir den Wohlstand und die soziale Gerechtigkeit für unsere Kinder und Kindeskinder. Hierfür haben wir mit unserer Politik die richtigen Weichenstellungen vorgenommen. Effizienz, Innovation und Erneuerbare sind die Zukunft. Union und FDP fahren mit ihrer Atompolitik und der Polemik gegen die Erneuerbaren Energien im Geisterzug der Vergangenheit.
Mit freundlichen Grüßen
Ute Berg schrieb: