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Frage von Corinna M. •

Frage an Ute Berg von Corinna M. bezüglich Verbraucherschutz

Sehr geehrte Frau Berg,

als interessierte Bürgerin aus Ihrem Wahlkreis und Mutter zweier Kinder, die ich gesund ernähren möchte, interessiert es mich wie Sie zu folgendem Thema stehen:

Herr Seehofer setzt sich zur Zeit aufallend stark gegen die Ampelkennzeichnung bei Lebensmitteln ein. Stattdessen wirbt er für das zahlenlastige Kennzeichnungssystem der Industrie. Dessen wichtigste Funktion: Die Nährwertangaben sind so umständlich dargestellt, dass sich die tatsächliche Menge der Inhaltsstoffe Zucker, Salz und Fett gut verschleiern lässt.

Welche Variante vertreten Sie?

Neugierige Grüße,
Corinna Möller

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Möller,

vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema Nährwertangaben bei Lebensmitteln.

Ich bin der Auffassung, dass die sog. Ampelkennzeichung eingeführt werden sollte, und ich möchte auch begründen, warum:

Übergewicht wird in Deutschland zu einem immer größeren Problem. Es kann - bis auf wenige Ausnahmen - vor allem durch gesunde Ernährung und Bewegung bekämpft werden. Eine ausgewogene Ernährung können sich die Verbraucherinnen und Verbraucher aber nur zusammen stellen, wenn ihnen auch der Nährwert der Produkte bekannt ist. Viele Lebensmittel sind heute so stark verarbeitet oder aus so vielen Komponenten zusammengesetzt, dass Verbraucher den Nährwert nicht ohne Weiteres richtig einschätzen können. Kaloriengehalt, Fett, gesättigte Fettsäuren, Zucker, Salz und Ballaststoffe sollen deshalb auf dem Produkt angegeben werden.

Die Angabe nützt den Verbraucherinnen und Verbrauchern, wenn sie gut erkennbar und leicht verständlich auf der Vorderseite der Verpackung ist und Vergleichbarkeit herstellt. Nur wenn alle Produkte verpflichtend gekennzeichnet sind - auf dieselbe Weise mit denselben Bezugsgrößen - ist auf einen Blick zu erkennen, welche Pizza die fettärmere, welches Müsli das weniger gezuckerte und welche Chips die salzärmeren sind. Die Nährwertkennzeichnung muss auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen und sich auf 100ml/100g beziehen, denn portionsbezogene Angaben sind häufig irreführend.

All dies gewährleistet aus meiner Sicht die sog. Ampelkennzeichnung.

Die Ampel (engl. multicolour trafficlight labelling = Ampelkennzeichnung) ist von der britischen Lebensmittelbehörde (Food Standard Agency, FSA) auf freiwilliger Basis eingeführt worden. Hier werden Fett, gesättigte Fettsäuren, Zucker und Salz gekennzeichnet. Die FSA legt nach wissenschaftlichen Kriterien fest, wann ein Lebensmittel einen hohen, mittleren oder niedrigen Gehalt der angegebenen Stoffe hat. Mit den Ampelfarben wird signalisiert, ob ein Lebensmittel häufig (grün), nicht so häufig (gelb) oder besser nur selten (rot) gegessen werden sollte. Es wird der prozentuale Anteil des Nährstoffs an 100g dieses Lebensmittels angegeben. Die Ampel unterscheidet also nicht zwischen „guten und schlechten“ oder „gesunden und ungesunden“ Lebensmitteln, sondern spricht Empfehlungen für die Verzehrmengen aus.

Die Ampelkennzeichnung wurde in Großbritannien mit einer Informationskampagne eingeführt, die die Verbraucher über die Bedeutung der Ampel aufgeklärt und darauf hingewiesen hat, wie eine ausgewogene Ernährung aussieht und dass diese nicht mit dem Verzehr allein „grüner“ Lebensmittel erreicht werden kann.

Die Begleitforschung zeigt, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher die Ampelkennzeichnung richtig verstehen und oft für die gesündere Wahl nutzen. Das gilt auch für Kinder. Da es zu Umsatzverlagerungen z.B. von besonders fetten = roten Pizzen zu weniger fetten = gelben oder grünen Pizzen kam, haben einige Hersteller die Rezeptur ihrer Produkte geändert, so dass sie mehr gelbe und grüne Kennzeichen bekommen. Das nützt sogar den Konsumenten, die auf keine Kennzeichnung achten.

Die Lebensmittelindustrie favorisiert eine freiwillige Kennzeichnung, die sog. „empfohlene Tageszufuhr“ (engl. guided daily amount = GDA), die sie selbst auf europäischer Ebene entwickelt hat und z. T. auch schon anwendet (z.B. Coca Cola, Danone). Die Nährwertangaben werden in Tabellenform i.d.R. auf der Packungsrückseite gemacht. Angegeben wird der Prozentsatz z.B. an Fett der empfohlenen Tageszufuhr, der in einer Portion enthalten ist.

Dabei gibt es mehrere Probleme: Der Bezug sind immer 2000 kcal Tageszufuhr. Das ist aber nur für eine Frau bis 25 ohne Erkrankungen richtig. Für Kinder und ältere Menschen zu viel, für viele Männer zu wenig. Jede und jeder müsste also selbst wissen, welchen Nährwertbedarf er hat und umrechnen. Die Portionsgrößen sind von der Industrie festgelegt und haben mit der Realität nichts zu tun. 1 Portion Cola ist nicht etwa die ganze 0,5l-Flasche, sondern ein Glas zu 250 ml. 1 Portion Pizza ist die Hälfte einer Tiefkühlpizza. Wer das nicht sieht, isst oder trinkt doppelt so viele Kalorien wie gedacht. Die empfohlenen Mengen sind nicht wissenschaftlich fundiert, sondern Empfehlungen der Industrie, die sich z.B. beim Zucker ganz erheblich von der Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) unterscheiden. Die DGE hat deshalb die GDA in einem wissenschaftlichen Gutachten abgelehnt.

Keine Nährwertkennzeichnung für sich genommen führt zu ausgewogener Ernährung in der breiten Bevölkerung. Übergewicht kann nachhaltig nur bekämpft werden mit Ernährungsbildung, Ernährungsaufklärung und der Förderung von Bewegung in der KiTa, der Schule und im sonstigen Alltag. Diese Politikfelder sind Ländersache. Da können wir auf Bundesebene nur appellieren, allenfalls Modellprojekte fördern. Die Nährwertkennzeichnung liegt aber in der Zuständigkeit des Bundes. Mit der Ampelkennzeichnung würden wir die Transparenz schaffen, die die Verbraucherinnen und Verbraucher bei einer ausgewogenen Ernährung unterstützt. Wir sollten die Chance nutzen, etwas zu tun, was den Menschen den Alltag erleichtert.

Auch die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), Foodwatch und der AOK-Bundesverband sind für die Ampel.

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat z.Z. große Vorbehalte gegen die Ampelkennzeichnung. Allerdings scheint ein Umdenken nicht ausgeschlossen zu sein. Bundesminister Seehofer ist inzwischen für eine verpflichtende Nährwertkennzeichnung, nachdem ein entsprechender Verordnungsvorschlag der EU-Kommission vorliegt. Die kürzlich von Bundesminister Seehofer in die Debatte eingebrachten Vorschläge, die GDA-Kennzeichnung farblich zu unterlegen und einen Leitfaden zur Anwendung der GDA- Kennzeichnung anzubieten, greifen aber zu kurz.

Ich hoffe, dass sich in der CDU/ CSU die Einsicht durchsetzt, dass die Ampelkennzeichnung die bessere Alternative ist und wir sie gemeinsam durchsetzen können.

Mit freundlichen Grüßen

Ute Berg