Frage an Ute Berg von Kurt R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Berg,
aus dieser Seite entnehme ich, dass auch Sie dem AGG zugestimmt haben. Leider enthält das AGG viele handwerkliche Fehler. Ich möchte nur einen herausgreifen. Bisher konnte ich Bewerbern und Bewerberinnen (Ausbildung) auch im Falle einer begründeten Ablehnung Hinweise zur Verbesserung Ihres zukünftigen Bewerbungsverhaltens geben. Dies ist von den meisten Bewerbern und Bewerberinnen sehr positiv aufgenommen worden. Mit der Verabschiedung des AGG gebe ich diese Hinweise (zum Nachteil der Betroffenen) nicht mehr. Das Risiko dadurch in eine Klagesituation zu kommen (obwohl keiner der berechtigten AGG-Gründe eine Rolle bei der Absage spielt), ist zu groß, das Mißbrauchsrisiko durch abgelehnte Bewerber und Bewerberinnen rechtfertigt den Abwägungsaufwand nicht. Schade, wieder mal ein Gesetz, dass an mancher Stelle mehr schadet als nutzt. Überregulierung durch den Statt hat eben auch Nachteile. Was ist Ihre Meinung?
Gruß
Kurt Reichert
Sehr geehrter Herr Reichert,
am 29. Juni 2006 haben wir das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) mit großer Mehrheit im Deutschen Bundestag verabschiedet. Damit sind wir den Verpflichtungen Deutschlands nachgekommen, vier EU-Richtlinien zum Schutz vor Diskriminierung in nationales Recht umzusetzen.
Es geht bei diesem Gesetz nicht darum, Toleranz im alltäglichen Miteinander staatlich zu verordnen. Ziel des AGG ist es, Benachteiligungen wegen der Merkmale Ethnie, Religion und Weltanschauung, Alter, Geschlecht, Behinderung und sexuelle Identität im Arbeitsrecht und in Teilen des Zivilrechts zu unterbinden. Wer Diskriminierung in einem dieser Bereiche erfährt, hat durch das AGG Rechtsschutz durch eigene Rechtsansprüche und kann sich gegen die Diskriminierung wehren.
Eine Klagewelle gegen Unternehmer wegen Unterstellungen von Diskriminierungstatbeständen durch abgewiesene Bewerber ist nicht zu erwarten. Wie Sie selbst schreiben, haben Sie in den bisherigen Einstellungsgesprächen vor allem positive Erfahrungen gemacht. Bitte bedenken Sie auch, dass potentielle Kläger zunächst Indizien vorbringen müssen, die nahe legen, dass sie aus einem im AGG aufgeführten Grund diskriminiert wurden. Erst wenn diese Indizien eine Diskriminierung glaubhaft machen, müssen Sie als Arbeitgeber beweisen, dass eine solche nicht vorlag. Mit der bloßen Behauptung, sie seien diskriminiert worden, werden auch künftig abgewiesene Bewerber nicht durchkommen.
Die bisherigen Erfahrungen – gerade im Arbeitsrecht – zeigen auch, dass wir uns hier auf die Gerichte verlassen können, die sehr wohl mit missbräuchlichen Klagen umzugehen wissen und diesen in vielen Fällen schon einen Riegel vorgeschoben haben.
Natürlich wird es einige Zeit dauern, ehe sich die Beteiligten auf die unterschiedlichen Situationen, in denen das AGG zur Anwendung kommt, einstellen. Das bringt die Komplexität der Materie mit sich. In der Gesetzesbegründung finden sich aber konkrete Beispiele, die die Handhabbarkeit des Gesetzes erleichtern und die gesetzgeberische Zielsetzung verdeutlichen. Diese Hinweise erleichtern es, Einzelfallentscheidungen zu treffen und maßvolle Standards zu entwickeln.
Ich hoffe, dass ich Ihre Bedenken ein wenig zerstreuen konnte und wünsche Ihnen und Ihren Mitarbeitern alles Gute und viel Erfolg.
Mit freundlichen Grüßen,
Ute Berg