Frage an Ute Berg von Kerstin L. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Berg,
sie werden in Abgeordnetenwatch als wirtschaftspolitische Sprecherin geführt, daher wende ich mich mit meiner Anfrage an sie.
Ich verstehe nicht, wo all die Milliarden herkommen, die gerade nach dem Gießkannenprinzip an due Bankrottfirmen ausgeschüttet werden.
Es existiert im Zusammenhang mit der Pendlerpauschale eine Aussage von Herrn Steinbrück aus 10/07, wonach er keine weiteren Haushaltslöcher akzeptieren würde und entsprechend dann die 2 Mrd. woanders kürzen würde.
Zwei Milliarden. Gegenüber wieviel Hundert Mrd. jetzt bei HRE? Gegenüber weitere mindestens 1,5 Mrd. bei Opel? Was ist mit den Hartz-IV-Empfängern, die seit Jahren immer schlechter wird und die permanent in die Ecke Sozialschmarotzer gedrängt werden?
Was ist mit den Rentnern, von denen nicht wenige furchtbare Existenzängste haben? Was mit Arbeitnehmern, die inzwischen von ihrem Lohn kaum noch die Miete bezahlen können? Wir alle müssen zusehen, wie die Gelder, die beim Volk besser aufgehoben wären (denn es sind Steuergelder, für die wir gearbeitet haben), mit der Schaufel in die Verbrennungsöfen der Bankrotteure geschoben werden.
Wie rechtfertigen sie diese gigantische Steuerverschwendung?
Und das angesichts der Tatsache, dass weder unser Finanzsystem noch die Bankrottfirmen davon gerettet werden können (siehe auch Holzmann und Herr Schröder).
Das ganze macht nur noch unglaublich wütend und wirkt wie ein einziges gigantisches Geldgeraffel.
Mit freundlichen Grüssen
Kerstin Ludwig
Sehr geehrte Frau Ludwig,
ich kann gut verstehen, dass Sie sich in Anbetracht der großen Summen, von denen im Zusammenhang mit der Krisenbewältigung die Rede ist, fragen: Wer soll das bezahlen? Warum ist plötzlich so viel Geld da, wo es doch vor zwei Jahren hieß, es sei nichts mehr im Topf?
Die gegenwärtige Krise ist eine Ausnahmesituation, die eine Ausnahme-Reaktion erfordert.
Als im September 2008 die HRE ins Wanken geriet, hatten wir die Wahl: Lassen wir eine systemisch wichtige Bank pleite gehen – mit unabsehbaren Folgen für den deutschen Finanzmarkt, für Anleger (darunter auch Kommunen, Versorgungswerke, Berufsgenossenschaften), für Unternehmen, für Arbeitnehmer? Oder retten wir die Bank, den Kreditfluss und schützen damit auch Unternehmen und Arbeitsplätze?
Die Bundesregierung hat sich für Letzteres entschieden – aus gutem Grund.
Ich widerspreche Ihnen ganz entschieden, wenn Sie diese Maßnahmen als „Steuerverschwendung“ und „Geldgeraffel“ bezeichnen.
Erstens wird kein Geld verschenkt. Wenn der Staat Bürgschaften vergibt, fließt erst einmal überhaupt kein Geld, sondern er stellt sich als Bürge hinter die betroffene Bank. Bürgschaften werden übrigens verzinst, genauso wie Kredite, die natürlich zurückgezahlt werden müssen. Wenn der Staat den Banken Eigenkapital gibt, bekommt er dafür Aktienanteile. Die Banken müssen dafür klar definierte Auflagen erfüllen – sie müssen z.B. Managergehälter begrenzen, dürfen keine Boni und Abfindungen auszahlen etc.
Das gilt in ganz ähnlicher Weise für Staatshilfen für Unternehmen.
Zweitens werden keine „Bankrottfirmen“ subventioniert. Die Unternehmen, die eine Unterstützung erhalten, müssen eine Reihe von strengen Kriterien erfüllen. Sie müssen ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell vorweisen und unverschuldet in Bedrängnis geraten sein (z.B., weil sie durch die Finanzmarktkrise plötzlich keine Kredite mehr bekommen und die notwendigen Investitionen/Einkäufe nicht mehr finanzieren können). Staatshilfen sind nicht dazu da, Managementfehler auszugleichen.
Drittens: Sie sprechen die Arbeitnehmer an und diejenigen, die ihren Job verloren haben. Genau das ist für mich ein ganz wesentlicher Aspekt bei der Unterstützung von Unternehmen: der Erhalt der Arbeitsplätze. An jedem Arbeitsplatz hängt ein persönliches Schicksal! Und abgesehen davon ist es teuer, Massenarbeitslosigkeit zu finanzieren. Das habe ich in meinem Brief an Herrn Krannich in diesem Forum bereits detailliert dargelegt.
Viertens: Fakt ist, dass wir für die Maßnahmen zur Konjunkturbelebung, z.B. für die Umweltprämie oder das kommunale Investitionsprogramm, viel Geld in die Hand nehmen.
Damit fördern wir massiv Investitionen im Bildungsbereich (z.B. Kindergärten, Schulinfrastruktur, Hochschulen und Forschung) und modernisieren die Infrastruktur (z. B. Krankenhäuser, Städtebau, ländliche Infrastruktur und Lärmsanierung). Das verschafft einerseits den Unternehmen Aufträge, die dadurch ihre Arbeitsplätze erhalten können. Und andererseits verbessern wir die Infrastruktur, die allen in unserem Land zugute kommt.
Wie gesagt – es handelt sich bei all dem um außergewöhnliche Maßnahmen, die wir unter normalen Umständen so geballt nicht ergreifen würden. Aber wir müssen im Moment die Folgen der weltweit schwersten Wirtschaftskrise seit 1929 abdämpfen.
Dabei haben wir natürlich immer im Blick, dass die Staatsverschuldung nicht über das absolut notwendige Maß hinauswachsen darf. Deshalb haben wir bereits Modalitäten entwickelt, wie und wann wir die Verschuldung zurückführen. Das sind wir nicht nur den heutigen Steuerzahlern schuldig, sondern auch den kommenden Generationen.
Mit freundlichen Grüßen
Ute Berg