Kann es sein, dass deshalb oft mehr investiert wird als nötig? Dass statt dem Erhalt bestehender, denkmalwürdiger Materialien, Teueres, Neueres eingebaut wird? Weshalb wird auf einem barrierarmen Gehweg die Belastungsklasse 1,8 eingebaut?
Sehr geehrte Frau Sowa,
Jährlich werden in Deutschland knapp eine Milliarde an Steuergelder in den Städtebau investiert.
Es werden den Kommunen bis zu 80 Prozent an Fördergelder davon in Aussicht gestellt. Den Planern, korrigieren Sie mich bitte, wenn ich falsch liege, 18 Prozent der förderfähigen Baunettokosten zugesprochen.
Kann es sein, dass deshalb oft mehr investiert wird als nötig? Dass statt dem Erhalt bestehender, denkmalwürdiger Materialien, Teueres, Neueres eingebaut wird? Weshalb wird auf einem barrierarmen Gehweg die Belastungsklasse 1,8 eingebaut? Das bedeutet ausgelegt für 65 Reisebusbefahrungen pro Tag für 30 Jahre! Hier bei ins gibt es nicht einmal eine Bushaltestelle am Stadtplatz. Ist das nicht übertrieben? Hätte man hier nicht Einsparungsmöglichtkeiten nutzen können? Werden im Städtebau der Denkmalschutz und das Sparsamkeitsprinzip überprüft, oder steht die Planungshoheit der jeweiligen Stadt und die monetären Interessen der Planer über diesen?
Liebe Frau G.,
vielen Dank für Ihre Fragen. Das Thema, das Sie ansprechen, ist sehr wichtig.
Die Städtebauförderung des Bundes und der Länder unterstützt Investitionen in die Infrastruktur der Städte und Gemeinden. Sie ist darauf ausgerichtet, städtebauliche Missstände und Funktionsverluste in Kommunen abzubauen. Es müssen verschiedene Fördervoraussetzungen beachtet werden: Integrierte städtebauliche Entwicklungskonzepte (ISEK) stellen die Ziele und Maßnahmen im Fördergebiet dar und sind unter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger zu erstellen. Neue Fördervoraussetzung in der Städtebauförderung ist seit 2020 zudem die angemessene Berücksichtigung von Maßnahmen des Klimaschutzes bzw. zur Anpassung an den Klimawandel.
Städtebauförderung ist also eine gemeinsame Aufgabe von Bund, Ländern und Kommunen. Jede föderale Ebene beobachtet die Umsetzung der Programme und die städtebaulichen Gesamtmaßnahmen nach eigenen Erfordernissen. Monitoring ermöglicht programmspezifische wie auch programmübergreifende Aussagen darüber, wo was mit welchem Aufwand wann warum gemacht wird.
Wir Grüne sehen die Städtebauförderung als ein sehr sinnvolles Instrument. Wir sehen es aber auch als erforderlich an, dass der Einsatz der Fördermittel bei den jeweiligen Maßnahmen im Hinblick auf ihre Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit geprüft wird. Daher haben wir im September 2021 einen Antrag in den Bayerischen Landtag eingebracht und die Staatsregierung aufgefordert, dem Landtag zu berichten, inwiefern die Programme der Städtebauförderung im Freistaat in den letzten fünf Jahren einem Monitoring auf Landesebene unterzogen wurden, wie dieses konzipiert ist und welche Erkenntnisse man daraus bislang erlangen konnte. Zudem sollte dargelegt werden, inwiefern der Einsatz der Städtebauförderungsmittel bei den jeweiligen Maßnahmen im Hinblick auf ihre Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit geprüft wird, in welchem Umfang Kriterien der Nachhaltigkeit dabei eine Rolle spielen und in welchem Maß die Städtebauförderungsmittel dem Denkmalschutz zugutekommen. Leider haben die Regierungsfraktionen unseren Antrag abgelehnt.
Ob die Belastungsklasse 1,8 für das von Ihnen geschilderte Beispiel übertrieben ist, ist eine Frage, die von Expert*innen beurteilt werden muss. In Deutschland werden im Straßenbau die Straßen gemäß Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaus von Verkehrsflächen (RStO 12) in sieben Belastungsklassen eingeteilt. Ausschlaggebend für die Einteilung ist die dimensionierungsrelevante Beanspruchung. BK 1,8 ist für Hauptgeschäftsstraßen, örtliche Geschäftsstraßen, aber auch für dörfliche Hauptstraßen und Quartiersstraßen Standard.
Herzliche Grüße
Ursula Sowa