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Ursula Sowa
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Frage von Andreas G. •

Frage an Ursula Sowa von Andreas G. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Sowa,

ein Bundestag sollte, meiner Meinung nach, mit Personen besetzt sein, die möglichst intelligent, weise und durchsetzungsstark sind.
Das bedeutet für mich, der/die Bessere möge den Platz im Bundestag gewinnen.
Überraschend entdeckte ich auf der Internetseite Ihrer Partei ein dem anscheinend entgegenwirkendes, sogenanntes Frauenstatut ( http://www.gruene-partei.de/cms/archiv/dok/15/15128.das_frauenstatut_von_buendnis_90die_grue.htm ), in dem geschlechtsspezifische Privilegien aufgeführt sind:

"§ 1 MINDESTQUOTIERUNG
Wahllisten sind grundsätzlich alternierend mit Frauen und Männern zu besetzen, wobei den Frauen die ungeraden Plätze zur Verfügung stehen (Mindestparität).
Frauen können auch auf den geraden Plätzen kandidieren.
Reine Frauenlisten sind möglich."
(D. h.: Zwei weibliche Vorstandssprecher sind z. B. möglich, zwei männliche Vorstandssprecher nicht.)"

§ 4: Dieser macht es 6 Frauen (Mehrheit von 10 Frauen) möglich, der kompletten Versammlung die weitere Debatte über ein Thema zu verbieten.
Während ich weitere Paragraphen durchlas, standen mir die Haare zu Berge.
Mein Fazit: In Ihrer Partei ist es in mehreren Punkten weniger wichtig, wie gut der Standpunkt einer Person ist, als welchem Geschlecht diese zugehört.
Wie ist eine Partei mit solchen seltsamen Regeln wählbar?

Mir liegen Zahlen Ihrer Partei vor (2003), die Frauen überrepräsentiert in Führungspositionen erscheinen lassen:
Parteimitglieder ca. 35%, Bundestagsabgeordnete/Vorstand ca. 60%
Frauenstatut sei Dank?
Und das, obwohl sich Ihre Partei für Gleichberechtigung einsetzt?

Die Parteiregeln ermöglichen es einer Frau gegenüber einem möglicherweise intelligenteren, weiseren und durchsetzungsstärkeren Mann einen Platz zum Beispiel als Direktkandidat zu bekommen und das nur auf Grund des Geschlechts.

In Ihrem speziellen Fall ist das bestimmt nicht zutreffend.
Wie kann ich mir als Wähler da aber sicher sein?

Mit freundlichen Grüßen
Andreas Göbel

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Sehr geehrter Herr Göbel,

gerne beantworte ich Ihre Fragen bezüglich unserer Quotierungsregelung: Diese wirkt dem Prinzip "Der/die Bessere möge gewinnen" ganz bestimmt nicht entgegen. Sie verstärkt es nur, weil sie eine gesellschaftlich nach wie vor bestehende Kluft bei der Machtverteilung zwischen Männern und Frauen schließt. Auch heute noch finden Sie an den Schaltstellen der Macht in Deutschland kaum Frauen. Einige Beispiele: Nicht einmal 10 Prozent der Spitzenpositionen der deutschen Wirtschaft sind durch Frauen besetzt. Gerade 14 Prozent aller Professorinnen und Professoren in Deutschland sind weiblich. Der Bundestag besteht zu gerade 32 Prozent aus Frauen, diese repräsentieren mehr als die Hälfte der Bevölkerung. Das hat aber nichts mit ihrem Intellekt zu tun. Diese Situation ist aus einer Rollenverteilung entstanden, an die wir uns vor allem in den letzten beiden Jahrhunderten gewöhnt haben, die aber absolut nicht selbstverständlich ist. Diese Rollen aufzubrechen, ist ein langwieriger gesellschaftlicher Prozess. Viele Frauen müssen erst lernen, sich freiwillig in die erste Reihe zu begeben.

Zu § 1 Mindestquotierung: Die Quote haben wir heute in vielen Bereichen, beispielsweise bei der Stellenbesetzung im öffentlichen Dienst. Dort liegt ihr stets das - von ihren Kritikern meist unterschlagene - Prinzip "unter der Voraussetzung gleicher Qualifikation" zugrunde. Nur unter dieser Bedingung dürfen Frauen bevorzugt werden. Studien beweisen, dass Frauen meist sogar besser sein müssen als ihr Konkurrent, um als gleich qualifiziert wahr genommen zu werden.. Bei der Besetzung politischer Ämter ist die Frage der Qualifikation natürlich schwerer messbar als im Berufsleben. Die Quote ist hier aber dennoch besonders wichtig. Wir wollen, dass Männer und Frauen in unserer Partei gleichermaßen repräsentiert sind, damit ihre unterschiedlichen Bedürfnisse und Wünsche gleichmäßig in unsere Politik eingehen. Und: gerade im Bereich der Politk sind die klassischen Geschlechterrollen stark ausgeprägt. Männer zeigen ein sehr aktives, Frauen ein eher zurückhaltendes Verhalten, wenn es um die Vergabe politischer Posten geht. Das wollen wir mit der Quote ändern und wie Sie selbst erkennen, zeigt dieses Instrument auch bereits Erfolge. Mehr als die Hälfte des Vorstands und der Abgeordneten im Bundestag sind Frauen. Wenn Sie nun fragen, ob damit nicht intelligenteren, weiseren, durchsetzungsstärkeren Männern der Platz weggenommen wird, möchte ich Sie zum Nachdenken darüber anregen, wieviele intelligentere, weisere und durchsetzungsstärkere Frauen wohl in unserer Mitte leben, denen ein Heer an oftmals nur durchschnittlichen Männern die Plätze in den Spitzenpositionen von Wirtschaft und Politik wegnimmt.

Mit freundlichen Grüßen

gez. Ursula Sowa MdB

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