Frage an Ursula Groden-Kranich von Kai K. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Groden-Kranich,
vielen Dank für das Beantworten meiner Fragen. Leider habe ich mich anscheinend etwas unklar ausgedrückt, da mir einige Antworten etwas an der Frage vorbei gingen. Daher präzisiere ich etwas:
Das Ihre "Entscheidungsfreiheit lt GG" gesichert ist, ist mir klar. Stimmen Sie zu, dass es so etwas wie Fraktionsdisziplin gibt? Und es abgesehen von Themen wie Sterbehilfe u.s.w. innerhalb der Fraktion erwartet wird seine Stimme entsprechend abzugeben?
Beziehen Sie sich auf bestimmte Forschungsergebnisse oder ist Ihre Meinung zu der fehlenden "Wertneutralität" auf alles was dieses Thema betrifft bezogen?
Zum Beispiel war gerade in der Presse zu lesen das, dass FBI mit Hilfe der Datenspeicherung die der "Patriot Act" gestattet, keinen einzigen Durchbruch hatte.
http://www.heise.de/newsticker/meldung/Patriot-Act-verhilft-FBI-zu-keinem-einzigen-Durchbruch-2662395.html
Wie bewerten Sie diese Ergebnisse aus der Praxis?
Sie erwähnten noch den Schutz Ihrer Kinder. Das ist sicherlich etwas, dass jeder verstehen kann. Meiner Meinung nach, wird das Sicherheitsniveau nicht dadurch steigen, da die schlimmen Menschen vermutlich völlig auf elektronische Kommunikationsmethoden verzichten. Oder würden Sie dem widersprechen?
Laut Artikel 10 des GG ist das Brief und Fernmeldegeheimnis unverletzlich. Es darf laut Abschnitt 2 nur beschnitten werden wenn die freiheitliche Grundordnung in Gefahr ist bzw. zu dessen Schutz. Ist für Sie die freiheitliche Grundordnung in Gefahr ohne die VDS?
Vielen Dank im Voraus
Gruss
Kai Kraft
PS: Sorry, wenn ich da etwas nachbohre aber für mich ist das ein sehr wichtiges Thema und ich finde das wir nicht aus Angst vor irgendwelchen irren Terroristen auf die Freiheiten verzichten sollten, die diese Menschen so vorachten.
Sehr geehrter Herr Kraft,
vielen Dank für Ihre Fragen.
Meiner Einschätzung nach zeichnet es eine gute Fraktionsgeschäftsführung aus, dass Sie um Mehrheiten wirbt, für die Mehrheitsmeinung der Fraktion kämpft und entsprechend das Gespräch sucht. Vor diesem Hintergrund sollte man sich auch vergegenwärtigen, dass sich Abgeordnete eben aufgrund eines weitestgehend einheitlichen Werte- und Überzeugungskanons zu einer Fraktion mit gleichgerichteten Interessen zusammenschließen. Insofern ist ein übereinstimmendes Abstimmungsverhalten naturgemäß eher die Regel als die Ausnahme – und meiner Ansicht nach für ein funktionierendes politisches System unerlässlich.
Losgelöst von der Frage, ob der US Patriot Act und der vom Bundesminister der Justiz vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten vergleichbar sind – das würde ich pauschal so nicht sehen – rege ich dazu an, Forschungsergebnisse und Studien grundsätzlich kritisch zu hinterfragen. Wie bereits in meiner ersten Antwort ausgeführt, kommt es auf die Abwägung aller vorgebrachten Argumente an.
In Ihrer Nachricht thematisieren Sie das Internetnutzungsverhalten von Kriminellen. Diese Frage ist meiner Ansicht nach unerheblich, da es mir bei der Vorratsdatenspeicherung (VDS) auf die Möglichkeit der Strafverfolgung ankommt. Zudem möchte ich nochmals darauf hinweisen, dass staatliche Stellen keine Verkehrsdaten abgreifen oder speichern. Diese verbleiben ohne jegliche besondere Aufbereitung und dezentral bei den Providern, bei denen sie entstehen.
Richtig ist, dass in der angeordneten Speicherung und im Einzelfall erfolgenden Kenntnisnahme von Kommunikationsdaten ein Grundrechtseingriff liegt, der klare Regeln zu Datensicherheit, Umfang der Datenverwendung, Löschung, Transparenz und Rechtsschutz erfordert und der sorgsam gegenüber den Zwecken der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr abgewogen werden muss. Ein diffuses Gefühl von Bedrohung und Überwachung wäre freiheitswidrig und darf nicht entstehen; das ist auch für mich als potentiell betroffener Bürger wichtig. Die Sorgen in Bezug auf den Schutz der eigenen Verbindungsdaten beruhen allerdings nicht selten auf einer unzureichenden Information über das, was im Rahmen der VDS geregelt werden soll. Deshalb zunächst nochmals einige Fakten:
• VDS umfasst in keinem Fall die Speicherung von Inhalten; niemand lauscht, liest mit oder hält den Inhalt von Mails, SMS oder Telefonaten fest.
• Es geht bei der VDS um die vorläufige Sicherung von Verbindungsdaten einschließlich Funkzellenangaben. Letztere sollen nach den vereinbarten Leitlinien nur zu Beginn einer Kommunikation, nicht etwa fortlaufend gesichert werden. Außerdem sollen nach den Leitlinien IP-Adressen zum Datenkranz gehören, die allerdings nur punktuell abgefragt werden sollen, etwa wenn aufgrund von Vorermittlungen bekannt ist, dass sie zum verbotenen Abruf von Daten (z.B. kinderpornografischer Inhalte) genutzt worden sind. Es ist vorgesehen, dass die Verbindungsdaten von E-Mails vollständig ausgenommen werden.
• Die Speicherfrist soll 10 Wochen betragen, Funkzellenangaben sollen bereits nach vier Wochen gelöscht werden. Verbindungsdaten von Berufsgeheimnisträgern werden von dem Abruf ausgenommen.
• Die Übermittlung und Verwendung der Daten durch staatliche Behörden setzt den Verdacht einer schweren Straftat wie etwa Mord, Totschlag, Kinderpornografie, besonders schwere Fälle des Landfriedensbruchs oder terroristische Taten voraus. Ohne einen solchen Anlass - d.h. in aller Regel – werden die Daten nach der festgesetzten Frist ohne weitere Nutzung schlicht bei den Providern gelöscht; keine staatliche Stelle bekommt sie dann jemals zu sehen.
• Damit unterscheidet sich die VDS entscheidend gegenüber Datensammlungen etwa von Google, Facebook, Payback etc., die die Daten in ihrer Gesamtheit gerade zu dem Zweck erheben, diese umfassend z.B. zu Werbezwecken auszuwerten und möglichst viel über möglichst viele Nutzer zu erfahren.
• Eine Übermittlung von Verbindungsdaten an staatliche Behörden setzt im Einzelfall eine richterliche Entscheidung voraus.
• Weitere Regeln werden die Transparenz gegenüber dem Betroffenen und die Datensicherheit betreffen; insbesondere soll die Datenspeicherung in Deutschland und die Löschung nach Ablauf der festgelegten Frist geregelt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Ursula Groden-Kranich MdB