Frage an Ursula Eid von Uwe M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo Frau Eid
aus formalen Gründen wurde die folgende Frage von dem CDU-MdB nicht beantwortet - vielleicht kommen Sie eher damit zurecht.
Sie haben es sich bestimmt nicht leicht gemacht mit der Zustimmung zur Verlängerung des Afghanistaneinsatzes. Gehen wir mal davon aus, dass das Engagement für rechtsstaatliche Verhältnisse in dieser Region grundsätzlich notwendig ist. So muß man doch sehr große Zweifel an den Mitteln haben, die den Soldaten dort zur Verfügung stehen. Was ist das für ein Kampf, wenn Soldaten in der Umgebung von Kindern und Radfahrern um ihr Leben fürchten müssen - sind sie dafür "gerüstet"?
Dashalb meine Frage: Welche Überlegungen fördern Sie oder stellen Sie selbst an, was an den Mitteln des Einsatzes zu ändern ist, damit er dem eigentlichen Ziel dient - dem wir unzweifelhaft verpflichtet sind.
Kann es sein, dass die NATO hier völlig falsch aufgestellt ist, was ihre Mittel angeht. Können im Verhältnis sehr wenige Soldaten, deren Unversehrtheit in unserer Zivilisation ein sehr hohes Ziel ist, mit den hochtechnischen Ausrüstungen in einem eher mittelalterlich anmutenden Partisanenumfeld überhaupt im Kampf etwas erreichen. Da doch bei jedem "Schlag" egal von welcher Seite immer auch die Zivilbevölkerung, und die "Fairnis" und damit die Moral auf jeden Fall verliert?
Ich würde gerne wissen, ob Sie das nachdenklich macht und an der Form des Einsatzes etwas geändert werden muß und eventuell auch in der Kooperation mit anderen größeren Natopartnern.
Sehr geehrter Herr Mannke,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die mich über abgeordnetenwatch.de erreicht hat.
Zunächst möchte ich Ihnen die Beweggründe für meine Zustimmung zur Verlängerung und Aufstockung des ISAF-Mandats für die Bundeswehr darlegen:
1. Die rot-grüne Bundesregierung hat durch den von ihr 2001 in Gang gesetzten Petersbergprozess den Afghaninnen und Afghanen gezeigt, dass Deutschland bereit ist, Afghanistan in einem schwierigen Wiederaufbau- und Demokratisierungsprozess zu helfen. Es war klar, dass dieser Wiederaufbau nicht ohne militärischen Schutz vonstattengeht. Dieses Vorhaben wurde auch unter großer Zustimmung von Bündnis 90/Die Grünen auf den Weg gebracht. Wenn es heute schwierig wird und es große Probleme durch die aggressive Gegnerbekämpfung im Rahmen von OEF gibt, die rücksichtslos auch viele Tote unter der Zivilbevölkerung in Kauf nimmt, dann darf dies trotz alledem nicht dazu führen, dass wir Afghanistan den Rücken kehren und es wieder den Taliban überlassen. Ein Nein bei der Abstimmung würde genau dieses Signal aussenden.
2. Der Wiederaufbau wird nur dann weitergehen, wenn er militärisch gestützt wird. Die afghanische Bevölkerung, die dabei ist, ein aufgeklärtes demokratisches Staatswesen aufzubauen, in dem Gleichberechtigung herrscht, Mädchen zur Schule gehen und Frauen öffentliche Ämter innehaben und aus der Abhängigkeit von Patriarchen befreit werden sollen, muss dies ohne Furcht um Leib und Leben tun können. Und dazu bedarf es für eine gewisse Zeit des Schutzes von ISAF.
3. Trotz der großen Schwäche der afghanischen Regierung, die z.B. weder ernsthaft die Korruption noch den Drogenhandel bekämpft, trotz der großen Versäumnisse der Bundesregierung und einer mangelhaften Kooperation beim Wiederaufbau, trotz der zögerlichen Umsetzung eines dringend erforderlichen Strategiewechsels - welcher z.B. beinhalten sollte: besseren Schutz der Bevölkerung statt aggressive Gegnerbekämpfung; Intensivierung der Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte; Stärkung der Zivilgesellschaft; Förderung regionaler Friedensinitiativen - stimme ich mit Ja, um den Taliban keine falschen Signale der Ermutigung zu geben.
4. Mein Ja ist auch der Tatsache geschuldet, dass in Afghanistan selbst Menschenrechtsorganisationen, Frauenorganisationen, befreundete Politiker und Politikerinnen und Aufbauhelfer sich dringend gegen jede Form der Reduzierung der Truppen aussprechen. Angesichts der anstehenden Wahlen in Afghanistan ist - im Gegenteil - eine Erhöhung der internationalen Präsenz notwendig. Das Ja ist ein Zeichen an die Menschen in Afghanistan, die uns vertrauen und auf unsere Unterstützung hoffen: „Wir lassen Euch nicht im Stich!“
Mit der Frage nach den richtigen "Mitteln" des Militärs und ob es damit angemessen "gerüstet" ist, treffen Sie einen der Kernpunkte der militärwissenschaftlichen Diskussion um die Asymmetrie von Konflikten mit denen wir es zu tun haben. Als "asymmetrisch" werden die militärische Auseinandersetzungen bezeichnet, bei denen die beteiligten Parteien, waffentechnisch und strategisch stark unterschiedlich ausgerichtet sind.
Auf der einen Seite stehen moderne Armeen, mit entsprechend moderner Ausrüstung, hierarchischen Kommandostrukturen und einer klaren Taktik und Strategie. Auf der anderen Seite steht ein diffuser, schlecht greifbarer und selten in Erscheinung tretender Gegner.
Ziel von Terroristen/Guerilla-Kämpfern ist es, mit technisch unterlegenen Mitteln und konsequenter Ausnutzung der Schwächen des Feindes diesen empfindlich zu treffen und abschließend endgültig zu schlagen. Der Vorteil der asymmetrischen Kriegführung liegt in den geringen Kosten. Eine Guerillatruppe ist in der Lage mit primitiven und teilweise dem Feind abgenommenen Waffen einen hochgerüsteten Gegner zu bekämpfen. Der Gegner muss zum Schutz seiner Nachschublinien und schützenswerten Objekte einen großen Aufwand betreiben, der hohe Kosten verursacht. Dieselbe Logik liegt terroristischen Aktivitäten zugrunde. Ein Terrorangriff wie der des 11. September 2001 kostete für die Terroristen sehr wenig im Vergleich zu den großen Investitionen im Sicherheits-Bereich an den Flughäfen, die aus ihm resultierten.
Die regulären Truppen der Nato sind an die Genfer Konventionen des humanitären Völkerrechts gebunden. Sie dürfen keine Zivilisten in den Konflikt einbeziehen. Guerilla-Kämpfer sind als solche nicht zu erkennen, sie mischen sich unter die Zivilisten und sind auch bereit Zivilisten zu töten. Das macht es den regulären Truppen a) schwieriger sich und die Zivilbevölkerung zu verteidigen, als auch b) schwieriger den Feind zu identifizieren, zu entwaffnen und gefangen zu nehmen.
Die Nato-Truppen in Afghanistan sind nach den modernsten Richtlinien ausgerüstet. Ein Gegner, der das humanitäre Völkerrecht missachtet, ist mit diesen Mitteln jedoch nur schwer zu bekämpfen. Dieser Konflikt ist nur auf politischer Ebene zu lösen. Dafür werden ich und meine Fraktion uns weiter einsetzen.
Mit freundlichen Grüßen,
Uschi Eid