Frage an Ursula Eid von Birgit G. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Dr. Eid,
mich würde interessieren, wie Sie die aktuellen Ereignisse in Kenia bewerten und welche Maßnahme die Bundesregierung zur Förderung und Stabilisierung der Demokratie in Kenia unternehmen könnte?
Vielen Dank für die Beantwortung meiner Frage
Mit besten Grüßen
Birgit Glindmeier
Sehr geehrte Frau Glindmeier,
vielen Dank für Ihre Mail, die mich über abgeordnetenwatch.de erreicht hat.
Die Ereignisse in Kenia sind erschütternd. Einmal, weil in Kenia bisher über 40 Ethnien friedlich zusammenlebten und ethnisch begründete Gewaltexzesse nicht bekannt waren. Zweitens, weil vor 5 Jahren ein Oppositionsbündnis durch Wahlen an die Regierung kam und damit ein Aufbruch und Neuanfang nach langjähriger autokratischer Herrschaft unter Daniel Arap Moi möglich wurde. Präsident Kibaki trat an mit großen Reformversprechen, die Macht des Präsidenten sollte durch die Einrichtung des Amtes eines Ministerpräsidenten beschnitten werden, er wollte die Korruption bekämpfen und setzte den Leiter der kenianischen Sektion von Transpaency International als obersten Korruptionsbekämpfer ein, er wollte den Personenkult beenden und eine Politik der nationalen Einheit umsetzen.
Leider hat er dieses Reformprogramm so nicht umgesetzt. Das Amt des Ministerpräsidenten, für das in der letzten Legislaturperiode Raila Odinga vorgesehen war, wurde nicht in der neuen Verfassung verankert, die Korruption wurde nur im Schneckentempo bekämpft während gleichzeitig massive Veruntreuungen durch Regierungsmitglieder stattgefunden haben. John Githongo, der oberste Korruptionsbekämpfer, hat Kenia verlassen und lebt in London im Exil, da er um sein Leben fürchten musste. Kibaki hat auch die Angehörigen seiner Ethnie mit den besten Posten versorgt und damit die wirtschaftliche und politische Dominanz der Kikuyu, die sie seit der Unabhängigkeit Kenias 1963 haben, nicht nur nicht gebrochen, sonder eher zementiert. Das heißt, dass die Volksgruppe der Luo mit Odinga sich nicht nur gesellschaftlich und politisch an den Rand gedrängt fühlen, sondern jetzt auch noch um den Wahlsieg betrogen sehen.
Dass am 27. Dezember in Kenia Wahlbetrug stattgefunden hat, ist offensichtlich: Es gab Wahlkreise, in denen die Wahlbeteiligung bei 115% lag, Wahlkommissare sind mit Wahlurnen verschwunden, Stimmergebisse wurden auf dem Weg von der Auszählung in den Wahlkreisen bis zur Verkündigung in der Hauptstadt verändert, der nationale Wahlleiter wurde unter Druck gesetzt, den bisherigen Präsidenten als Wahlgewinner auszurufen, ohne dass das korrekte Wahlergebis vorlag – eine Wahlfarce also, die Kenia wahrlich nicht verdient hat!
Die beiden Kontrahenten, der bisherige Präsident Kibaki und der Oppositionsführer Odinga sind dringend aufgerufen, ihre Feindschaft zu überwinden und gemeinsam vor die Öffentlichkeit zu treten, um ihre Anhänger zu Ruhe und zur Beendigung der Gewalt aufzurufen. Sie dürfen auf keinen Fall ethnische Gegensätze für ihre Machtinteressen schüren und missbrauchen. Kibaki muß zustimmen, dass die Wahlergebnisse juristisch und im Rahmen der kenianischen Verfassung überprüft werden – dies von einer unabhängigen internationalen Kommission.
Die Afrikanische Union muß als wichtiger Akteur alles versuchen, die beiden gegnerischen Lager zu einer einvernehmlichen Lösung zu bewegen und darf sich auf keinen Fall wegdrücken lassen. Sie muß Kibaki klar machen, dass das kenianische Volk zurecht eine Überprüfung des Vorwurfs der Wahlfälschung fordert und seine Regierung illegitim ist, solange das Wahlergebis nicht überprüft ist.
Um den Druck auf die Kontrahenten zu erhöhen, sollte die Afrikanische Union die illegitime kenianische Regierung von dem Ende Januar stattfindenden AU-Gipfel ausschliessen. Die EU sollte Reisesanktionen gegenüber allen Mitgliedern der illegitimen Regierung verhängen – dies gilt auch für Odinga, sollte sich herausstellen, dass er und seine Freunde die Gewalt schüren.
Dass sich Kibaki als Präsident vereidigen ließ noch bevor klar ist, wer der wirkliche Wahlgewinner ist, kommt einem zivilen Staatsstreich gleich und verhöhnt die kenianischen Wählerinnen und Wähler. Das darf nicht folgenlos bleiben.
Ich begrüße die Bemühungen des deutschen Außenministers in der gegenwärtigen Situation mit den Kontrahenten gesprochen zu haben und den Versuch, beide Seiten zu einem Verzicht auf Gewalt und Provokation zu bewegen. Die Bundesregierung sollte alles daran setzten, dass die Gewalt beendet wird, der Wählerwille der Kenianer respektiert wird und Kenia auf den Pfad der Demokratie und der ernsthaften Reformen zurückkehren kann. Wenn sich Kibaki weigert, einer Überprüfung des Wahlergebnisses zuzustimmen, dann ist angesichts seiner illegtimen Regierung die Geschäftgrundlage für Entwicklungskooperation zwischen Deutschland und Kenia entzogen und diese müsste dann meines Erachtens eingefroren werden.
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Uschi Eid, MdB