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Ursula Eid
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Frage von Petra L. •

Frage an Ursula Eid von Petra L. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Dr. Eid

Ich habe in einem Radio-Interview Ihren Beitrag zum EU-Afrika Gipfel gehört.
Sie haben die Teilnahme der Bundesregierung begrüßt, obwohl auch der .simbabwische Diktator Mugabe daran teilgenommen hat. Wäre es nicht besser gewesen, wenn der Gipfel abgesagt worden wäre, oder die Bundesregierung nicht an dem Gipfel teilgenommen hätte, bzw. deutsche Teilnehmer den Gipfel boykottiert hätten.

Ich darf mich bei Ihnen für die Beantwortung bedanken.
Mit freundlichem Gruß von Petra Loch

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Loch,

vielen Dank für Ihre Frage, die mich über abgeordnetenwatch.de erreicht hat.

Da ich eine Reihe ähnlicher Fragen erhalten haben, lassen Sie mich etwas ausführlicher antworten.

Erstens:
Der erste EU-Afrika-Gipfel fand im Jahr 2000 in Kairo statt. Obwohl damals ein regelmäßiges Gipfeltreffen beschlossen worden war, wurde seither gerade wegen des simbabwischen Diktators Robert Mugabe kein weiterer Gipfel durchgeführt. Die EU hatte auf Initiative auch der damaligen rot-grünen Regierung Sanktionen gegen alle Mitglieder des Regimes verhängt, man wollte Mugabe nicht durch seine Teilnahme an einem solchen Gipfel aufwerten und man glaubte, ihn auch innerhalb Afrikas isolieren zu können.

In Afrika hat sich in der Zwischenzeit eine Menge verändert: z. B. wurde die Afrikanische Union gegründet, die u.a. ein völkerrechtliches Fundament für afrikanische Friedensmissionen geschaffen hat. Die Afrikaner haben z. B. eine neue Reformstrategie für ihren Kontinent entwickelt und setzen diese mit Hilfe des sogenannten Peer Review in ersten Schritten um. Neue Herausforderungen, wie Klimafragen, Migration und Sicherheitsfragen, die von gegenseitigem dringendem Interesse sind, kamen hinzu. Das heißt, die Veränderungen in Afrika machten einen neuen EU-Afrika-Gipfel erforderlich, um das Verhältnis zwischen Europa und Afrika im Lichte der enormen politischen Veränderungen in Afrika neu zu diskutieren und auf eine neue Grundlage zu stellen. Nach sorgfältiger Abwägung aller Argumente kam ich zu dem Ergebnis, dass man den Dialog – nur wegen eines, selbstverständlich völlig inakzeptablen Machthabers – nicht länger hinausschieben sollte. Schließlich würde man ihm dadurch ein noch viel größeres Gewicht verleihen!

Zweitens:
Meine Gespräche mit afrikanischen Kolleginnen und Kollegen in den vergangenen Jahren machten mir deutlich, dass die Afrikaner selbst bemüht waren, Wege zu finden, Robert Mugabe von einer Gipfelteilnahme abzubringen. Voraussetzung war jedoch, eine große Zurückhaltung der Europäer in dieser Frage. Denn eines war klar, sobald Europäer und vor allem die ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien sich gegen die Teilnahme Mugabes aussprächen, würden sich die Afrikaner – reflexartig – mit ihm solidarisieren, denn eines darf nicht übersehen werden: Mugabe wird in weiten Kreisen afrikanischer Bevölkerungen immer noch als Held gefeiert, der sein Land von der britischen Kolonialmacht befreit und in die Unabhängigkeit geführt hat. Die Chance hätte bestanden, Mugabe vom Gipfel fernzuhalten, wenn der britische Premierminister Gordon Brown nicht schon frühzeitig verkündet hätte, dass er im Falle Mugabes Anwesenheit fern bleiben würde.

Drittens:
In der Vergangenheit gab es zwei Strategien mit Mugabes Terrorregime umzugehen: a) Die europäische Strategie der Isolation und der Sanktionen. Hierzu gehörten richtigerweise auch die Beendigung der Entwicklungskooperation und die Beschränkung auf Unterstützung lediglich von humanitären Organisationen. b) Die afrikanische Strategie der stillen Diplomatie und des Verhandelns hinter verschlossenen Türen. Wenn man Bilanz zieht, muss man leider gestehen, dass beide Strategien bisher nicht erfolgreich waren. Allerdings gibt es jetzt Hoffnung: Es könnte sein, dass sich die Opposition und die Regierung auf eine neue Verfassungsgrundlage einigen, die für das nächste Jahr Wahlen vorsieht, die Amtszeit des Präsidenten verkürzt und z. B. die Anzahl der vom Präsidenten ernannten Abgeordneten von 30 auf zehn reduziert.

Viertens:
Selbstverständlich darf man, wenn man einen solchen Autokraten wie Mugabe teilnehmen lässt – der massive Menschenrechtsverletzungen zu verantworten hat, der sein Land, einstmals der Brotkorb des südlichen Afrika, in ein Armenhaus verwandelt hat, vor dessen gewaltsamen Zugriff drei Millionen Menschen in die Nachbarstaaten geflohen sind – nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Pflicht war es dann auch, mit ihm „Tacheles“ zu reden, ihm in Anwesenheit klar zu machen, dass er isoliert ist, dass man sein Regime verurteilt aber ihn auch darauf verpflichtet, die unter der Vermittlung von Südafrika mit der Opposition ausgehandelten Schritte zur Rückkehr zu rechtsstaatlichen Verhältnissen ernst zu nehmen und umzusetzen.

Ich kann nur hoffen, dass nicht nur die deutsche Bundeskanzlerin, sondern auch andere europäische und afrikanische Regierungschefs diese Chance in Lissabon genutzt haben - nur so ist die Teilnahme Mugabes zu rechtfertigen.

Mit freundliche Grüßen,

Dr. Uschi Eid MdB