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Ursula Doppmeier
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Frage von Dr. Anke K. •

Frage an Ursula Doppmeier von Dr. Anke K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Doppmeier,

die fortgesetzte Diskussion um die Sperrklausel verfolge ich mit Interesse, die Fragen decken sich mit meinen.

Wenn Ihnen die Vitalisierung der Demokratie und das Heranführen der jungen Menschen an Kommunalpolitik so am Herzen liegt, möchte ich noch folgende Fragen stellen:

a) Wäre nicht eher Kumulieren und Panaschieren eine bessere Möglichkeit, diesem Ziel näher zu kommen als eine Sperrklausel einzurichten?

b) Wie verhalten Sie sich dazu, dass viele der Ratsleute/Kreistagsmitglieder teilweise über 25 bis 30 Jahre ohne Unterbrechung ein Mandat ausüben? Ist das Vitalisierung der Demokratie und bietet das Raum für junge Menschen?

c) Wie sollten politische Parteien dafür Sorge tragen, dass die Listenaufstellungen lediglich durch die Parteimitglieder erfolgen - und oft schon vorab festgelegt sind?

d) Wie lässt sich ein Mandat als Berufspolitiker mit einem ehrenamtlichen Mandat in Einklang bringen? Ist das überhaupt möglich: auch Sie selbst üben ja deutlich viele Funktionen auf allen Ebenen aus: Rat, Kreis, Region, Land.

Vielen Dank für Ihre Antworten.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Anke Knopp

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Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau Dr. Knopp,

vielen Dank für Ihre Fragen. Mittlerweile ist aus Ihrer anfänglichen Frage ein richtiger Dialog entstanden. Ich unterstütze dies und freue mich darüber, dass dadurch eine politische Diskussion über das Wesen der kommunalen Demokratie in Gang kommt. Da Sie das Thema und meine Antworten auch in Ihrem lokalpolitischen Blog „Blickpunkt aus Gütersloh“ aufgreifen und auch die anderen Landtagsabgeordneten aus dem Kreis Gütersloh dazu auf abgeordnetenwatch befragt haben, schlage ich Ihnen vor, diese Diskussion konkret vor Ort mit allen Vertreterinnen und Vertretern der politischen Parteien mit Ihnen zusammen aufzugreifen. Dies könnte beispielsweise in Form einer Veranstaltung geschehen und bietet den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort die Möglichkeit mitzudiskutieren. Ich denke genau dies entspricht dem Wesen der Demokratie. Eine intensivere Auseinandersetzung auf dieser Plattform würde den Rahmen auch sonst sprengen. Ich würde mich zudem darüber freuen, wenn Sie darüber auch in Ihrem Blog berichten. Falls Sie an dieser Idee Interesse haben, stehe ich Ihnen gerne als Gesprächsgast zur Verfügung. Nun zu Ihren Fragen:

Zu Ihrer Frage a) In Nordrhein-Westfalen haben wir bei Kommunalwahlen eine personalisierte Verhältniswahl. Hier wird die Hälfte eines Kommunalparlaments per Mehrheitswahl und die andere Hälfte nach Listen gewählt. Diese Reserveliste wird in einem demokratischen Verfahren durch die Parteien und Wählergruppen aufgestellt. Parteien sind dazu verpflichtet, das Verfahren und die Kriterien ihrer Listenaufstellung transparent zu machen und ihre Beweggründe offensiv zu kommunizieren. Nach Artikel 21 des Grundgesetzes wirken die Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Darin liegt die verfassungsmäßige Anerkennung der den Parteien zukommenden Mittlerrolle zwischen den Bürgern und den Staatsorganen. Mit der Listenaufstellung wird den Parteien damit eine zentrale Aufgabe zuteil.

Das Verfahren des Kumulierens und Panaschierens halte ich dagegen für bedenklich, da die Effektivität und das „mehr“ an Demokratie nicht belegt sind. Das in einigen anderen Bundesländern praktizierte Verfahren hat gezeigt, dass die vielfältige Stimmabgabe kaum genutzt wird. Dies kommt überwiegend nur in kleinen Kommunen zum Tragen, in der die Kandidatinnen und Kandidaten bekannt sind. In NRW wird in den meisten Kommunen diese Nähe zu den Bewerberinnen und Bewerbern nicht vorhanden sein, sodass es dem einzelnen Wähler schwer fallen dürfte, die Listenplätze insgesamt zu gewichten. Ich befürchte zudem, dass dieses Verfahren viele Bürger irritieren kann. Dies hätte zur Folge, dass sie ihre Wahlmöglichkeiten nicht voll ausschöpfen oder wegen falscher Stimmenzuordnung den teilweise meterlangen Wahlzettel gar ungültig machen.

Empirische Untersuchungen bestätigen zudem, dass es vermehrt zu einer ungültigen Stimmabgabe kommt, die auf der Komplexität des Verfahrens zurückzuführen ist. In Wahlsystemen mit Kumulieren und Panaschieren ist die Quote der ungültigen Stimmzettel teilweise doppelt so hoch, wie bei dem derzeitigen NRW-Wahlsystem. Außerdem könnte die Komplexität des Wahlsystems viele Menschen davon abhalten, ihre Stimmzettel überhaupt abzugeben, was die Quote der Wahlbeteiligung weiter negativ beeinflussen würde.

Unter dem Aspekt der Gerechtigkeit halte ich es auch für äußerst fragwürdig, dass beim Kumulieren und Panaschieren nur die relative Mehrheitswahl zum Tragen kommt. Dadurch wird die Mehrzahl der abgebenden Stimmen nicht berücksichtigt. Die Aufstellung der Listen in unserem aktuellen Wahlrecht – das kann ich für meine Partei sagen – folgt einer ausgeglichenen und gerechten Reihenfolge. Beim Kumulieren und Panaschieren ist dieses jedoch nicht zwangsläufig gegeben. Dieses Verfahren kann dazu führen, dass bestimmte innerparteiliche Gruppierungen z.B. Frauen, Männer, Minderheiten oder regionale Gegebenheiten durch das Wahlverhalten später im Parlament unter- oder überrepräsentiert werden. Um diesen Missstand zu umgehen, könnten die Wählerinnen und Wähler eine taktische Wahl vollziehen. Aufgrund der Komplexität des Verfahrens ist aber davon nur in seltenen Fällen auszugehen.

Zu Ihrer Frage b) Für eine Vitalisierung der Demokratie bedarf es der gleichen Merkmale wie in anderen Bereichen unserer Gesellschaft auch. Konkret bedeutet dies, dass junge und ältere Menschen von einer Zusammenarbeit voneinander profitieren können. Ich gebe Ihnen vollkommen Recht, dass junge Menschen für Politik begeistert werden müssen und auch politische Ämter übernehmen sollen. Aus diesem Grund möchte ich Sie auch darauf hinweisen, dass ich den Stadtverbandsvorsitz an einen jungen Menschen abgegeben habe. Außerdem habe ich freiwillig nicht mehr für den Posten der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden im Landtag NRW kandidiert, um bewusst jungen Leuten den Vortritt zu lassen und sie zu fördern. Aber ohne die sogenannten „alten Hasen“ geht es auch nicht. Eins sollte auch klar sein: Jugend ist kein Verdienst und Alter keine Schande. Ältere Amtsträger sind für politische Neueinsteiger oft wichtige Ansprechpartner. Die jungen Menschen können oft von ihrem Erfahrungsschatz profitieren. Hier sollten die Generationen nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern vielmehr gemeinsam an einem Strang ziehen.

Zu Ihrer Frage c) Ich kann hier wieder nur für meine Partei sprechen: Wir tragen bereits Sorge dafür, dass die Listenaufstellung transparent von den Parteimitgliedern erstellt werden. In Gütersloh haben wir das Delegiertensystem abgeschafft. Damit hat jedes Parteimitglied die Möglichkeit, selbst zu kandidieren und bei der Aufstellung der Liste mitzuwirken.

Zu Ihrer Frage d) Aus eigener Erfahrung – ich bin derzeit Kreistagsmitglied und Landtagsabgeordnete – kann ich Ihnen mitteilen, dass beide Mandate in Einklang zu bringen sind. Dies erfordert aber ein hohes Maß an Disziplin, Strukturierung und Zeit. Vor allem der zeitliche Aufwand ist nicht zu unterschätzen, weil man den Menschen in NRW und in Gütersloh gerecht werden muss. Aber ein Doppelmandat birgt auch Vorteile. In den vergangenen Jahren konnte ich mich mehrfach erfolgreich für kommunale Anliegen meines Kreises im Landtag einsetzen oder als Sprachrohr für kommunale Anliegen im Landtag NRW vortragen. Für mich ist und bleibt das politische Mandat auf Kreisebene ein Hobby und ich bekleide es, weil ich mich gerne vor Ort engagiere.

Mit freundlichen Grüßen

Ursula Doppmeier