Frage an Undine Kurth von Gerhard R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Kurth,
Zum öffentlich-rechtlichen Fernsehen:
Wer vertritt die Interessen der Fernsehzuschauer/innen, wenn zu ihren Lasten gegen Staatsverträge verstoßen wird?
Sorgt die Zusammensetzung der Rundfunkräte und die 75%-Hürde(darunter wird die Beschwerde zurückgewiesen) dafür, daß Programmbeschwerden von vornherein aussichtslos sind?
Wird so das in den Staatsverträgen verankerte Eingabenrecht faktisch beseitigt?
Wie kann der Einfluss der Parteien zurückgedrängt werden?
Brauchen wir mehr Rundfunkratangehörige aus der Gesellschaft?
Müssen im Rundfunkrat die Kirchen weniger Vertreter als die Friedensbewegung haben?
Begründung der letzten Frage: Die Friedensbewegung vertritt im Falle Afghanistan die Meinung der Bevölkerungsmehrheit, die Kirchen vertreten die Interessen der Regierungsparteien. Mir ist kein Bischof bekannt, der die deutsche Beteiligung am Afghanistankrieg ablehnt und dies öffentlich erklärte.
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Reth
Sehr geehrter Herr Reth,
angesichts mancher Entwicklungen im Bereich des Fernsehens kann ich Ihre Nachfrage nur allzu gut verstehen und kann Ihnen versichern, dass auch wir Bündnisgrünen uns damit intensiv auseinandersetzen. Bündnis 90/Die Grünen sehen die Rundfunkräte als wichtige gesellschaftliche VertreterInnen in den Rundfunkgremien an, die darüber zu entscheiden haben, ob gegen die Staatsverträge verstoßen wurde. Die gesellschaftliche Kontrolle der Rundfunkprogramme durch die Rundfunkräte oder den Fernsehrat ist ein Grundprinzip des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
In einem Beschluss des Länderrats von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 5. April 2008 haben wir Grüne uns für die Stärkung der Gremien ausgesprochen. Sie sollen schneller reagieren können und mehr Durchsetzungskraft erhalten. In unserem Beschluss heißt es unter anderem: "Die Räte sollen zur Erfüllung ihrer Aufgaben berechtigt sein, wissenschaftliche Expertisen und Gutachten in Auftrag zu geben oder besondere Sachverständige hinzuzuziehen." Das schließt Auftragsforschung ein, die an externe Institute vergeben werden kann. Die Gremien können sich auf diesem Weg Fachwissen und Einschätzungen zu bestimmten Fragen einholen. Die Gremienmitglieder sollen zu diesem Zweck auf ein eigenständiges Budget zurückgreifen können.
Alle Rundfunkräte sollen zu Fragen des Programms öffentlich tagen, um Transparenz zu fördern - so wie es bereits von einigen Rundfunkgremien praktiziert wird (z.B. BR und rbb). Wir fordern auch, dass die Mitgliedschaft in den Rundfunk- und Verwaltungsräten sowie dem Fernsehrat für Vertreterinnen und Vertreter der Exekutive grundsätzlich nicht mehr möglich ist, um die Staatsferne des Rundfunks tatsächlich umzusetzen.
Darüber hinaus sollen den Mitgliedern aller Rundfunkgremien Fortbildungsveranstaltungen zu journalistischen, technischen und datenschutzrelevanten Themen in den Rundfunkanstalten angeboten werden, wie das in einigen Rundfunkgremien bereits der Fall ist."
Seit längerem sprechen wir Grüne uns dafür aus, die Zusammensetzung der Rundfunkgremien zu überprüfen, um festzustellen, ob tatsächlich alle gesellschaftlich relevanten Gruppen dort vertreten sind. In unserem Beschluss heißt es dazu: "In regelmäßigen Abständen müssen die Landesparlamente prüfen, ob die in den Gremien vertretenen Verbände und Institutionen tatsächlich das geforderte Kriterium der gesellschaftlichen Relevanz erfüllen.
Bedauerlicherweise sind beispielsweise Dachorganisationen von Migrantinnen und Migranten in einigen Gremien auch heute noch nicht vertreten." Auch könnte man darüber nachdenken, den GebührenzahlerInnen selbst eine Stimme in den Gremien zu geben.
Sehr geehrter Herr Reth,
an dieser Stelle möchte ich aber auch darauf hinweisen, dass die von uns vorgeschlagenen Veränderungen erst dann durchzusetzen sein werden, wenn es dafür die notwendigen gesellschaftlichen Mehrheiten gibt. Das erfordert noch eine Menge Arbeit, der wir uns von bündnisgrüner Seite aber mit Sicherheit stellen werden. Vielleicht finden wir ja auch Unterstützung durch Sie.
Mit freundlichen Grüßen
Undine Kurth