Frage an Undine Kurth von Andreas M. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Kurth,
am 01.03.2013 veröffentlichte die BT-Fraktion ihrer Partei den Entwurf ihres Wahlprogramms für die BT-Wahl.
Darin heißt es unter Anderem:
Seite 4, Zeile 43: "Lobbyismus und Klientel-Interessen werden wir entschieden entgegentreten und in die Schranken weisen."
Dies wirft bei mir die Frage auf, ob B90/die Grünen damit auch die eigenen Lobbyisten und Klientel Interessen meint. Denn immerhin gab und gibt es eine Reihe Unternehmen, die Insbesondere an der grünen Umwelt- und Energiepolitik partizipieren und wirtschaftliche Nutznieser sind.
Weiter heißt es:
Seite 128, Zeile 59: "Den Einsatz der Bundeswehr im Inneren lehnen wir ab. Tatsächliche Sicherheitslücken wollen wir konsequent schließen, zum Beispiel durch ein schärferes Waffenrecht. Einsatzbereite, funktionsfähige scharfe Schusswaffen wollen wir nur noch in zwingenden Ausnahmefällen in privaten Haushalten zulassen."
Mir erschließt sich der Zusammenhang zwischen einem möglichen (ZItat) "Einsatz der Bundeswehr im Inneren" und dem Vorhaben (Sinnzitat) "Sicherheitslücken im Waffenrecht konsequent zu schließen um einsatzbereite, funtionsfähige scharfe Schusswaffen aus Privathaushalten zu entfernen" nicht.
Wie muss ich den Umstand werten, dass im Wahlprogramm ihrer Partei der Einsatz der BW in Inneren und legaler privater Schusswaffenbesitz in einem Atemzug benannt werden?
Darf ich diesem Umstand entnehmen, dass B90/die Grünen den Legalwaffenbesitz in Deutschland als Bedrohung der inneren Sicherheit sehen?
Stehe ich aus Sicht ihrer Partei, dem sachlichen Inhalt obiger Aussage folgend, als Legalwaffenbesitzer also unter dem generalisierenden Verdacht, Staatsfeind und/oder Terrorist zu sein?
Denn immerhin sehen die Gedankenmodelle der Bundesregierung bezüglich des Einsatzes der Bundeswehr im Inneren vor, diese nicht nur im Katastrophenfall, sondern auch zur Bekämpfung von Terrorismus und zur Niederschlagung von Aufständen einzusetzen.
Mit fragenden Grüßen,
Andreas Milde
Sehr geehrter Herr Milde,
vielen Dank für Ihre E-Mail vom 7. März 2013. Zu Beginn meiner Antwort möchte ich auf zwei Dinge hinweisen:
Das Wahlprogramm wird natürlich von der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erstellt und auch dort verabschiedet. Meine Fraktion beteiligt sich aber an der inhaltlichen Debatte, um die Erfahrungen und Kenntnisse aus der Fraktionsarbeit in den Prozess einzubringen.
Zum zweiten scheint es mir wichtig, sich darüber auszutauschen, was unter Lobbyarbeit verstanden wird. Ich bin nämlich ganz und gar nicht der Meinung, dass man politisches Handeln, das gesamtgesellschaftliche Interessen, nicht die Interessen einzelner Unternehmensziele in den Mittelpunkt stellt, also der Nachhaltigkeit verpflichtet ist und sich am konsequenten Umweltschutz orientiert (für den die Unternehmen der Umweltbranche innovativ arbeiten) mit dem Lobbyismus für Einzelinteressen gleichstellen kann.
Nun aber zu Ihrer Frage zum Programm:
Wie bei jedem Wahlprogramm einer politischen Partei geht es auch beim Bundestagswahlprogramm von Bündnis 90/Die Grünen darum, in möglichst kompakter Form die Komplexität und Vielfalt des politischen Themenspektrums einzufangen. Dabei lässt es sich nicht immer vermeiden, bestimmte Themenbereiche oder Einzelfragen nur anzureißen und in kurzer Abfolge aufzuzählen. Im Falle des Themengebiets der inneren Sicherheit ist dies zum Teil der Fall. Das bedeutet jedoch nicht, dass stets ein direkter Zusammenhang zwischen Einzelfragen besteht. Die Regulierung des privaten Umgangs mit Waffen gehört zweifelsohne zum Themenbereich der inneren bzw. öffentlichen Sicherheit. Nicht bei jedem Thema aus diesem Bereich geht es jedoch um Terrorismus oder Staatsschutz.
Die Tatsache, dass wir den privaten Waffenbesitz auf ein Minimum beschränken wollen, hat mit der außerordentlichen Gefährlichkeit bestimmter Waffen und deren für menschliches Leben katastrophalen Wirkung im Falle eines Missbrauchs (durch wen auch immer) zu tun. Die Gefährdung der Allgemeinheit liegt also in den Funktionseigenschaften dieser Waffen und darin begriffen, dass sie es Menschen ermöglichen, mit hoher Effektivität und relativ leicht aus Entfernung großes menschliches Leid zu verursachen. Es geht nicht um einen besonderen Generalverdacht gegenüber den Besitzerinnen und Besitzern. Dieser Vorwurf geht an der Sache vorbei und bringt uns bei der Debatte um die richtige Gewichtung der abzuwägenden Interessen auch nicht weiter.
Aus unserer Sicht hält das hiesige Waffenrecht nach wie vor nicht die richtige Balance zwischen dem Schutz menschlichen Lebens und körperlichen Unversehrtheit und dem Interesse an sportlicher Freizeitgestaltung mit Schusswaffen. Beispielsweise ist nach wie vor der private Umgang mit halbautomatischen Feuerwaffen, die dazu noch mit großen Magazinen kompatibel sind, erlaubt. Das ist im Interesse der öffentlichen Sicherheit unverantwortlich.
Mit freundlichen Grüßen
Undine Kurth