Frage an Undine Kurth von Gerhard L. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrte Frau Kurth,
wie ich aus dem Postionspapier der Grünen und ihrer Rede vor dem Deutschen Bundestag herauslesen konnte, sind Sie für die Abschaffung der Kastration von Ferkeln bzw. nur noch mit Betäubung.
Da Sie anscheinend in dem Gebiet keine Expertin sind, hier ein paar Erläuterungen:
- Es wird bereits ein schmerzstillendes Medikament an die Ferkel verabreicht.
- Eine intravenöse Narkose darf nur ein Tierarzt durchführen - Wo wollen Sie diese hohe Anzahl von Tierärzten herausholen?
- Eine Narkose mit CO2 oder Isofluran verhindern zwar äußere Regungen, sind aber nicht schmerzstillend.
- Eine "Impfung" sprich Immunokastration ist sehr fragwürdig, weil hier ein Hormonblocker eingesetzt wird. Wollen Sie solches Fleisch in den Läden sehen?
- Ebermast ist Tierquälerei, denn sobald die Eber ihre Geschlechtsreife erreichen, gibt es ständig Rangkämpfe und Aufspringen, was zu Verletzungen und toten Schweinen führt. Wollen Sie das verantworten? Sind eine 30 Sekunden dauernde Kastration, wo das Ferkel nach wenigen Minuten wieder ans Gesäuge der Sau geht, nicht weniger schmerzhaft, wie wochenlange Rangkämpfe?
- Kleine landwirtschaftliche Betriebe können sich kein Narkosegerät leisten und müssen deshalb ihren Betrieb aufgeben.
- Kleine landwirtschaftliche Betriebe können die Schweine nicht getrenntgeschlechtlich aufstallen und müssen deshalb aufgeben.
- Kleine Schlachtbetriebe können kein Eberfleisch vermarkten und haben auch nicht die technischen Möglichkeiten, stinkendes Eberfleisch aufzuspüren. Sie ahnen es schon - Betriebsaufgabe.
- Biobetriebe können keine Eber mästen, weil sie durch das höhere Lebensalter bei der Schlachtung und der Haltung auf Stroh stärker stinken, wie konventionell gehaltene Schweine.
- Biobetriebe setzen zurzeit auch "nur" die schmerzstillende Spritze ein und ein Betrieb mit 30 Zuchtsauen kann sich auch kein Narkosegerät leisten.
Was ist also Ihr Vorschlag?
Mit freundlichen Grüßen,
Gerhard Langreiter
Sehr geehrter Herr Langreiter,
über Abgeordnetenwach hat mich Ihre Frage zur betäubungslosen Ferkelkastration erreicht und ich antworte Ihnen gern darauf:
Mit unserem Entwurf für ein neues Tierschutzgesetz wollen wir mit Paragraph 11 tatsächlich erreichen, dass Kastrationen bei Ferkeln zukünftig nur noch unter Betäubung und Behandlung bei eventuellen postoperativen Schmerzen durchgeführt werden. Damit wollen wir die Forderung des Paragraphen 1 unseres Tierschutzgesetzes umsetzen, in dem es richtiger Weise heißt, dass keinem Tier ohne zu rechtfertigenden vernünftigen Grund Schmerzen, Schäden oder Leid zugefügt werden darf. Dass die Kastration ein wirklich schmerzhafter Eingriff ist, wird sicher niemand bestreiten, der die Tiere dabei einmal erlebt hat. Im Fall der Ferkelkastration geht es schließlich um mehr als 20 Millionen Tiere, die bisher jedes Jahr ohne Betäubung kastriert werden und wir wollen diese Tierqual nicht länger hinnehmen.
Denn anders als Sie schreiben, gibt es bereits praxisreife Verfahren, Ferkel vor der Unfruchtbarmachung zu betäuben - wie es zum Beispiel Neuland vorschreibt und anwendet - und damit sehr erfolgreich am Markt ist. Sie argumentieren ähnlich wie der Deutsche Bauernverband, dass die Kastration unwirtschaftlich sei und zu einer Preissteigerung des Fleisches führen würde. Dazu möchte ich nochmals betonten: Wirtschaftlichkeitsargumente können Tierschutzargumente nicht außer Acht lassen. Und die Preissteigerung würde nach den Ergebnissen von Fachgesprächen und nach der Einschätzung von Pro Vieh gerade einmal ca. 5 Cent pro Kilo Fleisch betragen - ein Betrag, den die Verbraucherinnen und Verbraucher zu zahlen bereit sind, wenn dafür das Tierwohl verbessert wird.
Für eine generelle Abschaffung der Kastration setzen wir uns nicht ein, da wir um die entstehenden Schwierigkeiten in der Aufzucht und der Vermarktung von Ebern wissen. Nichts desto trotz nehmen wir aber zur Kenntnis, dass - gerade auch im Bio-Bereich - die Erprobung von Ebermast vorangetrieben wird wie auch die Entwicklung einer technischen Spürnase zum Erkennen von Ebergeruch.
Mit unserem Entwurf für ein neues Tierschutzgesetz gehen wir einen neuen Weg zu mehr Tierschutz in der deutschen Landwirtschaft und folgen damit auch dem Wunsch vieler Verbraucherinnen und Verbraucher, die längst akzeptiert haben, dass auch in der Landwirtschaft auf Tierschutz geachtet werden muss. Länder wie die Schweiz, Österreich oder Norwegen machen es uns vor, dort ist die betäubungslose Kastration bereits seit 2009 verboten.
Abschließend zu Ihrem Einwurf in Bezug auf die Tierärzte: In unserem Gesetzentwurf differenzieren wir sehr genau, welche Eingriffe einzig und allein von Tierärzten vorgenommen werden dürfen. Gerade weil wir kleine und mittlere Betriebe unterstützen wollen, verlangen wir bei der Ferkelkastration einen Fachkundenachweis und nicht zwingend die Anwesenheit eines Tierarztes.
Sehr geehrter Herr Langreiter,
unser Verhältnis zu dem Mitlebewesen Tier hat sich erfreulicher Weise grundlegend verändert. Immer mehr Menschen akzeptieren, dass Tiere ein Recht auf eine schonende Behandlung haben – so ist der ethisch begründete Tierschutz vor 10 Jahren in unser Grundgesetz aufgenommen worden. Daraus schlussfolgert auch, dass nicht alles, was sich rechnet, sich auch rechtfertigt.
Ich hoffe, ich konnte Ihre Bedenken ausräumen
und grüße Sie herzlich
Undine Kurth