Portrait von Undine Kurth
Undine Kurth
Bündnis 90/Die Grünen
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Undine Kurth zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Reiner M. •

Frage an Undine Kurth von Reiner M. bezüglich Finanzen

Das Problem Griechenland ist das Problem Europas - es wird von unseren Politikern nicht mit voller Wahrheit den Bürgern vermittelt, denn sonst könnte nicht die Mehrzahl gegen die Griechenland- Hilfe sein. Wie sehr oft schon versucht Frau Merkel "Zeit zu gewinnen" - dabei kann sie jetzt alles für unser Land und Europa verlieren ! Es kann doch nicht sein, daß einige äußerst skrupellose "Finanziers" ( ob sie nun in den USA oder China beheimatet sind ) den bis dato stabilen Euro so destabilisieren wollen, das eben diese Länder uns als "weltmarktführend" ( für ganz Europa gesehen wohlbemerkt ) ausradieren wollen. Frau Kurth, warum wird im Bundestag darüber nicht debattiert ? Es wurde doch auch lang und breit n a c h der "Bankenkrise" ( Lehmann Brothers usw. , obwohl das nicht dieses Bankhaus allein war welches die Krise auslöste ) debattiert und gehandelt !?! Warum sprechen Sie im Bundestag und unter Ihren führenden Mitgliedern nicht dieses absolut äußerst gefährliche Thema an ? Wo sind die Visionäre ? Bestimmt n i c h t bei "unseren Weisen" bzw. bei Frau Merkel und der jetzigen Regierung ! Was erwarten sich ( und worauf ??? ) die Grünen ??? Sind denn alle mutlos, kraftlos nutzlos geworden ? Wo ist der Schwung von DAMALS hin ??? Sind die Grünen auch schon lange satt - vom Trog des Bürgers ? Sehr wenige Menschen können HEUTE schon erahnen wie es mit Europa enden wird - wenn nicht schnell u n d radikal gehandelt wird - zum Wohle unseres Landes und Europas. Erst Griechenland, dann Spanien, und dann EUROPA ????? Dafür arbeitet nicht jeder anständige Bürger in unserem Land. Es kann doch jetzt nicht wegen gewissenloser, machtgieriger Spekulanten alles umsonst gewesen sein. HEUTE wird "KRIEG" mit "offenem Visier der Spekulanten" geführt, dass sind die "wahren Machthaber unseres Planeten" . Nicht die USA, China oder Bin Laden ! WARUM dieses Thema nicht debattieren ? Frau Kurth, nicht die Talsperre im Harz ist jetzt wichtig, sondern unser Land !

MfG R. Majewski

Portrait von Undine Kurth
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Majewski,

erst einmal möchte ich mich dafür entschuldigen, dass Sie so spät von mir hören. Ich muss zugeben, dass ich erst jetzt beim „Aufräumen“ aller Mails vor dem Urlaub auf Ihre Anfrage gestoßen bin und weiß nun gar nicht so recht, ob Die die Antwort überhaupt noch bekommen wollen. Ich versuch´s einfach und hoffe auf Ihre Nachsicht.

Sie haben sich kritisch zur fehlenden Debatte im Bundestag über die finanziellen Unterstützung Griechenlands durch die Euro-Länder und den IWF positioniert. Dazu möchte ich Ihnen sagen – auch wenn vielleicht ein anderer Eindruck entstanden sein sollte, es hat sehr wohl eine ernsthafte Debatte stattgefunden. Es haben unterschiedlichste Gespräche stattgefunden. So waren die Fraktionsvorsitzenden aller Parteien im Bundestag auch zu einem Gespräch bezüglich dieses Themas beim Bundesfinanzminister eingeladen. Aus der Opposition heraus haben sowohl die SPD als auch die GRÜNEN signalisiert, eine schnelle und durchdachte Lösung finden zu wollen.

Es geisterten ja viele Meldungen und Berichte durch die Medien, die Emotionen schüren und einer sachlichen Abwägung, was am besten zu tun sei, nicht wirklich dienten.

Deswegen möchte ich Ihnen hier nochmal die Argumente aus Sicht der GRÜNEN schildern:

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass der griechische Staat mit Klientelpolitik, Korruption, Statistik(selbst)betrug, Duldung von Steuerhinterziehung, Missbrauch von EU-Fonds für schlechte Investitionen im Bereich Massentourismus und nicht nachhaltiger Landwirtschaftspolitik, durch besonders hohe Militärausgaben und einen aufgeblähten öffentlichen Sektor seine Staatsfinanzen ziemlich ruiniert hat. Der griechischen Politik ist vor allem vorzuwerfen, dass sie die niedrigen Zinsen nach Eintritt in den Euro nicht genutzt hat, um die strukturellen Wirtschaftsprobleme des Landes anzugehen.

Nichtsdestotrotz braucht Griechenland einen stabilen und nachhaltigen Weg aus der Schuldenkrise. Die EU hat sich - nachdem sie in der Vergangenheit zu oft beiseite sah, wenn es darauf angekommen wäre zu kritisieren - nun zu einem engen Überwachungsregime entschlossen.

Zu allererst muss das Land aus den Fesseln der Spekulanten befreit werden, da gebe ich Ihnen vollkommen Recht. Es ist daher aus unserer Sicht also völlig richtig, den Finanzierungsbedarf der Griechen über die nächsten drei Jahre durch Kredite der Euro-Länder und des IWF abzudecken. Die Kredite der Euro-Länder müssen genauso wie die IWF-Kredite vorrangig bedient werden, also als erstes wieder zurückgezahlt werden.

Die europäischen Steuerzahler bürgen mit den Finanzhilfen für Griechenland, um einen ungeordneten Staatsbankrott zu vermeiden. Das bewahrt die Gläubigerbanken (auch deutsche) vor einem drohenden Totalausfall ihrer Forderungen. Es ist nicht akzeptabel, dass wieder die Gemeinschaft die Verluste übernimmt und die Banken die Gewinne einstreichen. Die Banken haben trotz der absehbaren Risiken die griechischen Staatspapiere gekauft und damit hohe Renditen erzielt.

Bereits die deutschen Bankenrettungsprogramme waren ein einzigartig gutes Geschäft für die Gläubiger der Banken. Ohne Wenn und Aber wurden – wie der Fall HRE exemplarisch zeigt – Versicherungen, andere Banken und Pensionskassen unter Ausschaltung des marktwirtschaftlichen Haftungsprinzips mit Staatsgeldern gerettet, obwohl diese Investoren bei hohen Renditen mit der Finanzierung offenbar zu riskanter Geschäftsmodelle eine wesentliche Teilschuld des Desasters trifft.

Deshalb sind auch die Alt-Gläubiger gefragt, sich an der Sanierung des Landes zu beteiligen. Ein Schuldenmoratorium ist erforderlich, um Griechenland einen Neustart zu ermöglichen. Eine Gläubigerbeteiligung in Schuldenkrisen ist nichts Außergewöhnliches. Es ist eher die Regel. Ein Beispiel für eine erfolgreiche Gläubigerbeteiligung war die Umschuldung in Uruguay im Jahr 2003. Auch Jamaika und Belize konnten jüngst "ordentlich", also ohne Panikreaktionen an den Märkten, restrukturiert werden.

Die Griechen müssen jetzt zu allererst durch eigene Anstrengungen ihre Krise überwinden. Durch hysterische Töne aus Deutschland (zum Beispiel Inseln zu verkaufen) wird dieser harte Weg aber nicht erleichtert sondern erschwert.

Für uns Grüne bedeutet Europa, europäischen Ländern zu helfen, wenn sie in Schwierigkeiten geraten. Die Politik der Bundesregierung hat die Krise in Griechenland zusätzlich angeheizt. Die absurde Idee, Griechenland aus der Eurozone zu werfen und dafür den Lissabon-Vertrag zu ändern, war eine reine Stammtischparole. Die Märkte haben sofort darauf reagiert, der Euro sackte auf den niedrigsten Stand zum Dollar seit zehn Monaten. Die Zinsen für Griechenland kletterten auf über 6,5 Prozent.

Am 10. und 11. April wurde beschlossen, dass Griechenland bis zu 45 Milliarden Euro Hilfe erhalten soll, davon 15 Milliarden Euro über den IWF und 30 Milliarden Euro über die Euro-Staaten. Die EU-Kommission wird die 30 Milliarden Euro einsammeln und dem IWF zur Verfügung stellen. Der IWF verhandelt mit den Griechen über die Konditionen. Der Zinssatz wird bei etwa fünf Prozent liegen, also bis zu zwei Prozent billiger als der Marktzins für griechische Anleihen derzeit. Wir Grünen forderten immer, die privaten Gläubiger Griechenlands, die mit einem hohen Zins für ihre Gelder bewusst Ausfallrisiken in Kauf genommen haben, an den Hilfen zu beteiligen. Deutschland wird sich mit 8,4 Milliarden Euro beteiligen. Dieser Betrag resultiert aus dem Anteil Deutschlands am gezeichneten Kapital der EZB (28 Prozent).

Die Schuldenkrise Griechenlands und weiterer europäischer Staaten hat die fundamentale Schwäche der Währungsunion offengelegt: Eine Währungsunion braucht auch eine politische Union. Innerhalb Europas herrscht zumindest über einen Punkt Einigkeit: So wie bisher geht es nicht weiter. Die Länder der Euro-Zone müssen ihre Wirtschafts- und Finanzpolitik besser koordinieren, um Wettbewerbsunterschiede auszugleichen. Sonst droht die Währungsunion zu zerbrechen.

Über die Frage, was eine stärkere Koordinierung der Wirtschaftspolitik beinhalten sollte, gibt es schon weniger Einigkeit. Für uns Grüne sind jetzt die dringendsten Maßnahmen:

1. Die Ziele der Stabilitäts- und Wachstumspolitik müssen um ein weiteres Ziel des außenwirtschaftlichen Gleichgewichtes ergänzt werden, das bereits im deutschen Stabilitäts- und Wachstumsgesetz angelegt ist. Sowohl die Mitgliedsländer mit hohen Defiziten als auch jene mit hohen Überschüssen müssen verbindliche Empfehlungen zur Reduktion dieser Ungleichgewichte erhalten und der Kommission regelmäßig berichten mit welchen Maßnahmen bis zu welchem Zeitpunkt die übermäßigen Leistungsbilanzsalden abgebaut werden sollen. Außerdem müssen auch die Probleme hoher privater Verschuldung und spekulativer Vermögenspreisblasen berücksichtigt werden.

2. In der Steuerpolitik brauchen wir eine stärkere Harmonisierung der Bemessungsgrenzen und Mindestsätze in der EU. Nur so kann der Steuerdumpingwettlauf zwischen den EU-Staaten unterbunden werden.

Die Lohnpolitik muss Teil der wirtschaftspolitischen Koordinierung sein. Wir setzen uns für einen europäischen Sozialpakt ein, der arbeitsrechtliche und soziale Mindeststandards formuliert. Dazu gehört auch, dass die Mitgliedstaaten Rahmenbedingungen wie die Einführung von Mindestlöhnen oder entsprechende Regelungen in allen Staaten vereinbaren.

Ich hoffe, Ihnen unsere Sicht der Dinge und unsere politischen Forderungen verständlich und nachvollziehbar dargelegt zu haben.

Mit freundlichen Grüßen und einer nochmaligen Bitte um Nachsicht

Undine Kurth