Frage an Ulrike Rodust von wolfgang h. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Ulrike Rodust,
ich habe die Frage in der Kategorie "Internationales" eingestellt.
Sie könnte aber auch in viele andere Kategorien eingestellt werden, da die Auswirkungen viele Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens betreffen werden.
Am 29. Mai finden die nächsten EU-Wahlen statt.
Die Frage: Mich würde jetzt schon Ihre Haltung zu JEFTA interessieren.
Falls Sie Informationsbedarf zu JEFTA haben, habe ich zwei DIN A4 Seiten einer Studie zum Thema beigelegt:
https://blog.campact.de/wp-content/uploads/2018/10/Zusammenfassung-Studie-JEFTA.pdf
Mit freundlichen Grüßen,
Wolfgang Harr
Sehr geehrter Herr Harr,
die SPD im Europäischen Parlament ist davon überzeugt, dass man Globalisierung durch faire Regeln gestalten muss. Schon vor dem Angriff von Präsident Trump auf die internationale Zusammenarbeit war dies das Leitmotiv sozialdemokratischer Handelspolitik, hat aber durch die Entwicklungen seit der Amtsübernahme des neuen US Präsidenten an Dringlichkeit gewonnen.
Europa hat ein Interesse mit anderen Staaten zu handeln, dies ist ein Baustein unseres Wohlstands.
Bürger_innen in der EU profitieren von der großen Auswahl an Waren, die ihnen teils nur durch ihre Produktion im Ausland auch erschwinglich zur Verfügung stehen. Arbeitsplätze werden dadurch geschaffen oder erhalten, dass wir unsere Waren in die gesamte Welt verkaufen können. Und viele Produkte die wir herstellen, sind auf Vorprodukte, die wir aus dem Ausland beziehen, angewiesen. Handelspolitische Maßnahmen unterstützen also unsere Industriepolitik, denn Handel ist kein Selbstzweck. Hier arbeiten wir Hand in Hand mit Gewerkschaften und Unternehmen, mit einem besonderen Augenmerk auf Kleinst‐ und mittlere Unternehmen, um unseren Firmen Märkte zu erschließen und bürokratische Hürden, dort wo sie keinen Sinn ergeben, zu vereinfachen oder abzuschaffen und damit Arbeitsplätze und Wohlstand in Europa zu stützen.
Die andere Seite unseres handelspolitischen Engagements ergibt sich durch die durch unsere Konsummuster entstandenen globalen Wertschöpfungsketten. Der Einsturz der Rana Plaza Fabrik in Bangladesch hat die Augen der Weltöffentlichkeit wie kein anderes Ereignis für die Kehrseiten der Globalisierung geöffnet. Das Verlangen der westlichen Welt nach immer billigeren Waren in immer kürzeren Abständen trägt dazu bei, dass Menschen, vor allem in ärmeren Ländern dieser Welt, zu teils unmenschlichen Arbeitsbedingungen arbeiten müssen. Dieses Problem lässt sich mit Handelspolitik nicht allein aus der Welt schaffen. Aber wir Sozialdemokrat_innen haben Instrumente erstritten, mit denen die EU Schritt für Schritt Arbeitsbedingungen in Drittländer verbessern kann. Dazu gehören maßgeblich die Anerkennung und Umsetzung der acht Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation. Wir kämpfen für eine engagierte Umsetzung dieser Regeln und für deren andauernde Weiterentwicklung. Dieser Weg ist lang und mühsam, aber wert beschritten zu werden. Denn die Alternative dazu ist nicht der große Wurf, sondern Stillstand oder Rückschritt. Es gibt in vielen Ländern dieser Welt keine Alternative zur EU, die anstelle unserer für diesen Weg streiten würde.
Dann gibt es noch einige Grundsätze, die als Grundlage unserer Bewertung von Handelsabkommen dienen: größtmögliche Transparenz während der Verhandlung, des Ratifikationsprozesses und der Umsetzung von Abkommen; der Ausschluss jeglichen Liberalisierungsdrucks auf die öffentliche Daseinsvorsorge; der Schutz unseres Rechtes zu Regulieren und des Vorsorgeprinzips bei der Lebensmittelsicherheit; die Umsetzung des Pariser Klimaschutzsabkommens.
Vor diesem Hintergrund haben im Europäischen Parlament die Beratungen und Analyse des EU‐Japan Wirtschaftspartnerschaftsabkommens JEEPA begonnen. Damit führen wir unsere intensive und transparente Begleitung der Verhandlungen fort, bei denen wir unter anderem bereits 29 Arbeitsgruppensitzungen, mehrere Anhörungen und zwei Delegationen nach Japan durchgeführt haben. Bernd Lange, SPD-Europaabgeordneter und Vorsitzender des Ausschusses für internationalen Handel, hat eine erste Bewertung des Abkommens erstellt.
Im klassischen Bereich des Marktzugangs und der bilateralen Kooperation bietet das Abkommen neue Möglichkeiten für europäische Firmen und stärkt vor allem internationale Foren, in denen gemeinsam Standards entwickelt werden. Dies ist eine wichtige Dimension, die über die eigentlichen Grenzen eines bilateralen Vertrages hinausgeht.
Der Bereich der Daseinsvorsorge ist durch eine breite horizontale Ausnahme geschützt, das Konzept von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge ist hier mit Bedacht so breit wie möglich gefasst worden. Diese Ausnahme weist explizit darauf hin, dass es den Vertragsparteien vollkommen frei steht, öffentliche Güter und Umweltdienstleistungen (diese umfassen auch die Wasserver‐ und ‐entsorgung) so zu regulieren, dass sie von einem öffentlichen Anbieter monopolisiert werden. Aus unserer Sicht gibt es daher keinerlei Risiko für die Daseinsvorsorge, auch nicht für die Wasserversorgung!
Im Bereich der Nachhaltigkeit sehen wir große Probleme durch die Tatsache, dass Japan zwei ILO-Kernarbeitsnormen bisher nicht ratifiziert hat. Insbesondere die Konvention 111, die Nichtdiskriminierungsvorschrift am Arbeitsplatz, muss zügig ratifiziert und umgesetzt werden. Außerdem sehen wir den Durchsetzungsmechanismus des Nachhaltigkeitskapitels nicht hinreichend entwickelt. Es gilt hier in einem ersten Schritt einen neuen, effektiveren europäischen Ansatz zu entwickeln und diesen dann in bestehende Abkommen einzufügen. Dieser EU‐interne Prozess ist noch nicht abgeschlossen, denn auf europäischer Seite gibt es bislang keine eindeutige Positionierung, wie so ein Durchsetzungsmechanismus auszusehen hat. Wir werden alle parlamentarischen Möglichkeiten nutzen, hier Druck auszuüben und ein gutes Ergebnis zu erreichen.
Wir werden in den kommenden Monaten das Abkommen im Europäischen Parlament vor allem im federführenden Ausschuss für internationalen Handel weiter analysieren, Gespräche und Debatten mit Experten in Europa führen und auch in Japan mit Vertretern der Regierung, Gewerkschaften, Verbrauchern und der Wirtschaft den Austausch suchen. Wir haben Interesse an einer ehrlichen Debatte, die für die Entscheidung für oder wider ein solches Abkommen unabdingbar ist. Die Grundlage für diese Debatte muss natürlich der Text des Abkommens sein.
Wir setzen uns innerhalb der EU mit vielen Menschen auseinander, die ein anderes Welt‐ und Gesellschaftsbild und dementsprechend andere Zielsetzungen, auch in internationalen Verträgen verfolgen. Und wir verhandeln mit selbstbewussten Nationen, die sich, genauso wenig wie wir, vorschreiben lassen, was in einem Abkommen zu stehen hat. Die Alternative zu einem guten Abkommen muss deswegen auch Beachtung finden.
Diese Alternative wäre kein Abkommen. Und damit keine Basis für vertiefte Kooperation, kein Fundament um auch über unangenehme Themen zu sprechen, kein weiterer Hebel um ein Land in Reformprozessen zu unterstützen oder diese sogar anzuschieben. Mit einem fairen Abkommen können wir Entwicklungen beeinflussen und ein Zeichen für einen fairen und regelbasierten Handel setzen. Diese Möglichkeiten sollte man nach meiner Ansicht nicht leichtfertig verspielen.
Mit freundlichen Grüßen
Ulrike Rodust