Frage an Ulrike Rodust von Annette N. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geeherte Frau Rodust,
ich bin da auf eine sehr interessante und erschreckende Internetseite gestoßen.
Dort wird behauptet, das große Teile der Gesetzesvorlagen von der Internetlobby geschrieben und auch übernommen werden.Ein Unterfangen, das weitreichende Konsequenzen hat für fast alle Bereiche des öffentlichen Lebens. Hier geht es nun um den Datenschutz. Es sind die “Spielregeln” für die Datenverarbeitung im Internet, die Geschäftsgrundlage für “Big Data”. Banken, Versicherungen, Krankenkassen sind davon betroffen, an vorderster Front Web-Giganten wie Google, Facebook, Microsoft, Apple, Amazon oder Ebay. Ist das den Entscheidungsträgern bewußt ? Wissen sie, was sie da abstimmen?
Meine Frage:
„Wie verteidigen Sie mein Grundrecht auf Datenschutz?“
Die nächsten parlamentarischen Ausschüsse verabschieden ihre Positionen nächste Woche, am 20./21. Februar. Der Hauptausschuss trifft sich am 24./25. April. Wenn es gut läuft, könnte über die neue Verordnung noch vor der Sommerpause im Juni/Juli im EU-Parlament abgestimmt werden.
Herzliche Grüße Annette Neumann
Sehr geehrte Frau Neumann,
vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihr Interesse am wichtigen Thema des Datenschutzes. Der Beginn 2012 von Justizkommissarin Viviane Reding vorgelegte Gesetzesentwurf zur Reform des Datenschutzes in Europa war dringend notwendig. Die derzeitigen Bestimmungen stammen aus dem Jahr 1995 und entsprechen nicht den Anforderungen des digitalen Zeitalters und dem damit verbundenen Datenverkehr. Für die vielen innerhalb aber auch außerhalb der EU gespeicherten Daten muss ein moderner Rechtsrahmen geschaffen werden, um einerseits die Grundfreiheiten der EU-Bürger zu schützen, andererseits aber auch eine Einschränkung der freien Meinungsäußerung zu vermeiden.
Bei der Vorbereitung der Datenschutzreform hat die Kommission die verschiedenen Interessengruppen angehört und die Auswirkungen einer Reform analysiert. Wie bei fast jedem Gesetzgebungsprozess geschah dies in erster Linie durch eine öffentliche Anhörung, an der zahlreiche Bürger, Interessenvertreter von Nichtregierungsorganisationen und Wirtschaft sowie staatliche Einrichtungen aus den Mitgliedstaaten teilgenommen haben. Die Liste der Beiträge ist unter folgendem Link öffentlich einzusehen:
http://ec.europa.eu/justice/newsroom/data-protection/opinion/101104_en.htm
Seit der Veröffentlichung des Kommissionsvorschlags und die Diskussion im Parlament begonnen hat, haben auch meine KollegInnen aus dem zuständigen Fachausschuss zahlreiche Gespräche mit Interessenvertretern über die Datenschutzreform geführt. Neben Unternehmen haben auch viele Verbraucherschützer und Nichtregierungsorganisationen Kontakt aufgenommen, um ihre Sichtweise zu erläutern. Diese Informationen und Gespräche helfen den KollegInnen, besser abzuschätzen, welche Schwierigkeiten bei der Umsetzung der geplanten Bestimmungen auftreten können. Insofern ist es grundsätzlich in Ordnung, wenn Abgeordnete auch die Positionen von Interessenvertretern bei ihrer Gesetzesarbeit berücksichtigen. Trotzdem dürfen Lobbyisten nicht die Arbeit der gewählten Vertreter übernehmen und direkt Änderung an Gesetzen einbringen - die Verantwortung für Änderungsanträge sollte immer bei den Abgeordneten selbst liegen.
Keinesfalls dürfen bei der Datenschutzreform einseitig die reinen Profit-Interessen großer Unternehmen berücksichtigt werden. Wir Sozialdemokraten setzen uns dafür ein, dass Unternehmen nicht auf Kosten der Privatsphäre Geschäftsmodelle entwickeln. Datenschutz ist schon heute unverzichtbar. Das gilt für den Schutz von Bankdaten und Betriebsgeheimnissen - und muss ganz selbstverständlich auch für den Schutz persönlicher Daten gelten. Wir alle können davon profitieren, wenn Bürgerinnen und Bürger aufgrund von strengen Datenschutzbestimmungen darauf vertrauen können, dass Unternehmen verantwortungsvoll mit ihren Daten umgehen.
Daher sind unsere Kernforderungen, dass Daten nur unter Einwilligung und mit konkret benanntem Zweck gespeichert werden. Außerdem sollte gewährleistet sein, dass Daten der EU-Bürger gelöscht werden, wenn der Zweck der Speicherung nicht mehr gegeben ist. Auch die gezielte Analyse und Bewertung von personenbezogenen Daten - das sogenannte Profiling - muss eingeschränkt werden. Ganz besonders gilt das im Fall von Kindern, für die wir SPD-Abgeordnete ein vollständiges Verbot des Profilings fordern. Zur effektiven Umsetzung müssen diese Regeln auch für EU-Bürger greifen, wenn die Unternehmen ihren Sitz nicht in der EU haben. Außerdem bedarf es der Möglichkeit, Verstöße künftig mit hohen Bußgeldern belegen zu können.
Darüber hinaus ist es uns Sozialdemokraten besonders wichtig, dass Datenschutz auch als Arbeitnehmerrecht verstanden wird. Beschäftigte müssen sich darauf verlassen können, dass ihre persönlichen Daten wie Nachweise über Fehlzeiten oder ärztliche Atteste bei ihrem Arbeitgeber sicher aufgehoben sind. Die Forderung, EU-weit für alle Unternehmen und Behörden verbindlich Datenschutzbeauftragte einzuführen, ist deshalb zu unterstützen. Ebenso wichtig ist es, dass staatliche Institutionen - und auch die Institutionen der EU - von der Datenschutzreform erfasst sind. Auch der Zugriff von Strafverfolgungsbehörden auf personenbezogene Daten sollte streng geregelt werden. Zur Unschuldsvermutung und dem Prinzip der Resozialisierung gehört, dass die Daten von Beschuldigten während strafrechtlicher Ermittlungen, in Gerichtsverfahren sowie im notwendigen Umfang auch danach geschützt werden.
Nur wenn persönliche Daten in all diesen Bereichen - privat, beruflich und im Umgang mit Behörden - umfassend geschützt sind, haben wir für die europaweite Durchsetzung des Grundrechts auf Datenschutz viel erreicht. Ich kann also deutlich sagen, dass uns bewusst ist, worüber wir abstimmen und dass wir alles daran setzen, Ihre Grundrechte ausreichend zu schützen.
Ich hoffe, diese Antwort hilft Ihnen weiter. Ich stehe Ihnen für eventuelle Rückfragen und Anregungen natürlich sehr gern weiter zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen,
Ulrike Rodust