Frage an Ulrike Rodust von Heinz W. bezüglich Finanzen
Hallo Ulrike!
Auf dem Treffen von 60Plus in Neumünster habe ich dein Grußwort gelesen und dir hierzu geschrieben.
Es ist schon ein starkes Stück hierauf keine Reaktion zu bekommen.
Ich schreibe nun über den Weg LobbyControl nochmal.
Mir ist nicht mehr einsichtlich, wie und warum ich die SPD in Land, Bund, Europa unterstützen soll.
Wetten zu verkaufen und dafür Provisionen einzustreichen kann nicht Aufgabe einer Bank sein und auch nicht einer Sparkasse. Das gehört verboten. Die Rolle der SPD entspricht nicht meinem Selbstverständnis als Sozialdemokrat.
Die Frage der Offenlegung oder Weitergabe von Provisionen bei "Finanzprodukten" - die es für mich nicht geben darf - scheint mir ein tiefer gehendes Missverständnis der Sozialdemokratie zu sein.
Viele Grüße
Heinz
Bester Heinz,
ich nehme an, Du spielst in Deiner Anfrage auf das sog. MiFID II-Gesetzespaket an, über das wir Ende Oktober im Europäischen Parlament abgestimmt haben.
Ziel des MiFID-II-Pakets ist es, u.a. den Anlegerschutz zu stärken.
Dabei war die Haltung des Europäischen Parlamentes, dass sich künftig kein Anlageberater in Europa ´unabhängig´ nennen darf, wenn er Provisionen von einzelnen Auftraggebern erhält oder deren Anlageprodukte strukturell bevorteilt.
Offen war noch, ob ein sofortiger Systemwechsel hin zu einer reinen Honorarberatung erfolgen soll oder ob die Provisionsberatung als regulierte und transparente Säule weiterhin daneben existieren soll. Nach dreieinhalb Jahren soll die EU-Kommission beide Systeme kritisch auf Funktionsweise und Verbraucherfreundlichkeit überprüfen. Das bestehende Provisionssystem ist für Kunden häufig irreführend und voller Anreize für Fehlsteuerungen. Umgekehrt zeigen Erfahrungen in Großbritannien, wo der Systemwechsel zur reinen Honorarberatung schon erfolgt, dass der Kleinanleger dabei auf der Strecke zu bleiben droht, da Banken Beratungsleistungen nicht mehr flächendeckend anbieten. Bsp.: Banco Santander hat angekündigt, künftig nur noch Anleger mit Spareinlagen von mindestens 25.000 Pfund zu beraten.
Die Position der Sozialdemokraten war bis dato, dass unregulierte Finanzmärkte zu lange freie Bahn hatten, die Finanzlandschaft in einen undurchsichtigen Dschungel aus komplexen Handelsplätzen und unüberschaubaren Finanzprodukten zu verwandeln. Börsen konnten zu Online-Casinos verkommen und Risiken nicht mehr ernsthaft kontrolliert werden. Das muss sich ändern. Das Gesetzespaket ist ein zentraler Schritt, um die Finanzmärkte wieder in den Dienst der Realwirtschaft zu stellen. Die Finanzkrise hat auch gezeigt, dass im System der Provisionsberatung grobe Missstände und Fehlanreize existieren. Die SPD-Europaabgeordneten arbeiten aktiv daran, in partnerschaftlichen Verhandlungen mit den anderen Fraktionen eine Lösung zu finden, die eine transparente Beratung im Interesse des Kunden sicherstellt, bei der sich aber auch der Kleinanleger europaweit auf gute und faire Beratung verlassen kann - unabhängig von seinem Einkommen und Ersparnissen.
Nach der Abstimmung sagte mein Kollege Udo Bullmann, der federführend für die Sozialdemokraten im Wirtschaftsausschuss sitzt: Bei der Anlageberatung für Finanzprodukte stärkt MiFID II den Verbraucherschutz und sichert professionelle Beratung für Kleinsparer. Wer beim Verkauf von Finanzprodukten Provisionen kassiert, darf sich nicht mehr ´unabhängig´ nennen und muss den Kunden darüber informieren. So wird ´unabhängige Beratung´ ein starkes Gütesiegel, nach dem sich Anleger richten können. Die Beratung und der Vertrieb von Finanzprodukten müssen grundlegend reformiert werden. Finanzberatung muss besser und transparenter werden, aber nicht einfach teurer. Eliteberatung nur für Besserverdiener kann nicht das Ziel sein. Der Einstieg in eine reine Honorarberatung, wie von Grünen und britischen Konservativen gewünscht, gefährdet das flächendeckende Angebot professioneller Beratung für alle. Ein Zwangshonorar für Kleinsparer lehnen wir als unsozial ab.
Mit freundlichen Grüßen
Ulrike Rodust