Frage an Ulrike Merten von Horst W. bezüglich Verkehr
Sehr geehrte Frau Merten,
was hat Sie eigentlich persönlich bewogen, der Bahnprivatisierung zuzustimmen, wohlwissend, daß die Mehrheit der Bevölkerung dagegen ist und auch einige Ihrer Parteigenossen dagegen gestimmt haben?
Die Bahn ist schon jetzt eines der kundenunfreundlichsten Unternehmen. Private Investoren werden diesen Zustand aus Profitgründen nur noch verschlimmern.
Mit freundlichen Grüßen,
Horst Wörmann
Sehr geehrter Herr Wörmann,
vielen Dank für Ihre Frage. In der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands wurde in den vergangenen Monaten intensiv über die Zukunft der Deutschen Bahn und eines leistungsfähigen und bedarfsgerechten Schienenverkehrs für die Menschen in unserem Land diskutiert. Im Dialog mit Gewerkschaften, Umwelt- und Verkehrsverbänden und vielen Bürgern, die zu Recht ein hohes Interesse an einer Bahn mit Zukunft haben, wurde in der im SPD-Parteivorstand eingerichteten Arbeitsgruppe zur Bahnreform über Sinn und Unsinn einer Teilprivatisierung und verschiedene Modelle der Kapitalbeteiligung beraten. Diese Diskussion war und ist außerordentlich gerechtfertigt: der Schienenverkehr und damit die Deutsche Bahn AG sind ein entscheidender Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge, den die SPD erhalten und verbessern will. Die Bahn darf kein Spekulationsobjekt sein.
Die Bahn ist für viele Menschen ein unverzichtbarer Teil ihres Lebens. Ohne ein verlässliches Angebot im Nah- und Fernverkehr wären viele Menschen in Deutschland weit weniger mobil. Gleichzeitig ist der Transport von Gütern auf der Schiene ein umweltfreundlicher Beitrag zu Wachstum und Wohlstand in unserem Land.
Ich begrüße das beschlossene Modell ausdrücklich. Durch die Begrenzung der Beteiligung privater Investoren auf maximal 24,9 Prozent und den Verbleib der Infrastruktur bei der Bahn AG wird verhindert, dass diese Einfluss auf strategische Unternehmensfragen haben. So wird es nicht passieren können, dass die in erster Linie an Profiten interessierten Investoren sich beispielsweise für die Einstellung unrentabler Strecken stark machen. Dies war der für mich entscheidende Grund, dem Gesetzentwurf zuzustimmen. Daher stehe ich auch dazu, entgegen der von Forsa ermittelten Bevölkerungsmehrheit zugestimmt zu haben.
Der Verzicht auf eine Teilprivatisierung der DB AG ist aus unserer Sicht keine Alternative. Denn das Unternehmen hat Verbindlichkeiten von fast 20 Milliarden Euro und es muss diese abbauen. Wir wollen weitere Investitionen finanzieren und so Arbeitsplätze langfristig sichern bzw. neue schaffen und auch international wettbewerbsfähig bleiben. Zum Vergleich: In den letzten 24 Jahren des Bestehens der Bundesbahn bis 1994 wurden lediglich 50 Milliarden Euro investiert; dagegen wurde das System Schiene allein im Zeitraum von 1994 bis 2005 mit rund 92 Milliarden Euro im Rekordtempo modernisiert. Eine Fortsetzung dieser Investitionsoffensive ist ohne privates Kapital nicht möglich. Das Geld der Investoren -- gerechnet wird hier mit mehreren Milliarden Euro -- wird zum Teil zur Erhöhung des Eigenkapitals der DB AG genutzt werden, ein Drittel des Geldes wird aber direkt in ein Investitionsprogramm "Zukunft der Bahn -- Bahn der Zukunft" fließen, und zum Beispiel für den weiteren Streckenausbau, verbesserten Lärmschutz und zur Modernisierung von Bahnhöfen.
Fest steht: eine stärkere Beteiligung Privater als im Strukturmodell sind mit uns im Interesse der Bahnkunden und der Beschäftigten nicht zu machen!
Mit freundlichen Grüßen,
Ulrike Merten