Ulrike Merten
SPD
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Frage von Gerhard R. •

Frage an Ulrike Merten von Gerhard R. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Merten,

da Sie Vorsitzende des Verteidigungsausschusses sind und der SPD angehören, sind Ihre Auskünfte in Abgeordnetenwatch bundesweit bedeutsam.

Es geht um die Aufstockung auf 4.500 deutsche Soldaten im Afghanistan-Krieg.

Laut SPD-Chef Beck ist dies "außerhalb dessen, was für uns vorstellbar ist". Dagegen erklärte der SPD-Fraktionschef Struck: Wenn der Generalinspekteur erklärt, daß er mehr Soldaten braucht, hat er meine Rückendeckung".

Halten Sie eine Anhebung auf 4.500 Mann für vernünftig?
Wird sich hier Parteichef Beck nicht durchsetzen können?

Haben die Amerikaner mit ihrer einseitigen Nahostpolititik (ermöglicht Israel die Fortsetzung der Besiedelung des Westjordanlandes) den Terrorismus mit(!)verursacht?
Kann man mit Krieg den Terrorismus bekämpfen?

Wenn es tatsächlich militärische Erfolge in Afghanistan geben sollte, weichen die Taliban nach Pakistan aus und kehren nach dem Abzug der internationalen Streitkräfte wieder zurück.
Wie lange soll die Bundeswehr nach Ihrer Einschätzung in Afghanistan bleiben?
Denken Sie an 20 Jahre, 40 Jahre oder mehr?

Was halten Sie davon, ein neues Mandat auf 18 Monate auszuweiten?

Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Reth

Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Reth,

seit Ende Januar gerät der Nato-geführte ISAF-Einsatz in Afghanistan wieder verstärkt in den Focus. Einerseits von den Bürgerinnen und Bürgern aller beteiligten Nato-Staaten aufmerksam begleitet, insbesondere hinsichtlich seines Ende. Andererseits steigt der Druck auf Deutschland, noch mehr Aufgaben zu übernehmen. Stichwörter: Schnelle Eingreiftruppe (QRF), Mandatsobergrenzen & -dauer, Einsatzregion. Eine Einigung gibt es inzwischen darüber, dass die Bundeswehr ab Jahresmitte die QRF für Nordafghanistan, wo Deutschland auch das Regionalkommando führt, stellen wird. Eine Änderung des Bundestagsmandats ist dafür nicht notwendig, da das Einsatzgebiet im Kern auf den Norden begrenzt bleibt und für diese Aufgabe zumindest noch Spielraum bei der personellen Obergrenze besteht.

Dennoch muss auch konstatiert werden, dass die Obergrenze mit 3.500 Soldaten auf Rand genäht ist und das nicht erst seit der zugesagten Übernahme von QRF. Auch im Vergleich mit den anderen Mandaten ist ISAF der Einsatz mit dem geringsten personellen Spielraum. 3.500 erlaubt das Mandat, rund 3.300 Bundeswehrangehörige haben wir bereits vor Ort. Zum Vergleich KFOR: Im Kosovo beläuft sich die Mandatsobergrenze auf 8.500 Soldaten. Dort sind momentan 2.600 (UNIFIL Libanon 1.400 / 630, OEF 1.400 / 260). Hier stellt sich für mich als Verteidigungspolitikerin die Frage, was ist, wenn etwas passiert? Und bereits heute deuten sich weitere Bedarfe an. So ist es angesichts der gestiegenen Bedrohungslage zum Eigenschutz angezeigt, das Feldlager in Kunduz zu verstärken (erst am Dienstag wurde zuletzt beschossen); muss der Abzug tschechischer & dänischer Kräfte aus dem regionalen Aufbauteam (PRT) in Feyzabad kompensiert werden und haben wir geplant unsere Leistungen bei der Ausbildung von afghanischen Streitkräften und Polizisten zu verstärken. Wie gesagt, bei der augenblicklichen Sicherheitslage haben wir in Afghanistan kaum personelle Reserven (z. B. zur Eigensicherung). Und ein Jahr Mandatslaufzeit kann lang sein. Vor diesem Hintergrund ist die laufende öffentliche Befassung vorprogrammiert. Deutschland resp. der Bundestag hat sich seit 2001 (Afghanistankonferenz auf dem Petersberg) für den Einsatz, der den Kampf gegen den Terrorismus und den Aufbau Afghanistans beinhaltet, ausgesprochen. Vor dem Hintergrund sehe ich es als Aufgabe für uns Verteidigungspolitiker dafür zu sorgen, dass unsere Bundeswehrsoldaten über die notwendige Ausrüstung und Ausbildung sowie Schutz & Reserve verfügen, um ihren Auftrag ausführen zu können.

Ich habe daher, dass für Dienstag zwischen den Fraktions- & Regierungsspitzen (BMVg, AA) anberaumte Treffen sehr begrüßt, Lösungen zu finden, die wir bei der nächsten anstehenden Mandatsverlängerung mehrheitsfähig im Bundestag verabschieden können. Dass das Treffen weitgehend ergebnislos verlaufen ist resp. Stillschweigen vereinbart wurde, hatte ich nicht erwartet.
Ein weiterer Gesprächspunkt war außerdem die Laufzeit, denn dass 2008 zu beschließende Mandat würde genau zur Bundestagswahl resp. in der Regierungsbildung 2009 auslaufen. Für mich spräche viel dafür, die Laufzeit einmalig zu verlängern oder die für Herbst anstehende Befassung vorzuziehen. Die neue Regierung hätte im ersteren Fall dann genug Zeit, sich mit dem Einsatz & seinen Perspektiven angemessen auseinanderzusetzen. Und der ISAF-Einsatz würde damit auch keiner Partei für den Wahlkampf zur Verfügung stehen.

Soweit Sie die amerikanische Nahostpolitik als einseitig bezeichnen, gebe ich doch zu bedenken, dass sich gerade der amtierende US-Präsident ausdrücklich für eine Zweistaatlichkeit und für das Ende der Siedlungspolitik ausspricht und auch aktiv dafür einsetzt. Dass er sich dabei auch immer für das Existenzrecht Israels ausspricht trifft meine Zustimmung.

Ich gehe von keinem kurzfristigen Ende unseres Engagements in Afghanistan aus. Wir haben viele Erfolge zu verbuchen, doch noch mehr Herausforderungen zu bestehen, um die Ziele der UN-Mission (u. a. Aufbau von Polizei & Streitkräften, funktionierende Verwaltung) zu erfüllen. Die sich selbst tragende Sicherheitsstruktur zu erreichen ist nicht nur Aufgabe der Bundeswehr sondern die des gesamten Bündnisses.

Mit freundlichem Gruß
Ulrike Merten