Frage an Ulrike Merten von Jürgen T. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Merten,
wie verträgt sich die geplante Diätenerhöhung der Abgeordneten des Deutschen Bundestages mit dem Sachverhalt, dass z. B. bei den Bundesbeamten folgende Kürzungen ihrer Bezüge vorgenommen wurden:
1.
Streichung des Urlaubsgeldes.
2.
Kürzung des Weihnachtsgeldes auf zunächst 60 und dann 30%.
3.
Gehaltskürzung durch Verlängerung der Wochenarbeitszeit von 38,5 auf 40 bzw. 41 Stunden (nicht vergütete Mehrarbeit).
Welches Ausmaß die o. g. Kürzungen effektiv haben, rechne ich hier nicht vor, da bei den Bundesbeamten nur eine Rückkehr zur finanziellen Normalität akzeptabel ist. Und zwar, bevor Sie und Ihre Kollegen sich eine Erhöhung Ihrer Diäten in der Größenordnung von etwa 10% selbst genehmigen.
Zum Ausgleich der bisherigen finanziellen Kürzungen der Beamtenbesoldung in den letzten Jahren wäre natürlich auch hier eine entsprechende Erhöhung der Bezüge zu begrüßen.
Als Antwort erwarte ich keine Belehrung, wer im Einzelnen für die geschilderten Missstände verantwortlich ist, sondern eine konkrete Auskunft darüber, wann die o.g. finanziellen Besoldungseinschnitte schnellstens wieder korrigiert werden.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Tews
Sehr geehrter Herr Tews,
vielen Dank für Ihre neuerliche Anfrage bei Abgeordnetenwatch, dieses Mal zum Thema Diätenerhöhung & Altersentschädigung von Bundestagsabgeordneten.
In diesen Tagen wird diskutieren und verabschieden wir öffentlich im Deutschen Bundestag das Einkommen und die Altersversorgung der Abgeordneten. Das finde ich sehr gut, weil Transparenz noch niemand geschadet hat. Und wer ein öffentliches Amt wahrnimmt, muss sich auch Fragen „zum lieben Geld“ gefallen lassen.
Abgeordnete haben nach Artikel 48 Absatz 3 Satz 1 Grundgesetz (GG) und der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung („Diät“) und eine entsprechende Altersentschädigung (Ruhegeld), die der Besoldung folgt. Beide wurden zuletzt zum 1. Januar 2003 angehoben. Die Bundestagsabgeordneten erhalten monatlich ein zu versteuerndes „Gehalt“ von derzeit 7.009 Euro brutto.
Das ist ein guter Verdienst. Die Abgeordneten verdienen damit mehr als viele ihrer Wählerinnen und Wähler und weniger als die meisten Bürgermeister, Gewerkschafter, Führungskräfte, Verbandsführer usw.. Dazu muss man gar nicht auf die höchsten Hierarchiestufen schauen. Trotzdem: kein Abgeordneter leidet an Armut.
Niemand macht Politik - oder sollte Politik machen -, weil er oder sie Geld verdienen will. Und jedermann und jedefrau kann in die Berufspolitik gehen. Wenn unsere Parlamente eine möglichste große Breite der verschiedenen Berufe abbildet, ist für die parlamentarische Demokratie schon die größte Hürde genommen
Bei der Höhe der Abgeordnetenentschädigung ist vor allem die Frage zu beantworten, was ist angemessen. Was ist angemessen für einen Wahlkreisabgeordneten oder eine Wahlkreisabgeordnete, die die Interessen von ca. 250.000 Bürgerinnen und Bürgern vertreten? Was ist angemessen für jede und jeden der über 600 Abgeordneten, die in unserem Land darüber entscheiden, ob deutsche Soldaten ins Ausland geschickt werden (Beispiel Kosovo, Afghanistan) oder nicht (Beispiel Irak). Was ist angemessen für die Abgeordneten, die über die Zukunft unserer Kranken- und Rentenversicherung, über die Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik und darüber entscheiden, welche Steuern wir zahlen sollen.
Mit der Änderung des Abgeordnetengesetzes im Jahre 1995 wurde der Orientierungsrahmen für die Abgeordnetenentschädigung den Richterbezügen folgend genau mit einem Zwölftel der Jahresbezüge der Beamtenbesoldungsgruppe B6 und der Richterbesoldungsgruppe R6 vorgegeben. Diese Bezugsgrößen wurden bisher nie erreicht. Werden, wie heute im Gesetz vorgesehen, die Sonderzahlungen anteilig berücksichtigt, ist die Differenz sogar noch etwas größer (ca. 900 Euro monatlich).
Es war richtig, dass die Abgeordneten wegen der in den letzten Jahren angespannten wirtschaftlichen Lage die Entschädigung und die Altersentschädigung seit dem Jahre 2003 nicht angehoben haben. Jetzt wächst die Wirtschaft. Die Arbeitslosigkeit sinkt. Löhne und Gehälter steigen allmählich wieder.
Wir wollen daher die Kritik aufgreifen und folgende Änderungen vornehmen:
1. Absenkung des Altersversorgungsanspruches
Der Steigerungssatz der Altersentschädigung, der bis 1995 noch 4 Prozent der Abgeordnetenentschädigung pro Jahr der Mitgliedschaft im Bundestag betrug, wird also von jetzt 3 Prozent weiter auf 2,5 Prozent herabgesenkt. Der Höchstsatz der Altersentschädigung von nunmehr 67,5 Prozent der Abgeordnetenentschädigung wird künftig erst nach 27 und nicht wie bisher bereits nach 23 Mandatsjahren erreicht. (Den Höchstanspruch erwerben aber nur wenige Abgeordnete, da die meisten Abgeordneten dem Bundestag nur zwei bis drei Legislaturperioden angehören). Ein Versorgungsanspruch im Alter entsteht nach dem Konzept der lückenfüllenden Teilversorgung nach dem ersten Jahr der Mitgliedschaft.
Darüber hinaus wird die Anhebung der Altersgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung („Rente mit 67“) mit der stufenweisen Anhebung der Altersgrenze für die Altersentschädigung von dem 65. Lebensjahr auf das 67. Lebensjahr wirkungsgleich umgesetzt.
2. Dauerhafter Orientierungsmaßstab für die Entschädigung
Um dem in weiten Kreisen der Bevölkerung verbreiteten Wunsch nachzukommen, dass die Abgeordneten nicht selbst nach unverständlichen Maßstäben über die Höhe der Entschädigung entscheiden sollen und gleichzeitig der Maßgabe des Bundesverfassungsgerichtes zu entsprechen, dass die Abgeordneten eben selbst über ihre Entschädigung entscheiden müssen, soll die Abgeordnetenentschädigung in zwei Schritten an die Vergütung der Bürgermeister von Städten und von Gemeinden mit 50 bis 100 Tausend Einwohnern und der einfachen Bundesrichter angepasst werden. Sobald die Orientierungsgröße und die Abgeordnetenentschädigung deckungsgleich sind, kann der Bundestag künftig den Wünschen der Bevölkerung und den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes gleichzeitig entsprechen: Eine Anhebung der Entschädigung erfolgt nur, wenn sich die Vergütung der mit den Abgeordneten vergleichbaren Bürgermeister und der Bundesrichter ändert. Und der Bundestag beschließt darüber jedes Mal neu in einem eigenen Gesetz vor den Augen der Öffentlichkeit.
Als Orientierungsgröße für die Abgeordnetenschädigung soll aber künftig nur noch das monatliche Grundgehalt der kommunalen Wahlbeamten und Bundesrichter ohne die anteiligen Sonderzahlungen gelten. Deshalb wird die gesetzliche Orientierungsgröße von „einem Zwölftel der Jahresbezüge“ auf die „Monatsbezüge“ abgesenkt.
Übrigens: Die Mehrkosten für die Erhöhung der Abgeordnetenentschädigung belaufen sich im Jahr 2008 auf rund 2,4 Mio. Euro und ab dem Jahr 2009 auf weitere rund 2,4 Mio. Euro jährlich. Bei den Versorgungsaufwendungen wird die Herabsetzung des Steigerungssatzes für die Altersentschädigung langfristig zu einem Einsparvolumen führen.
Zu Ihren Fragen: Leider kann ich keinen Bezug zu den Diäten erkennen. Da Bundestagsabgeordnete keinerlei Sonderzahlungen (Urlaubs- / Weihnachtsgeld, 13. Monatsgehalt) erhalten. Und was die Wochenarbeitszeit betrifft, kann ich einen Maßstab von 38 oder 40 Stunden an meine Arbeit nicht anlegen, das sich die mit dem Mandat verbundenen Aufgaben im Bundestag resp. in der Fraktions- & Ausschussarbeit wie auch im Wahlkreis für die Bürgerinnen und Bürger in dem Zeitumfang nicht erfüllen lassen.
Mit freundlichen Grüßen
Ulrike Merten, MdB