Frage an Ulrike Merten von Klaus G. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Merten,
ich verstehe die Familienpolitik der SPD nicht mehr, vielleicht können Sie mir diese verständlich machen. Als Eltern von 4 Kindern versuchen wir mehr schlecht als recht über die Runden zu kommen. Mit Zustimmung der SPD wurde der Bezug von Kindergeld auf das 25te Lebensjahr begrenzt, schlecht für Kinder die vor dem Studium eine Ausbildung gemacht haben. (Angeblich als Beitrag zur Finanzierung des Elterngeldes). Jetzt schlägt Ihr Vorsitzender vor auf die Erhöhung des Kindergeldes im Jahre 2009 zu verzichten, es ist zwar ein minimaler Betrag, vielleicht kann dieser aber für eine kinderreiche Familie etwas bedeuten. Auch diesmal für eine soziale Errungenschaft, und zwar der Schaffung von Kindertagesplätzen.
Was ist bitteschön da noch sozialdemokratisch zu nennen???
mit freundlichen Grüßen
K. Grimm
Sehr geehrter Herr Grimm, sehr geehrte Frau Grimm,
vorab möchte ich Ihnen meine Anerkennung für Ihre die Erziehung Ihrer vier Kinder aussprechen. Als Mutter weiß ich, dass sie Geschenk und Freude einerseits und viel Verantwortung und Einsatz andererseits erfordern.
Gerne antworte ich Ihnen auf Ihre kritischen Anmerkungen zu den Finanzierungsvorschlägen der SPD für mehr Bildung und Betreuung unserer großen und kleinen Kinder.
Für uns Sozialdemokraten ist der Ausbau von Bildung und Betreuung die familienpolitische Aufgabe Nummer eins. Denn der Ausbau des Angebots an Kinderbetreuung ist ein wirkungsvoller Schlüssel zur
· Verbesserung der Bildungs- und damit Zukunftschancen unserer Kinder,
· besseren Integration von Kindern aus sozial benachteiligten Familien,
· besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf und
· nachhaltigen Armutsvermeidung.
Hier sehen wir das Geld besser angelegt.
Deutschland gibt im internationalen Vergleich zwar nicht zu wenig aus für die Familien. Dass die finanzielle Förderung von Familien im internationalen Vergleich gut ist, geht auf die SPD zurück. Denn bereits in der vergangenen Legislaturperiode haben wir begonnen, in der Familienpolitik eine neue Richtung einzuschlagen: Weg von der konservativen, allein auf Geldtransfers ausgerichteten Politik, hin zu einem zukunftsfähigen Mix aus Infrastruktur, Zeit und Geld. Zu letzterem haben wir seit unserem Regierungsantritt im Jahr 1998 das Kindergeld drei Mal deutlich erhöht, insgesamt von 220 DM (~ 105 €) auf 154 Euro. Das entspricht einer Steigerung um rund 37%. Hinzu kommen Investitionen in Milliardenhöhe in die Hochschulen, in Ganztagsschulen, in die Tagesbetreuung (TAG) usw.
Die Politik der SPD daher im Bereich Familie, Kinder und Jugend ausschließlich auf Kürzungen zu reduzieren, möchte ich daher entschieden zurückweisen. Jetzt ist es Zeit für den Ausbau der Infrastruktur. Denn genau die ist die Grundlage für familien- und bildungspolitischen Erfolg. Fatalerweise mangelt es in Deutschland gerade hieran - so lautet auch das Urteil der Unicef-Studie. Andere Länder sind bei gleichem oder geringerem Mitteleinsatz erfolgreicher in puncto Geburtenrate, Armutsvermeidung, Frauenerwerbstätigkeit und Bildungschancen, weil sie ihre Mittel effizienter einsetzen und mehr in eine gute Betreuungs- und Bildungsinfrastruktur investieren. Darum halten wir es für gerechtfertigt, für einen überschaubaren Zeitraum auf eine geringfügige Kindergelderhöhung zu verzichten, um damit endlich beim Ausbau der dringend benötigten Kinderbetreuung voranzukommen. Deshalb wollen wir einmalig die nächste Kindergelderhöhung aussetzen, und zwar um 10 Euro monatlich.
Darüber hinaus senken wir den Freibetrag für Betreuung, Erziehung und Ausbildung um 300 Euro. Dies trifft diejenigen Eltern, die nicht vom Kindergeld, sondern von den kindbezogenen Steuerfreibeträgen profitieren. Dem Ausbau von Krippen und Kindergärten Vorrang einzuräumen, hält mit uns ein Großteil der Bürgerinnen und Bürger für den richtigen Weg. In einer Infratest-dimap-Umfrage von Ende Februar 2007 sprechen sich 51% der Befragten dafür aus, Familien mit einem besseren Betreuungsangebot zu unterstützen. Nur jeweils 18% halten Kindergelderhöhungen oder mehr steuerliche Vergünstigungen für Familien für geboten. Wir schulden unseren Kindern und Enkeln jede Anstrengung für tragfähige, solide und verlässliche öffentliche Finanzen.
Wir wissen, was auf unsere Kinder und Enkelkinder zukommt. Auch in dieser Hinsicht wäre es im Augenblick falsch, die Tatsache zu ignorieren, dass wir 1.500 Milliarden Euro Staatsschulden mit uns herumschleppen, die wir kurz- & mittelfristig nicht abtragen können werden. Unsere politischen Gestaltungsmöglichkeiten sind daher und angesichts millardenschwerer Pflichtaufgaben (z. B. Renten & Pensionen, Krankenversicherung, Zinsen) sind daher heute nicht additiv zu verwirklichen. Für jede gewollte Investition müssen wir abwägen, wo wir an anderer Stelle verzichten können. Dass Verzicht schwerer ist als Gewinn, steht außer Frage. Den politischen Mut zum Handeln dennoch aufzubringen, gehört zu meinem politischen Selbstverständnis. Es war - wieder einmal - die SPD, die anders als die Union nicht nur ihre Wünsche für eine vorwärts gewandte Familien- ja und auch Frauenpolitik vorgebracht hat, sondern auch Vorschläge der Finanzierung. Die bleibt die Union bis heute schuldig.
PS: In dem Zusammenhang darf ich Sie herzlich am 17.04.2007, ab 18:00 Uhr nach Bornheim in die Mediothek einladen, wo ich im Rahmen der Veranstaltungsreihe "SPD-Bundestagsfraktion vor Ort" gemeinsam mit meinem Bonner Kollegen Ulrich Kelber zum Thema "Jugendpolitik vor Ort" einlade. Referieren werden die familien- & jugendpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion Christel Humme, der Bornheimer Bürgermeister Wolfgang Henseler und Hermann Allroggen, Dezernent für Jugend, Soziales & Gesundheit des RSK.
Mit herzlichem Gruß nach Bornheim
Ulrike Merten