Frage an Ulrike Merten von Stefan Dr. U. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrte Frau Merten,
so im Detail ist mir nicht bekannt, welche militärische Großprojekte die (alte und die jetzige) Bundesregierung zur Zeit finanziert. Es ist mir aber unverständlich, dass heute noch U-Boote geordert, Fregatten auf Kiel gelegt und über 100 Jagdflugzeuge (Eurofighter) gekauft und in Dienst gestellt werden. Wollen Sie den Kampf gegen den Terrorismus mit U-Booten führen? Zudem werden zwei dieser Boote ja noch an einen Staat verschenkt, der eben aktiv noch Krieg mit Splitterbomben gegen unschuldige Menschen geführt hat.
Vielleicht kommen diese Boote gegen die Fregatten Mecklenburg-Vorpommern und Karlsruhe vor dem Libanon zum Einsatz? Zumindest hat ja die befreundete Luftwaffe dort schon Schiffe der Bundesmarine ins Visier genommen. Wenn der Nahe Osten kein Spannungsgebiet ist, dann ist die Welt wohl ein Hort des Friedens! Wissen Sie, seit wann der Kalte Krieg zu Ende gegangen ist? Kommen Sie bitte nicht mit dem Argument der Arbeitsplatzsicherung und Technologiegewinnung. Bedauern Sie bitte nicht die Politikverdrossenheit, die eine Verdrossenheit gegenüber der jetzigen Politikergarde ist. Auch gerade wegen dieser überflüssigen Hochrüstung sollen wir nun auch noch 19 % Mwst. bezahlen?
Es gibt ihn also doch - den Militärisch-Industriellen Komplex (auch in Deutschland) vor dem Herr Eisenhower schon in den sechzigern Jahren gewarnt hat. Oder können Sie mir eine andere Erklärung geben?
Mit freundlichen Grüßen
D. Stefan Ummenhofer
Sehr geehrter Herr Ummenhofer,
ungelöste politische, religiöse, ethnische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Konflikte wirken sich im Verbund mit internationalen Terrorismus und international organisierter Kriminalität unmittelbar auf unsere Sicherheit aus. Das Verständnis von Sicherheit und Verteidigung hat sich geographisch und inhaltlich erweitert.
Dabei verlangt die globale Entwicklung einen umfassenden und breiten Ansatz im Sinne des erweiterten Sicherheitsbegriffes, oder wie es sich heute schon eingebürgert hat, einer „vernetzten Sicherheitspolitik“. Denn neben den klassischen Feldern der Außen- und Sicherheitspolitik müssen auch wirtschafts- und finanzpolitische, innenpolitische, staats- und völkerrechtliche, entwicklungspolitische, soziale und ökologische Bereiche einbezogen werden. Denn Sicherheit erwächst nicht allein aus militärischer Stärke. Deshalb müssen wir unsere Fähigkeiten zur Konfliktprävention, Krisenbewältigung und Friedenskonsolidierung weiter ausbauen.
Die Bundesregierung hat deshalb im Mai 2004 den Aktionsplan „Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung“ beschlossen. Durch eine stärker präventiv ausgerichtete Sicherheitspolitik soll damit das Risiko krisenhafter Entwicklungen und damit die Notwendigkeit insbesondere militärischer Krisenreaktionen vermindert werden. Der Begriff „Zivile Krisenreaktion“ schließt die militärische Krisenprävention mit ein. Aufgrund der sicherheitspolitischen Entwicklung wurde der Hauptauftrag der Bundeswehr neu definiert.
Internationale Konfliktverhütung und Krisenbewältigung, einschließlich des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus, stehen nun strukturbestimmend im Focus. Wir müssen Gefährdungen unserer Sicherheit am Entstehungsort begegnen. Mit zivilen Konzepten, aber auch mit militärischen Mitteln sollen Bedrohungen auf Distanz bewältigt werden, bevor sie uns in Deutschland erreichen. Die Bundeswehr wird zunehmend mit Auslandseinsätzen im Rahmen der VN, NATO, EU und OSZE beauftragt und wird gemeinsam mit Streitkräften anderer Nationen eingesetzt. Der Auftrag der Bundeswehr und die neuen Herausforderungen erfordern selbstverständlich auch eine angemessene Ausrüstung.
Streitkräfte brauchen eine moderne materielle Ausstattung, die gleichermaßen die Überlebensfähigkeit der Soldaten, die Wirksamkeit der militärischen Kräfte und das Zusammenwirken mit Verbündeten sichert. Auf dieser Grundlage wird ständig beurteilt, welche Ausrüstung braucht die Bundeswehr, und in welchen Umfang braucht sie sie. Und welche Beschaffungen sind erforderlich, um die Modernisierung der Ausrüstung sicher zustellen.
Dieses schließt ein, das selbstverständlich auch in der Luftwaffe und in der Marine die in die Jahre gekommenen Systeme durch moderne ersetzt werden. Doch ein Blick auf die Umfänge der Beschaffung und Ausrüstungsplanung zeigt auf, dass damit auch eine deutliche Reduktion der Stückzahlen z.B. bei den fliegenden Systemen, angepasst an die neuen Anforderungen, einhergeht. So wird sich innerhalb eines Jahrzehntes der Bestand an Kampfflugzeugen der Bundeswehr durch die Ausmusterung der Phantom F-4 F und den Abbau der Tornados nahezu halbieren. Besonders gravierend zeigt sich die Konsequenz aus der veränderten sicherheitspolitischen Lage bei der Ausrüstung des Heeres. So werden hier innerhalb eines Zeitraumes von 10 Jahren (2013) die Umfangszahlen der Kampfpanzer Leopard und Schützenpanzer Marder auf nahezu 25 Prozent des Bestandes von 2003 reduziert. Dass auch die schwimmenden Systeme der Marine einer ständigen Modernisierung und einer Anpassung an das neue Aufgabenprofil bedürfen, zeigen die Erfahrungen im Einsatz im Auftrag der Vereinten Nationen vor der libanesischen Küste und am Horn von Afrika.
Grundsätzlich ist anzumerken, dass infolge der sicherheitspolitischen Veränderungen in Europa die Verteidigungsausgaben seit 1991 deutlich zurückgeführt wurden. So liegt der Etat des BMVg für das Jahr 2006, ohne Berücksichtigung der Versorgungsausgaben, um rund 3 Milliarden unter dem Plafond des Jahres 1991. Dieses hatte auch erhebliche Auswirkungen auf die wehrtechnische Wirtschaft. So sank der Anteil der Beschäftigten in diesem Wirtschaftszweig in den letzten 15 Jahren um ca. 150.000 auf heute ca. 80.000 Mitarbeiter ab. Besonders erkenne ich an, dass die wehrtechnische Industrie den schwierigen Personalabbau erfolgreich gemeistert hat. Als Sicherheitspolitikerin habe ich ein großes politisches und wirtschaftliches Interesse am Erhalt einer leistungs- und wettbewerbsfähigen nationalen wehrtechnischen Industrie. Denn für die notwendige Ausrüstung der Bundeswehr spielt die deutsche wehrtechnische Industrie eine unverzichtbare Rolle.
Abschließend stelle ich fest: Die zukünftigen Aufgaben der Bundeswehr haben erhebliche Auswirkungen auf die Material- und Ausrüstungsplanung der Bundeswehr. Selbstverständlich haben wir als Parlamentarier alles zu tun, damit die Soldaten die wir in den Einsatz schicken, die hierfür erforderliche moderne Ausrüstung erhalten.
Mit freundlichem Gruß
Ulrike Merten