Frage an Ulrike Merten von Michael Prof. Dr. O. bezüglich Soziale Sicherung
Liebe Frau Merten,
man gewinnt den Eindruck, als stehe die SPD noch immer "wie ein Mann" hinter der "Agenda 2010" von Schröder/Müntefering.
Was diese Agenda mit "Hartz IV" usf. tatsächlich gebracht hat, ist wissenschaftlich allerdings fragwürdig. Klar ist nur, dass die soziale Verunsicherung bis in die Mittelschichten gestiegen ist. Rüttgers Vorschlag das ALG I für Ältere zu verlängern, griff diese Verunsicherung auf, ohne ein Gesamtkonzept vorzulegen.
In diesem Sommer hat der thüringische Ministerpräsident Althaus das Modell eines "Solidarischen Bürgergeldes", also eines Grundeinkommens vorgeschlagen. Haben Sie in der SPD bzw. in der SPD-Fraktion über dieses - m.E. relevante - Modell oder überhaupt über die Idee eines Grundeinkommens diskutiert - oder schottet sich die SPD vor dieser Diskussion ab?
Beste Grüße
Michael Opielka
Sehr geehrter Herr Opielka,
haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema „Bürgergeld“ welches sich insbesondere der Thüringer Ministerpräsidenten Althaus zu Eigen gemacht hat.
Eine längere sozialdemokratische Stellungnahme dazu hat die Thüringer Landtagsfraktion der SPD verfasst, die sie Ihnen sicher gerne zur Verfügung stellen wird.
Im bundesdeutschen Berlin hat das Konzept bislang bei keiner politischen Richtung wirklichen Widerhall gefunden. Auch ich kenne bislang nur die Eckpunkte, nicht das Kleingedruckte. Danach geht Ministerpräsident Althaus von einem Finanzierungsvolumen bei rund 800 Euro Bürgergeld von 60 – 70 Milliarden Euro aus. Dies klingt sicher auf den ersten Blick verführerisch. Zieht man jedoch schon allein die angenommene Gesundheitspauschale von 200 Euro (sehr konservativ geschätzt beim aktuellen Leistungskatalog der Krankenversicherung) und Mietkosten von 300 – 400 Euro pro Person aus, bleibt nicht viel übrig, um auch am soziokulturellen Leben teilzunehmen. Hinzuverdienstmöglichkeiten gibt es erst jenseits der 800 Euro. Bis zu dieser Grenze würden Hinzuverdienste mit dem Bürgergeld verrechnet werden.
Für mich resultiert daraus ein Entgelt, welches ich mit „Ruhigstellprämie“ treffender bezeichnet finde. Meiner Auffassung nach ist das „Bürgergeld“ leistungsfeindlich und unsozial und nicht finanzierbar. Wir Sozialdemokraten setzen uns (siehe Diskussion zu unserem neuen Grundsatzprogramm, Abstimmung darüber im Herbst 2007) vielmehr für den vorsorgenden Sozialstaat und damit auf eine Politik, die in Menschen investiert und soziale Teilhabe ermöglicht.
Ulrike Merten MdB
PS: In dem Zusammenhang empfehle ich Ihnen außerdem die Lektüre eines Artikels in „Die Tageszeitung“ des Sozialdemokraten Oliver Schmolke vom 26.10.2006 (Investitionen statt Alimenten – Das Bürgergeld ist der Abfindungsgroschen von Konservativen. Um die Armut zu bekämpfen, brauchen wir dagegen eine investierende Politik der sozialen Teilhabe)