Frage an Ulrike Höfken-Deipenbrock von Martin E. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrte Frau Höfken-Deipenbrock,
es gibt Bestrebungen, sogar in Ihrer Partei, die Verwendung von sogenanntem Biokraftstoff zu fördern, mit Vorschriften und / oder mit Subventionen. Als ich zum ersten Mal davon hörte, fand ich die Idee ganz charmant: Statt Diesel Rapsöl im Aldi kaufen, Steuern sparen und damit auch noch die Umwelt schonen ...
Inzwischen weiß ich, dass meine erste spontane Freude falsch und naiv war. Schon der Begriff "Bio"- Kraftstoff ist eine Lüge. Denn "Bio" ist eigentlich eine geschützte Bezeichnung für ökologisch erzeugte Lebensmittel. Davon kann bei sogenanntem Biosprit bereits in der Gegenwart keine Rede sein, und ich bin mir sicher, in der Zukunft öffnet sich hier das Tor zu einer Massenproduktion, die nur mit Gentechnik möglich sein wird.
Desweiteren entsteht eine Konkurrenz zwischen Nahrungsmittel erzeugender Landwirtschaft und Brennstoff erzeugender Agrarindustrie. Schon jetzt lassen Demonstrationen in Mexiko uns ahnen, was da auf die Menschheit zukommt. (Dort wird demonstriert wegen steigender Maispreise - denn Mais wird längst nicht mehr nur als Tortilla gegessen, sondern in Automotoren in den USA verbrannt.)
Einige Landwirtschaftsvertreter in Deutschland, die schon immer Masse statt Klasse produzieren wollten, werden zweifellos im Anbau von (heute) Raps oder (zukünftig) Genraps eine Chance für die deutsche Landwirtschaft sehen. Ich glaube aber, dass diese Entwicklung letztlich auch den Bauern nicht dienlich sein wird.
Soweit ich das mitbekomme, gibt es bei den Grünen derzeit eine Diskussion, die darauf hinausläuft, man könne Biosprit akzeptieren, weil dafür irgendwie die Abfälle verwendet werden, die am Feldrand herumliegen. Das halte ich für so naiv wie meine erste Freude über Rapsöl im Tank.
Ich bin der Überzeugung, dass wir heute an einer für die Menschheit wichtigen Weggabelung stehen, und dass in Europa die Grünen dabei eine ganz entscheidende Rolle spielen. Deshalb meine Frage: Wie stehen Sie zum sogenannten Biosprit?
Sehr geehrter Herr Martin Ebbertz,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 14. Februar 2007 zu Biokraftstoffen.
Ich gebe Ihnen Recht, dass wir das Thema Biokraftstoffe kritisch betrachten müssen und nicht in eine ungebremste Euphorie verfallen sollten. Aber Biokraftstoffe grundsätzlich abzulehnen, halte ich für falsch, denn sie können einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten, wenn die richtigen Weichen gestellt werden.
Der Zielkonflikt zwischen Klimaschutz und ausreichender Nahrungsmittelerzeugung ist lösbar. Gerade in Hinblick auf das Ziel der Sicherung der Welternährung ist Klimaschutz ein vordringliches Ziel, denn durch den Kimawandel werden die Möglichkeiten der Nahrungsmittelerzeugung drastisch reduziert. Es drohen furchtbare Missernten durch Dürre und die Zerstörung von hunderttausenden Hektar fruchtbaren Landes durch das Ansteigen der Wasserspiegel.
Zur Bekämpfung des Klimawandels muss eine ambitionierte Bündelung aller CO2-Vermeidungsstrategien organisiert werden. Dabei sind Effizienzstrategien ebenso notwendig wie der Einsatz von Bioenergien.
Bei den Biokraftstoffen müssen wir die bestehenden Ansätze weiterentwickeln und auf die Nutzung der gesamten Pflanze setzen. Neben der hohen CO2 Einsparung ist die Flächeneffizienz hier besonders vorteilhaft bei Biogas. Beim Bioethanol aus Getreide fährt ein Auto mit dem Ertrag von einem Hektar Acker rund 30.000 Kilometer. Mit Biogas sind es 70.000 Kilometer.
Importe von Biodiesel und Bioethanol müssen aus einem nachhaltigen Anbau stammen, sonst kommen wir vom Regen in die Traufe. Dafür brauchen wir unbedingt eine international anerkannte Zertifizierung mit ökologischen und sozialen Kriterien. Zum jetzigen Zeitpunkt erfüllt beispielsweise die indonesische Regierung eine solche Zertifizierung nicht. Deswegen ist ein Import von Palmöl aus Indonesien abzulehnen. Allerdings wird Palmöl aus Indonesien bislang überhaupt nicht für die Kraftstoff-Verwendung, sondern hauptsächlich für die Industrie und Nahrungsmittelverarbeitung eingesetzt.
Ein Zielkonflikt von Bioenergien und Nahrungsmittelproduktion entsteht,wenn der Blick auf die Nutzung von Agrarerzeugnissen wie Raps, Mais oder Getreide verengt wird. Tatsächlich ist das verfügbare Potenzial an Biomasse für die Biokraftstofferzeugung aber sehr viel größer. Mit Ansätzen wie gemeinsamer Anbau von Nahrungs- und Energiepflanzen, Mischkulturen, Bioraffinerie, Ganzpflanzennutzung und der Rest- und Abfallstoffverwertung - die zügig umgesetzt werden müssen- wird ein enormes zusätzliches Potenzial freigesetzt.
Sie erwähnen in Ihrem Schreiben die Demonstrationen aufgrund steigender Mais-(Tortilla-)Preise in Mexiko. Die Ursachen für diese Preissteigerung sind in erster Linie beim Freihandel zu suchen. Der NAFTA-Prozess hat dazu geführt, dass viele mexikanische Landwirte ihre Produktion aufgrund billiger US-Importe, aber auch aufgrund der Lockerung oder gar Aufgabe der staatlichen Preisbindung für Grundnahrungsmittel, eingestellt haben. Seit es nun zu einer verstärkten Verteuerung der Importe gekommen ist, fehlt die eigene Produktion zur Kompensation. Nun erhalten aber die heimischen mexikanischen Produzenten wieder eine wirtschaftliche Chance. Die USA haben gentechnisch veränderten Mais nach Mexiko billig exportiert, welcher dort großflächige gentechnische Verunreinigungen verursacht hat und die Artenvielfalt massiv bedroht. Insofern ist eine Verringerung des Importes von Gen-Mais nach Mexiko für den Schutz von Umwelt und Menschen positiv. Zur Lösung der sozialen Probleme fordern wir fairen Welthandel und die Einhaltung der Leitlinien des „Rechts auf Nahrung“.
Die Behauptung, die Landwirtschaft würde sich Pflanzen zur Herstellung von Biotreibstoffen zuwenden und gleichzeitig den Anbau von Nahrungsmitteln reduzieren und damit verteuern, wird der Gesamtproblematik nicht gerecht. Stattdessen muss man sich verstärkt die Rolle der Fleischwirtschaft anschauen. Die weltweit wachsende Nachfrage führt zu einem steigenden Anbau von Futtermitteln. Allein in Brasilien werden dafür 1,2 Millionen Hektar Fläche genutzt. In Brasilien selber sind durch die Fleischproduktion 100 Millionen Hektar belegt. Für Bioethanol und Zucker aber nur 6 Millionen Hektar.
Ich hoffe, Ihre Frage umfassend beantwortet zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Ulrike Höfken