Frage an Ulrike Flach von Christoph L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Flach,
über abgeordnetenwatch habe ich erfahren, daß Sie gegen die Verhinderung der Privatisierung der Wasserversorgung gestimmt haben. Das entsetzt mich.
Alle Leistungen, die von der öffentlichen Hand in die "freie Wirtschaft" übergegangen sind, sind teurer und schlechter geworden. Es scheint Ihnen nicht klar zu sein, daß die freie Wirtschaft von Gewinninteressen gesteuert wird, was man ihr ja auch nicht vorwerfen kann. Aber der Bürger muss es bezahlen.
Das aber ein so primäres Recht, wie das auf sauberes und bezahlbares Wasser den Gewinninteressen von Wirtschaftsunternehmen geopfert werden soll, halte ich für verantwortungslos, ja für verwerflich. Ich verstehe Ihre Motivation nicht und bitte Sie, mir Ihr Abstimmungsverhalten zu erläutern.
Mit freundlichen Grüßen
Christoph Liebich
Sehr geehrter Herr Liebich,
vielen Dank für Ihre Nachricht vom 19. April, in dem Sie Ihrer Sorge vor einer aus Ihrer Sicht drohenden Privatisierung der Trinkwasserversorgung Ausdruck verleihen.
Ich möchte hiermit die Gelegenheit nutzen und Ihnen dazu nähere Auskunft geben.
Hintergrund der Diskussion, auf die Sie sicherlich anspielen, ist der Richtlinien-Entwurf des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe. Dieser Entwurf zielt darauf, bei der Vergabe von Konzessionen durch die öffentliche Hand mehr Rechtssicherheit und Transparenz herzustellen. Salopp gesprochen: Es soll weniger „gemauschelt“ werden können, wenn es darum geht, dass eine öffentliche Stelle eine Konzession – zum Beispiel für die Wasserversorgung – vergibt. Dies dient nicht nur der Rechtssicherheit, sondern ist auch im Interesse der Bürger und Steuer- bzw. Gebührenzahler. Darum unterstützt die von FDP und CDU/CSU getragene Bundesregierung die Ziele dieser Richtlinie.
Zugleich ist darauf geachtet worden, dass die besondere Rolle der Städte und Gemeinden, die staatliche Organisationshoheit und vor allem das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen gewahrt bleiben. Dies hat die Bundesregierung erfolgreich in den Verhandlungen durchgesetzt. Entgegen anders lautenden Berichten in der Presse bleibt die Wahlfreiheit der Kommunen ausdrücklich gewahrt; es besteht kein Zwang zur Privatisierung, auch nicht „durch die Hintertür“. Auch die kommunale Zusammenarbeit, also zum Beispiel zwischen benachbarten Städten und Gemeinden, ist weiterhin möglich.
Die Besorgnis, dass es durch die Konzessionsrichtlinie zu einer „zwangsweisen Privatisierung“ der Wasserversorgung in unseren Städten und Gemeinden kommen könnte, ist also unbegründet.
Probleme im Detail, darunter insbesondere die Frage, wie bei der interkommunalen Zusammenarbeit vorzugehen ist, wie auch die Gefahr, dass sogenannte „Mehr-Sparten-Stadtwerke“ die Wasserversorgung in eine eigene Gesellschaft auslagern müssten, konnten inzwischen ausgeräumt werden.
Nach mehreren Gesprächen, die auch von FDP-Seite geführt worden sind, hat der EU-Kommissar Barnier bei diesen Fragen nunmehr die Position der Kommunen in vollem Umfang übernommen.
Dass beim Thema „Trinkwasser“ in der Diskussion die Wogen schnell hochschlagen, ist verständlich. Auch Sie haben sich ja die Mühe gemacht, uns dazu zu schreiben. Umso mehr möchte ich für Sachlichkeit und nüchterne Betrachtung der Tatsachen werben. Damit werden wir der Bedeutung, die die Versorgung der Menschen mit sauberem und gesundem Trinkwasser für uns alle hat, am besten gerecht.
Mit freundlichen Grüßen
Ulrike Flach