Frage an Ulrike Flach von Wolfgang Dr. F. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Flach,
als langjähriger Wähler der FDP bin ich überrascht, daß diese sich an handstreichartigen Änderungen der Bewertungsreserven von Lebensversicherungen beteiligt. Als langjährig selbstständiger Hausarzt im Essener Norden ist ein wesentlicher Teil meiner Altersabsicherung in LV festgelegt.
Es kann nicht die Aufgabe der Versicherten sein, die finanzielle Lage der Versicherungsgesellschaften zu stabilisieren.( " Pacta sund servanda" F.-J. Strauß) oder " ohne ersichtlichen Grund diskreminiert die Koalition diese bewährte Form der Altersvorsorge" Prof. A Pinkwart 1/2004 ) Ich bitte Sie daher eindringlich, einmal im Interesse derjenigen abzustimmen, die aus eigener Tasche für ihr Alter vorsorgen; oder habe ich die liberale Politik falsch verstanden?
Mit freundlichen Grüßen
Dr. W. Finke
Sehr geehrter Herr Dr. Finke,
Mit den aktuellen Änderungen des Versicherungsaufsichts-Gesetzes zur Erhaltung garantiesichernder Bewertungsreserven soll der notwendige Interessenausgleich zwischen Alt- und Bestandskunden an das heutige Kapitalmarktumfeld angepasst werden. Die Lebensversicherer können danach zur Sicherstellung der Erfüllbarkeit ihrer Verpflichtungen gegenüber den Versicherten einen sogenannten „Sicherungsbedarf“ von dem den Versicherungsnehmern zustehenden Anteil an den Bewertungsreserven in Abzug bringen. Die bisherige Beteiligung der Versicherungsnehmer an den Bewertungsreserven auf Aktien und Immobilien bleibt von der Neuregelung unberührt.
Meldungen in den Medien, wonach es mit dieser Neuregelung zu einer massiven Verkürzung der Überschusszahlungen auf auslaufende bzw. fällige Versicherungen kommt, sind nicht ohne weiteres nachvollziehbar. Ebenso wenig einzelne Aussagen zu konkreten Verlustbeträgen für einzelne Versicherte. Die bislang vorliegenden Zahlen gehen von einer durchschnittlich geringeren Beteiligung an Bewertungsreserven von bis zu 3% der Versicherungssumme aus. Gleichwohl sind sich die Regierungsparteien darin einig, aktuelle neue Erkenntnisse zu womöglich schwerwiegenderen Einzelfällen bei der Umsetzung der Neuregelung einfließen zu lassen, insbesondere was die Details der Maximalabschläge angeht. Hierzu soll es zeitnah eine Verordnung geben. Auch die FDP ist an einer möglichst für alle Versicherten zufrieden stellenden Lösung interessiert. Unabhängig davon ist aber auch der Hinweis wichtig, dass die Unternehmen selbst unabhängig von jeder Lösung keinen Cent mehr an den Verträgen verdienen. Vergleichbare Medienaussagen sind schlicht irreführend.
Die Neuregelung hat keine Auswirkungen auf die bisher garantierten Teile der Versicherung, wie das Garantiekapital und die bisher erreichte garantierte Überschussbeteiligung, wie sie in der jährlichen Standmitteilung ausgewiesen wird. Betroffen durch die Neuregelung ist allein die zu Vertragsende festzulegende Beteiligung an den Bewertungsreserven. Dabei geht es wohlgemerkt um noch nicht realisierte Gewinne mit Wertpapieren, die sich nach aktueller Lage voraussichtlich negativ entwickeln. Ein Verkauf aber würde zu Lasten der anderen Versicherten gehen, da ähnliche günstige Anlagen derzeit nicht möglich sind.
Dies bedeutet für Versicherte, deren Vertrag in der nächsten Zeit bei anhaltender Niedrigzinsphase endet, eine etwas geringere Ausschüttung von Teilbereichen der Bewertungsreserven. Diese hat im Vergleich zu den garantierten Leistungen jedoch einen geringen Anteil an der Gesamtleistung. Betroffen ist nach Aussagen der Unternehmen nicht jeder Lebensversicherungskunde, sondern nur eine Minderheit. Das richtet sich nach der Anlagestrategie des Versicherers, dem individuellen Beitrags- und Vertragsverlauf, der Höhe der Sockelbeteiligung an den Bewertungsreserven und der Gestaltung der Schlussgewinnbeteiligung.
Die Neuregelung dient der langfristigen Erfüllbarkeit aller vertraglichen Verpflichtungen und damit der Stabilität der Unternehmen sowie der Branche insgesamt. Dabei sollen alle Versicherten von den in der Vergangenheit eingegangen höher verzinsten Verträgen profitieren. Dabei geht es wohl gemerkt um die noch laufenden Kapitalanlagen der Versicherungen, nicht um bereits realisierte Gewinne. Der Versichertengemeinschaft geht durch die Neuregelung kein einziger Euro verloren. Das aktuelle Marktumfeld mit historischen Niedrigzinsen und einem Rekordtief der Leitzinsen von 0,75 Prozent ist für Lebensversicherer wie für Pensionskassen der betrieblichen Altersversorgung und für berufsständische Versorgungswerke eine ernste Herausforderung: sie erschwert massiv die Neu- und Wiederanlage von Kapital, führt damit zu künftig deutlich geringeren Renditen. Die Lebensversicherer haben die Folgen der Niedrigzinspolitik für ihre Versicherten zwar bisher gut abgefedert. Das aber liegt an ihren langfristigen Kapitalanlagen. Sie haben frühzeitig langlaufende Zinspapiere mit guter Verzinsung gekauft. Die Restlaufzeit ihrer Kapitalanlagen liegt derzeit bei über 10 Jahren. Zum anderen führen sie in der Versichertengemeinschaft einen Risikoausgleich über die Zeit durch. Das funktioniert vereinfacht so, dass in guten Kapitalmarktjahren Reserven aufgebaut werden, um diese in Phasen niedriger Zinsen an Kunden auszuschütten. Im Vergleich zu anderen Vorsorgeformen ermöglicht dies eine deutlich stabilere Gesamtverzinsung für die Kunden. Ein Ende der Niedrigzinsen ist allerdings weiterhin nicht in Sicht. Damit die Lebensversicherer ihren Kunden die versprochenen Leistungen dennoch langfristig zahlen können, müssen sie mit ihren Reserven vorsichtig haushalten. D.h., die Reserven müssen so eingesetzt werden, dass sie für eine lang andauernde Niedrigzinsphase reichen. Dieses Ziel kann aus heutiger Sicht nur mit der Neuregelung erreicht werden. Damit hat sich die Politik für eine gerechtere Verteilung von künftigen Gewinnen an die Versicherungskunden und ein Mehr an Finanzmarktstabilität entschieden, ohne für den einzelnen Versicherten seine vertraglich in Aussicht gestellten Anteile an bereits erzielten Gewinnen der Versicherer in Frage zu stellen.
Mit freundlichen Grüßen
Ulrike Flach