Frage an Ulrike Flach von Ralf P. bezüglich Finanzen
Der Entwurf für den Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus ist von Ihnen zur Kenntnis genommen worden. Der Vertrag stellt m.E. ein Ermächtigungsgesetz zur faktischen Abschaffung weitreichender und grundlegender demokratischer Befugnisse der Euro-Länder dar. Die Einrichtung soll quasi als Bank agieren dürfen und dann auch von der EZB Geld leihen können. In Wahrheit ist das natürlich nichts anderes als die Umgehung des Staatsfinanzierungsverbots aus der Notenpresse.Der ESM begründet wesentliche Einschränkungen unserer staatlichen Souveränität, die Budgethoheit des Parlaments ist beendet.
1. Das Grundkapital des ESM beträgt € 700 Mrd (Art. 8 Abs. 1). Gemäß Abs. 4 verpflichten sich die ESM-Mitglieder sich bedingungslos und unwiderruflich, ihre Einlage auf das Grundkapital zu leisten. Dem Wortlaut nach sind damit auch zukünftige Regierungen gebunden.
2. Nach Art. 10 Abs. 1 kann der „Gouverneursrat“ Änderungen des Grundkapitals beschliessen. Was nichts anderes heisst, als das über die € 700 Mrd hinaus „bedingungslos und unwiderruflich“ weitere Einlagen zu leisten wären, fiele ein solcher Beschluss.
3. Damit nicht genug, gem. Art. 17 Abs. 1 ist der ESM ermächtigt, Kredite aufzunehmen.Eine parlamentarische Kontrolle ist nicht vorgesehen.
4. Dass alles mit rechten Dingen zugeht, gewährleistet Art. 25 „Die Prüfung der Rechnungsführung des ESM erfolgt durch unabhängige externe Prüfer, die vom Gouverneursrat bestätigt werden.“ Eine gelungene Garantie für Unabhängigkeit, wenn der zu Prüfende ich seinen Prüfer selber aussuchen darf.
5. Durch die Immunitätsregeln (Art. 27 und 30) sind das Konstrukt ESM und dessen Organe jeglicher gerichtlicher und parlamentarischer Kontrolle vollständig entzogen.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie Ihre Abgeordnetenrechte ( und die Ihrer Nachfolger ) an Bank- Bürokraten in Brüssel abgeben wollen und Frage daher: Wie gehen Sie persönlich und wie geht Ihre Partei mit dem ESM und damit mit unser aller Zukunft um ?
Sehr geehrter Herr Passing,
Diese Staatsschuldenkrise in Europa stellt die Europäische Union vor ihre bislang schwierigste Aufgabe. Wir, die FDP-Bundestagsfraktion, haben uns dieser Aufgabe von Beginn an mit der nötigen Verantwortung gegenüber den Steuerzahlern in Deutschland, aber auch gegenüber dem europäischen Einigungsprozess und der EU insgesamt gestellt.
Meiner Meinung nach wären die Folgen einer ungeordneten Insolvenz eines Mitgliedsstaates verheerend. Die Folge könnte eine Kaskade wirtschaftlich zusammenbrechender Staaten sein, die aus dem Euroraum aussteigen, ihre eigene Währung einführen und diese erheblich abwerten müssten. In der Folge droht der Zusammenbruch eines ganzen Wirtschaftsraums, der insbesondere die hauptsächlich am Export orientierte, deutsche Volkswirtschaft treffen würde.
Vor diesem Hintergrund erscheint mir der ernsthafte Versuch, einen in Schwierigkeiten geratenen Mitgliedsstaat zunächst zu stützen und ihm gleichzeitig einen Sanierungskur zu verordnen, weitaus weniger risikoreich für unsere deutschen Interessen. Dafür brauchen wir EFSF und ESM.
Solidarität ist jedoch keine Einbahnstraße! Absolute Bedingung jedweder Hilfeleistungen muss ein tragfähiges und zukunftsweisendes Anpassungsprogramm für den hilfesuchenden Mitgliedstaat sein, das ihm rasch zu eigener Kreditwürdigkeit am Kapitalmarkt verhilft. Wer Hilfe beansprucht, kann auf Solidarität anderer Staaten nur hoffen, wenn er seinerseits Solidität bei seinem Sanierungsprogramm zeigt.
Aus meiner Sicht muss aber auch klar sein, dass es keine Dauerfinanzierung geben kann, falls sich herausstellen sollte, dass ein Land seine Schulden nicht aus eigener Kraft wird zurückzahlen können. Es darf nicht dazu kommen, dass ein insolventes Land dauerhaft von der internationalen Gemeinschaft finanziell unterhalten wird.
Bei der Formulierung der neuen Institutionen sind mir darüber hinaus die Einhaltung der Parlamentsrechte besonders wichtig. Das Recht, über Einnahmen und Ausgaben des Staates zu entscheiden, ist das Königsrecht des Parlaments. Bei der Einrichtung des zukünftigen, dauerhaften Euro-Stabilisierungsmechanismus „ESM“ werden wir deshalbauf ein Maximum an parlamentarischer Entscheidung drängen. Hierin hat uns auch das Bundesverfassungsgericht bestätigt. Wir wollen, dass alle Entscheidungen, die das Haushaltsrecht des Deutschen Bundestages berühren, durch einen strikten Parlamentsvorbehalt abgesichert und damit demokratisch legitimiert werden.
Die FDP wird sich als Europapartei auch weiterhin mit aller Energie dafür einsetzen, dass die der Verschuldungskrise zugrundeliegenden Probleme gelöst und nicht auf die nächste Generation verschoben werden. Denn es ist keineswegs derjenige der bessere Europäer, der mit immer neuen Hilfsprogrammen die Solidarität der solider wirtschaftenden Länder überfordert und damit auch diese in den Abgrund der Überschuldung treibt, bis die Eurozone daran zerbricht.
Daher setzen wir uns auf europäischer Ebene auch für eine erhebliche Stärkung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes ein, der dabei helfen kann, dass künftige Krisen schneller erkannt und vermieden werden.
Auch im Lichte der hitzigen Diskussionen der letzten Woche ist es mir wichtig noch einmal zu betonen, die FDP ist und bleibt die Partei der Europäischen Integration und der Wirtschaftskompetenz. Gemeinsame Konzepte für stabilitätsorientierte Haushalts- und Wirtschaftspolitiken im Euro-Währungsgebiet sind die Grundlage dafür, Verschuldungskrisen einzudämmen und künftig zu vermeiden. Nur so können wir Europa gemeinsam erfolgreich gestalten, die Europäische Integration fortsetzen und verfestigen.
Ihre Ulrike Flach