Frage an Ulrich Lange von Hans T. bezüglich Verkehr
Guten Tag!
Ich beziehe mich auf Ihr Interview mit dem Spiel bezüglich einer StVO-Novelle. Auf Spiegel Online werden daraus Ausschnitte wiedergegeben, zu denen ich Rückfragen habe. Ich hoffe, die Zitate wurden richtig wiedergegeben.
Sie fordern „gleiche Rechte“ für alle Verkehrsteilnehmer. Könnten die Verwaltungsvorschriften für den Straßenbau überarbeitet werden, sodass Radfahrstreifen zwingend eine Breite haben, die das gefahrlose Überholtwerden ermöglicht? Zum Vergleich: Der schmalste Regelquerschnitt für Fahrbahnen (RQ 7,5) sieht Fahrspurbreiten von 2,75 m vor, rechts und links noch einen Seitenstreifen von je 1 m. Zwei Pkw mit 2 m Breite können sich also bei einem Abstand von 25 cm zum Fahrbahnrand mit einem Abstand von 1 m begegnen. Ein Fahrradstreifen hat eine Mindestbreite von 1,60 m. Davon braucht ein Radler etwa 80 cm für sich selbst. Bleiben als Abstand zu sich öffnenden Autotüren nach rechts noch 40 cm und zum Fahrzeugverkehr nach links auch noch 40 cm. Notwendig wäre aber in beide Richtungen mindestens das Doppelte. Oder, um Ihr Argument auf die Spitze zu treiben: Es wäre doch schön, wenn auch Radfahrer die gut ausgebauten und begradigten Autobahnen benutzen dürften!
Bei der Freigabe von Einbahnstraßen sehen Sie „die Radrowdys in den Startlöchern“. Warum sind Sie der Meinung, eine Gruppe Verkehrsteilnehmer so verunglimpfen zu müssen? Ich bin Radfahrer und verbitte es mir. als „Radrowdy“ beschimpft zu werden! Andere Politiker wundern sich, dass der Ton in Debatten so an Schärfe zunimmt …
Können Sie bitte erläutern, warum es Kinder verwirren könnte, wenn Radfahrer an roten Ampeln (auf der Straße) rechts abbiegen dürften? Werden die Kinder auch durch Rechtsabbieger am Grünen Pfeil verwirrt? Gibt es dazu Untersuchungen?
Vielleicht darf ich Sie einladen, künftig auch einmal öfter als Radler am Straßenverkehr teilzunehmen, am besten auf dem Arbeitsweg, nicht nur sonntags zur Eisdiele? Ich glaube, dann verstünden Sie deren Sorgen besser.
H. T.
Sehr geehrter Herr T.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage vom 05.04.2019.
Die Stärkung des Radverkehrs ist für uns ein wichtiges Thema. Darum haben wir uns im Koalitionsvertrag darauf verständigt, die Mittel für den Radverkehr aufzustocken, um damit in den Radwegeausbau zu investieren. Zudem wollen wir das Programm für den Bau von Radschnellwegen praxisnaher ausgestalten und weitere innovative Projekte fördern, die den Radverkehr in Deutschland verbessern.
Schon heute ist der Radverkehr mit seinen positiven Effekten für Umwelt und Klima ein wichtiger Baustein unserer Verkehrspolitik. Daher ist es richtig und sinnvoll, dass sich die Verkehrsminister der Bundesländer bei der Verkehrsministerkonferenz am 4. und 5. April 2019 mit der Radverkehrspolitik beschäftigt haben. Von den veröffentlichten 15 Vorschlägen gehen jedoch aus meiner Sicht nicht alle in die richtige Richtung.
Klar ist, dass es im innerstädtischen Verkehr um Effektivität und die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer gehen muss. Dabei sind Radfahrer und Fußgänger ganz besonders zu schützen. Was die Nutzung der Verkehrswege angeht, brauchen wir keine Konkurrenz auf den Straßen, sondern ein geordnetes Neben- und Miteinander. Dafür tragen alle Verkehrsteilnehmer eine Verantwortung. Nicht ohne Grund heißt die Regel Nr. 1 im Straßenverkehr gegenseitige Rücksichtnahme.
Vor diesem Hintergrund muss man z.B. den Vorschlag, dass Radfahrer grundsätzlich trotz roter Ampel Rechtsabbiegen dürfen, kritisch diskutieren. Derzeit wird hierzu ein Pilotversuch des Bundes in neun Städten mit Nutzung eines grünen Pfeils nur für Radfahrer durchgeführt, der 2020 evaluiert wird. Danach wird aus dem Blick der Verkehrssicherheit zu entscheiden sein, wie weit man gehen kann.
Ein wichtiges Thema, um die Sicherheit von Radfahrern und Fußgängern zu verbessern ist der Einbau von Abbiegeassistenten für Lkw. Leider kommt es viel zu oft zu schrecklichen Unfällen von Fußgängern und Radfahrern durch abbiegende Lkws. Abbiegeassistenten können hier Leben retten. Darum ist es gut, dass bereits heute der freiwillige Einbau von Abbiegeassistenten in Lkw und Busse gefördert wird. Die Verpflichtung können wir nicht im nationalen Alleingang einführen. Für neue Fahrzeugtypen kommt sie 2022. Es ist jedoch ein gutes Zeichen, dass die Nachfrage nach dem Förderprogramm zum freiwilligen Einbau in Deutschland sehr groß ist. Damit setzen wir das richtige Signal. Auch die Lkw-Fahrer sind sich ihrer Verantwortung bewusst und müssen heute schon mit höchster Vorsicht abbiegen. Dass Lkw ohne Abbiegeassistenten künftig beim Rechtsabbiegen Schrittgeschwindigkeit fahren müssen, kann ich mir daher im Sinne der Verkehrssicherheit vorstellen.
Letztlich haben die Landesverkehrsminister mit ihrem 15-Punkte-Plan einen wichtigen Beitrag zur Debatte um die Radverkehrspolitik geleistet. Die einzelnen Vorschläge zur Änderung der Straßenverkehrsordnung (StVO) werden nun im Verkehrsausschuss beraten. Der Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur hat zugesagt bis Pfingsten Vorschläge für eine Novelle der StVO vorzulegen, die den Radverkehr nutzerfreundlicher und noch attraktiver machen soll.
Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Lange