Ullrich Georgi
DIE LINKE
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Frage von Albrecht W. •

Frage an Ullrich Georgi von Albrecht W. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Georgi,

mit Blick auf die Bundestagswahl im September habe ich mir Ihr Wahlprogramm "Für eine neue soziale Idee" von der ersten bis zur letzten Seite durchgelesen. Dabei stellten sich mir einige Fragen, ich hoffe Sie können mir diese beantworten. In ihrem Bundestagswahlprogramm stellen Sie folgende Forderungen auf, die Sie den Wählern in Aussicht stellen:

oAusweitung von Öffentlichen Dienstleistungen
oMassive Ausweitung von öffentlichen Investitionen durch ein Investitionsprogramm im Umfang von 30 Mrd. Euro mit Lohnkostenzuschüssen im Niedriglohnbereich
oWiederherstellung der längeren Bezugsdauer des Arbeitslosengeld I
oAnhebung des Arbeitslosengeldes II auf 420 Euro in Ost und West
oAufstockung des steuerfreien Existenzminimums auf 12000 Euro
o800 Euro Grundrente für alle
oGebührenfreiheit in Schule, Lehre und Universität
oGebührenfreie Kita-Plätze für alle Kinder
oErhöhung des Kindergeldes auf 250 Euro, keine Anrechnung des Kindergeldes bei Beziehern von Arbeitslosengeld und Sozialhilfe
oAbschaffung der Kaffee-, Bier-, Feuerschutz- und Weinsteuer
oErmäßigte Mehrwertsteuer beim Handwerk und apothekenpflichtigen Medikamenten
oAnhebung der Fahrtkostenpauschale auf 40 Cent/km
oErhöhung der Entwicklungshilfe auf 0,7% des BIP

Ich frage Sie, wie möchten Sie diese Wahlgeschenke gegenfinanzieren angesichts einer Staatsverschuldung von 1,4 Billionen Euro (1400 Milliarden Euro)?

Da in Ihrem Wahlprogramm keinerlei Sparmaßnahmen genannt werden, gehe ich davon aus dass diese Wahlgeschenke ausschließlich über Steuererhöhungen und Neuverschuldung finanziert werden sollen. Ich bin allerdings fest davon überzeugt, dass die Spitzenverdiener in unserem Lande (ich gehöre leider nicht dazu) wohl kaum bereit sind noch weitere Steuererhöhungen hinzunehmen und ihr Kapital schleunigst ins Ausland schaffen werden, wenn sie das nicht schon längst getan haben. Angesichts dieser Aussichten dürften die von Ihnen geplanten Steuererhöhungen doch eher Kapitalflucht als zusätzliches Geld in die Kassen für Ihre sozialen Wohltaten bringen.
Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir mitteilen würden, wie Ihre Wahlversprechen gegenfinanziert sind.

Des Weiteren ist es für mich intellektuell nicht nachvollziehbar, wie Sie in Ihrem Wahlprogramm schreiben können: "Der Trend, die Arbeitszeiten wieder zu verlängern, meist ohne Lohnausgleich, muss gestoppt und umgekehrt werden. Er bedeutet Lohnsenkung und führt zu mehr Arbeitslosigkeit."
Das Gegenteil ist der Fall, wenn die Löhne sinken, dann wird es auch für den Unternehmer rentabel neue Arbeitsplätze zu schaffen, die Arbeitslosigkeit sinkt. Das hat schon Karl Marx vor über 100 Jahren gewußt, und das beweisen die vielen Unternehmen, die Arbeitsplätze ins billigere (osteuropäische) Ausland verlagern.

Da Sie Ihr Wahlprogramm hoffentlich nicht nur für die Opposition geschrieben haben - denn warum sollte man dann Ihre Partei wählen wenn Sie nicht bereit sind Verantwortung zu übernehmen - wäre ich erfreut, wenn Sie mir meine Fragen beantworten könnten.

Mit freundlichen Grüßen und herzlichem Dank

Albrecht Walther

Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Walther,

zunächst herzlichen Dank für Ihr Interesse am Wahlprogramm der Linkspartei.

Bei den Fragen kann ich mich allerdings des Eindrucks nicht erwehren, dass Sie z.B. das Kapitel V. übersehen haben, da wird nämlich eine Gegenfinanzierung zumindest eines Teils der notwendigen Ausgaben aufgezeigt, die wir für eine Ankurbelung der Binnennachfrage für dringend erforderlich halten. Auch unter den Ziffern 1.6 sowie 2.2 und 2.4 sind Einnahmeverbesserungen im Bereich der sozialen Sicherungssysteme benannt, die zusammen mit den Entlastungseffekten durch einen Abbau der Arbeitslosigkeit die Bundeszuschüsse zur Arbeitslosenversicherung und zur Rentenversicherung reduzieren werden. Mittel, die dann ebenfalls für eine Steigerung der Investitionen der öffentlichen Hand genutzt werden können. Vor einer Steuerflucht habe ich weniger Sorge, wenn man bedenkt, dass der Spitzensteuersatz im letzten Jahr der Regierung Kohl bei 53% gelegen hat und wir nur eine Erhöhung auf 50% vorsehen. Ich meine im Übrigen, das Steuern da gezahlt werden sollten, wo das zu versteuernde Einkommen erzielt worden ist und nicht da, wo der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz hat. Das ist allerdings meine private Ansicht. Die neoliberale Logik, dass nur über eine Senkung der Lohnkosten und/oder der Lohnnebenkosten neue Arbeitsplätze entstehen können, hat sich in den letzten 20 Jahren ad absurdum geführt, dafür sprechen allein die annähernd 5 Millionen Erwerbslosen. Unsere exportorientierte Wirtschaft müsste daniederliegen, wenn das Argument mit den Lohnkosten zutreffen würde, das Gegenteil ist aber der Fall. Es ist also an der Zeit, von diesem Irrweg abzulassen und eine Steigerung der Binnennachfrage z. B. durch Lohnerhöhungen zumindest im Umfang des Produktivitätsfortschritts und des Inflationsausgleichs sowie durch höhere öffentliche Investitionen anzuregen.

Natürlich machen wir ein Programm, um es in praktische Politik umzusetzen, wer geht schon gern in die Opposition? Bei realistischer Betrachtung unserer Parteienlandschaft sehe ich allerdings derzeit keine Möglichkeit, entsprechende Koalitionspartner zu gewinnen, da müssten uns dann schon die Wählerinnen und Wähler mit einer genügenden Anzahl von Mandaten ausstatten. Ich hätte nichts dagegen.

Mit freundlichen Grüßen
Ullrich Georgi