Portrait von Ulli Zedler
Ulli Zedler
PIRATEN
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Ulli Zedler zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Falk R. •

Frage an Ulli Zedler von Falk R. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Zedler,

ich bin Immobilieneigentümer. Die Immobilie wurde durch einen Kredit finanziert, der über die Mieteinnahmen abbezahlt wird. Nun habe ich 2 Mieter, die ihre Miete nicht zahlen wollen. Deshalb können die Kreditraten nicht beglichen werden. Mir droht deshalb der Verlust der Immobilie und wohl die persönliche Pleite. Was raten Sie mir zu tun?

Ihre Partei setzt sich gegen Räumungen ein. Wie soll eine solche Situation aufgelöst werden? Was soll ein Gerichtsvollzieher tun, wenn die Leute nicht freiwillig ausziehen wollen?

Portrait von Ulli Zedler
Antwort von
PIRATEN

Sehr geehrter Herr R.,

Sie schildern ein sehr ernstes Problem: Sie sind mit einer kreditfinanzierten vermieteten Wohnimmobilie ein hohes Risiko eingegangen, von dem ich Ihnen, hätte ich Sie im Vorfeld beraten können, dringend abgeraten hätte. Sie konnten das so genannten Klumpenrisiko (wenige vermietete Einheiten, hohes Risiko wenn auch nur 2 davon ausfallen) nicht abfangen. Nun ist die Situation aber so wie sie ist, Ihre Problemlage kann ich sehr gut nachvollziehen und sie tut mir leid. Ich will ihnen gerne einige Hinweise geben:

Zunächst, ganz wichtig: Kommunizieren Sie auf Augenhöhe und zeitnah mit den Mietparteien, die ihre Miete nicht zahlen (können). Stellen sie zügig den Kontakt her mit den Institutionen, z.B. dem Jobcenter oder dem Wohngeldamt, die Mietbeihilfen bzw. Übernahme der Kosten der Unterkunft tragen. Vereinbaren Sie, wenn wirtschaftliche Probleme bei der Mieterschaft bestehen, ggf. Ratenzahlung oder einen begrenzten zeitlichen Verzicht auf einen Teil der Miete unter der Voraussetzung dass der Rest regelmäßig beglichen wird. Lassen Sie sich anwaltlich beraten, aber versuchen Sie, eine Lösung zu finden bei denen die Mieterschaft weiter wohnen kann, und im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit auch zahlt bzw. durch SGB- bzw. ALG-Leistungen unterstützt wird.

Die "ultima ratio" einer Zwangsräumung dagegen sollten Sie so weit wie irgend möglich vermeiden, denn sie kennt nur Verlierer: Sie haben dann enorme Kosten im Vorlauf, die Ihnen der Mieter nur zurückzahlen kann wenn er irgendwann „wieder zu Geld“ kommt, was nach einer Zwangsräumung in der Regel auf lange Sicht nicht mehr möglich sein wird. Zudem erhalten Sie nach der Räumung möglicherweise eine zuletzt stark vernachlässigte und renovierungsbedürftige Wohnung, vielleicht auch vermüllt. Es folgen den hohen Räumungskosten also dann in aller Regel Revitalisierungkosten und den Aufwand der Neuvermietung. Nicht nur Sie verlieren, auch die Mieterschaft steht dann in der Regel vor dem persönlichen Ruin und der Gefahr der Obdachlosigkeit. Deshalb sollten Sie den konsensualen Weg gehen, mit dem Ziel, die Leistungsstörung der beiden Mietverhältnisse so schnell es eben geht zu beenden.

Allgemein gilt: Wie Sie meinen Hinweisen entnehmen können, bin ich nicht "als Gegner der Vermieter“ gegen Zwangsräumungen, sondern weil diese NUR Verlierer kennt. Auch vermieterseitig! Wir im politischen Raum haben es häufig mit Zwangsräumungen zu tun bei denen der Mieter sogar zahlt, kooperationswillig ist und nur eine problematische wirtschaftliche Phase hinter sich hat, aber der Vermieter größtmögliche Energie darauf verwendet ihn loszuwerden, um das Objekt entweder zu einem stark erhöhten Preis neu zu vermieten, selbst zu nutzen (sog. Eigenbedarfskündigungen) oder zu den derzeit stark angestiegenen Preisen als Eigentum zu verkaufen. Diese Fälle fordern die Politik, und sie sind der Grund warum wir uns strikt gegen Zwangsräumungen als Mittel der Freimachung von Objekten oder der witschaftlich bestmöglichen Verwertung aussprechen.

Das Modell, sich eine kreditfinanzierte vermietete Immobilie (typischerweise eine Eigentumswohnung) zu kaufen mag steuerlich interessant sein, es kann auch eine hohe Rendite bieten, gerade bei niedrigen Zinsen wie derzeit, aber es ist aus o.g. Gründen für Privatpersonen mit nur wenigen Objekten hochriskant.

In der Wohnungspolitik plädiere ich deshalb dafür, dass der Mietwohnungsmarkt überwiegend in kommunaler, genossenschaftlicher oder gemeinschaftlicher Hand liegt, um genau diese Mietaufallrisiken auf breitere Schultern und in die Risikosphäre stärkerer Gemeinschaften legen zu können. Weiterhin plädiere ich dafür, dass die staatliche Unterstützungsleistung für Mieterinnen und Mieter so gestaltet wird, dass diese sich angemessenen Wohnraum auch leisten können, selbst wenn ihr eigenes Einkommen mal sinkt oder ausfällt (Stichworte WAV, Wohngeld, Kostenübernahme).

Weiterhin setzen sich die Piraten langfristig für ein sanktionsloses, bedingungsloses Grundeinkommen im Sinne einer Grundabsicherung ein, so dass Fälle wie Ihrer in der Praxis zumindest ihren Schrecken und ihre Bedrohlichkeit verlieren.

Im derzeitigen System ist es nämlich so, dass derjenige, der z.B. gegen Auflagen des Jobcenters verstößt, nicht nur von seiner Grundsicherung Abstriche erhält, sondern auch die Mietkostenübernahme anteilig gekürzt wird. Das ist fatal, und muss abgestellt werden. Zumal (daran denken nicht so viele) damit auch der Vermieter - wie Sie - direkt mit abgestraft wird, obgleich sie für Auflagenverstöße ihrer Mieterschaft beim Jobcenter ja nun wirklich nicht verantwortlich sind.

Ich verbleibe mit freundlichen Grüßen

Ulli Zedler