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Frage von Johannes P. •

Frage an Ulla Schmidt von Johannes P. bezüglich Gesundheit

Nach der neuen Gesetzeslage sollen wohl die Beiträge zur Krankenkasse auf ca. 15,5 % des sozialversicherungspflichtigen Einkommens steigen. Angeblich sollen die Krankheitskosten so immens steigen.

1. Warum finanziert die gesetzliche Krankenversicherung die Werbungskosten der Pharmaindustrie mit den Versichertenbeiträgen, wenn doch die Beiträge nicht ausreichen sollen, die originären Leistungen der Krankenversicherung abzudecken?

2. Warum werden immer noch Scheininnovationen der Pharmaindustrie - durch das harmlose "N" zu erkennen finanziert, wenn doch umfangreiche Studien belegen, daß viele Medikamente nicht die versprochene Wirkung erbringen?

3. Warum werben Krankenkassen für sich mit Angeboten wie:

"Fahren Sie ein ganzes Jahr kostenlos einen Smart. Sie brauchen nur die Spritkosten zu übernehmen!"

wenn gleichzeitig die originären Leistungen der Krankenversicherung eingeschränkt werden?

4. Wenn es doch einen Gesundheitsfond geben wird, warum bleiben dann die vielen hundert Krankenkassen bestehen mit ihren vielen Vorständen und übergeordneten Mitarbeitern? Wie viele Milliarden lassen sich durch die Bündlung auf eine einzige Pflichtversicherung einsparen? Der Arbeitgeber muß an meherere KV´s die Beiträge abführen, die diese doch wieder in den einen großen Topf überweisen und von dort wieder neu verteilt zurück erhalten.

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Paetzold,

danke für Ihre Fragen. Tatsächlich erfordert die Begrenzung der Ausgaben für Arzneimittel permanentes Monitorimg und immer wieder politisches Handeln. Über unsere insgesamt -- auch im internationalen Vergleich -- durchaus als erfolgreich zu bezeichnende Arzneimittelpolitik können Sie sich umfänglich auf unserer homepage www.bmg.bund.de informieren.

Zu Ihren einzelnen Fragen:

1) die gesetzliche Krankenversicherung bezahlt keine Werbungskosten für Arzneimittel. In Deutschland ist die Werbung für rezeptpflichtige Arzneien -- und nur diese werden von der gesetzlichen Krankenversicherung regelmäßig erstattet -- insgesamt extrem eingeschränkt und öffentlich sogar gänzlich untersagt. Dass Kosten für Forschung, den Vertrieb von Arzneimitteln und Ähnliches, aber auch für Imagewerbung in den Arzneimittelpreisen "eingepreist" sind, ist unvermeidlich und auch nicht zu beanstanden. Schließlich kann niemand verlangen, dass jemand Produkte kostenlos oder gar als Verlustgeschäft erzeugt und zum Endverbraucher schafft.

2) Für die Verordnung von Arzneimitteln ist bei uns systematisch der Arzt zuständig und verantwortlich. Dieser entscheidet darüber, ob ein Präparat medizinisch erforderlich ist oder nicht. Ich teile jedoch Ihre Auffassung, dass offenbar noch immer zu viele überteuerte Arzneimittel statt günstiger Alternativen verordnet werden.

3) Derartigen Unfug kann ich mir nicht vorstellen. Bitte teilen Sie mir bzw. meinem Büro Näheres zu diesem "Kassenangebot" mit. Die künftige Wettbewerbskonstruktion mit Gesundheitsfonds und fairen Zuweisungen nach Risikostruktur an die Krankenkassen wird dazu führen, dass solche oder ähnliche "Angebote" der Vergangenheit angehören und sich die Krankenkassen auf ein gutes Versorgungsmanagement konzentrieren werden.

4) Wie Sie wissen, bin auch ich der Auffassung, dass eine ganz erheblich geringere Anzahl von Krankenkassen ausreichend wäre. Mit der Gesundheitsreform wurden zahlreiche historische Barrieren hinsichtlich der Zusammenarbeit oder der Fusion von Krankenkassen beseitigt. So spielen historischen Kassenarten heute keine Rolle mehr und es können jetzt z.B. Innungs- mit Betriebskrankenkassen oder auch Ersatzkassen fusionieren. Außerdem können Ortskrankenkassen ohne die früher erforderlichen Staatsverträge über Ländergrenzen hinweg zusammengehen. Die neuen Freiheiten haben bereits zu vielen neuen Zusammenschlüssen geführt. Unter den verschärften Wettbewerbsbedingungen des Gesundheitsfonds wird sich dieser Trend beschleunigen.

Noch ein paar Worte zu Beitragssatzentwicklung. Der durchsschnittliche prozentuale Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung steigt in der Tat. Warum? Der medizinische Fortschritt führt zu immer schnelleren und besseren Heilungs- und Behandlungsmöglichkeiten -- aber auch zu deutlich höheren Kosten, die über die Beiträge finanziert werden müssen. Alle Länder sind davon in gleicher Weise betroffen -- aber Deutschland ist nach den OECD Statistiken seit Jahren das Industrieland mit den geringsten Kostensteigerungen, und das bei einem Leistungskatalog der Krankenversicherung, der in kaum einem anderen Land erreicht wird.

Die enorme Leistungsfähigkeit unseres sozialen Gesundheitssystems zeigt sich überdeutlich, wenn man sieht, welche Kosten im Krankheitsfall ohne wenn und aber und ohne Ansehen der Person erstattet werden. Nur ein Beispiel: Alleine eine große Regionalkasse finanzierte zwischen 2004 und 2007 Herztransplantationen für 36 Patientinnen und Patienten, vier davon Kinder. Im Schnitt kostete jeder Fall 210.000 EUR, manche hatten Behandlungskosten von über 350.000 EUR. Und täglich erhöhen sich die erbrachten Leistungen. Für teure Medikamente, damit diese Menschen leben können. Das deutsche Gesundheitssystem und die gesetzliche Krankenversicherung bieten Jahr für Jahr wahre Rekordleistungen.

Mit freundlichen Grüßen
Ulla Schmidt