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Frage von Holger W. •

Frage an Ulla Schmidt von Holger W. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Schmidt,

vorab möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich ein strikter Gegner der elektronischen Gesundheitskarte bin. Erstens, weil ich meine informationelle Selbstbestimmung auch gegenüber dem Arzt wahrnehmen möchte und nicht will, dass jeder Arzt alles über mich abrufen kann. Ich möchte selbst entscheiden, ob mein Zahnarzt wirklich wissen muss, dass ich in psychiatrischer Behandlung bin oder ob mein Augenarzt unbedingt wissen muss, dass ich einen künstlichen Darmausgang habe. Mein Vertrauen ist auch gegenüber den Ärzten nicht grenzenlos! Ausserdem würde eine allen Ärzten zugängliche Datenbank verhindern, dass ich bei schwerwiegenden Diagnosen eine unvoreingenommene zweite Meinung einholen kann, denn der zweite Arzt würde die Diagose des Ersten lesen und in seiner Meinung beeinflußt werden. Zweitens halte ich alle über Netzwerke zugängliche Datenbanken für ein Risiko weil es sich leider gezeigt hat, dass Daten alleine schon durch ihre Existenz Begehrlichkeiten sowohl auf Seiten des Staates als auch auf Seiten der Privatwirtschaft, aber auch auch bei Kriminellen wecken. Mißbrauch vorprogrammiert!

Nun ist es vorgesehen, dass der Patient selbst entscheiden kann, ob er die zentral gespeicherte Patientenakte nutzen will. Meine Frage: Wie möchten Sie verhindern, dass diese Wahlmöglichkeit auf lange Sicht tatsächlich erhalten bleibt ohne dass derjenige, der sich gegen die Speicherung entscheidet, als Patient diskriminiert wird? Teilen Sie meine Bedenken nicht, dass früher oder später derjenige, der sich dagegen entschieden hat, mit erheblichen Nacheilen in der medizinischen Versorgung rechnen muss, z.B., indem Ärtzte sich weigern, solche Patienten zu behandeln?

Was würde mir eine Wahlmöglichkeit nutzen, wenn mich die Lebenswirklichkeit vor vollendete Tatsachen stellt und mir die Entscheidung abnimmt? Wie werden Sie verhindern, dass Ärzte gegen meinen Willen meine Daten in einer Datenbank ablegen? Was ist, wenn ich die Karte generell ablehne?

Hochachtungsvoll

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Wiechmann,

vielen Dank für Ihr Interesse an der elektronischen Gesundheitskarte. Ich habe volles Verständnis für Ängste und Sorgen von Bürgern rund um deren Einführung und deren kritische Begleitung. Sie zeugen von Sensibilität für das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Wichtig ist mir aber auch, dass die Menschen die enormen Vorteile, die die elektronische Gesundheitskarte ihnen zur Verbesserung ihrer medizinischen Versorgung bieten kann, kennen lernen.

Die Gewährleistung der Entscheidungsfreiheit der Versicherten über die Speicherung und die Verwendung der mithilfe der elektronischen Gesundheitskarte gespeicherten medizinischen Daten ist einer der wichtigsten Grundsätze bei der Konzeption der Gesundheitskarte.

Hinsichtlich der Bereitstellung medizinischer Daten entscheidet der Versicherte selbst, ob und in welchem Umfang er von den neuen Möglichkeiten zur besseren Verfügbarkeit seiner Daten Gebrauch machen möchte. Die Freiwilligkeit ist gesetzlich geregelt. Ich teile die Auffassung nicht, dass bei einer Entscheidung gegen die Speicherung grundsätzlich Nachteile in der medizinischen Versorgung zu befürchten sind. Allerdings profitiert man natürlich z.B. nicht von gegebenenfalls wichtigen Informationen über potentiell problematische Wechselwirkungen von Medikamenten, wenn entsprechende Daten nicht gespeichert werden. Aber dieser potentielle, individuelle Nachteil kann kein Grund sein, denjenigen, die aus freien Stücken heraus bereit sind, einen entsprechenden Medikamentenabgleich zuzulassen, diese Option zu nehmen, indem man schlicht allen diese Möglichkeiten vorenthält.

Der Schutz der sensiblen Daten wird durch gesetzliche und technische Festlegungen gesichert. Für alle medizinischen Anwendungen funktioniert der Zugriff auf die Daten nur, wenn die Gesundheitskarte im Kartenlesegerät steckt, der Arzt seinen Heilberufsausweis ebenfalls in das Kartenlesegerät eingibt und der Versicherte durch Eingabe seiner PIN die Einsicht in die über die Gesundheitskarte verwalteten medizinischen Daten ermöglicht. Einzige Ausnahme: Bei den Notfalldaten ist es einem Arzt beziehungsweise dem zugriffsberechtigten medizinischen Personal im Krankenhaus oder Rettungsdienst erlaubt, direkt, d.h. auch ohne Eingabe einer PIN, auf die Notfalldaten zuzugreifen -- wieder vorausgesetzt, dass der Versicherte sich vorher freiwillig entschieden hat, Notfalldaten auf seiner Karte anlegen zu lassen.

Ansonsten gilt: Der Versicherte allein kann entscheiden, wem er wann den Zugriff auf die medizinischen Daten der Gesundheitskarte ermöglichen will - beispielsweise im Zusammenhang mit dem Wunsch nach Einholung einer unvoreingenommenen Zweitmeinung.

Da die Speicherkapazität des Chips nicht ausreicht, um alle Informationen auf der Karte zu hinterlegen, sieht der technische Lösungsansatz sowohl Speicherungen auf der Gesundheitskarte als auch verschlüsselte Speicherungen auf verteilten Servern vor. Das Sicherheitskonzept der elektronischen Gesundheitskarte sieht vor, dass bei Nutzung von öffentlichen Netzen zum Datentransfer verschlüsselte Kanäle zum Einsatz kommen. Zusätzlich zur Transportverschlüsselung sind die Daten mit dem geheimen Schlüssel des Gesundheitskarteninhabers verschlüsselt, d.h. sie können nur mittels der Gesundheitskarte wieder entschlüsselt werden. Ein Dritter kann daher die verschlüsselten Daten nicht einsehen. Die Sicherheitsstandards für die Verschlüsselung basieren auf der Mitarbeit und den technischen Richtlinien sowie Prüfvorschriften des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik.

Die flächendeckende Ausgabe der elektronischen Gesundheitskarte beginnt noch in diesem Jahr. Nach erfolgter Ausgabe an alle Versicherten werden die bisherigen Krankenversichertenkarten ihre Gültigkeit verlieren.

Mit freundlichen Grüßen
Ulla Schmidt